Heute wird Roberto Baggio 55 Jahre alt. Als Spieler war er ein kickender Widerspruch, der als tragisches Genie faszinierte – und die coolste Frisur aller Zeiten hatte.
Über die Anfänge von Baggios Karriere las ich nur retroperspektiv, davon, wie sein Stern bei der Fiorentina aufging und das Knie früh kaputt. Wie er 1990 in das Piemont wechselte und die Florenzer Tifosi aus Protest die Altstadt zerlegten. Wie Baggio nach dem Spiel gegen seinen alten Klub in die Mikrofone lärmte, er werde im Herzen immer lila tragen.
Und davon, wie er 1993 zum besten Spieler Europas und des Planeten wurde, Weltfußballer, vor Romario noch, weil er Juve den UEFA-Cup geholt hatte. Gigi Maifredi, früher Baggios Trainer bei der alten Dame, schwärmte: „Er kann Fußball spielen wie noch nicht mal die Heiligen im Paradies.“
Ohne Baggio? Ohne mich!
Dabei wollte Baggio gar nicht ins Paradies. Die Sumpflandschaften des heimatlichen Veneto waren ihm oft schon genug, ihret- und der Familie wegen schlug Baggio internationale Angebote aus und heuerte bei Brescia Calcio an, 2000 war das. Kurz vorher hatte die Corriere dello Sport mal wieder eine Kampagne gestartet, mit der sie ihren gealterten Helden doch noch in den EM-Kader zu hieven versuchte.
Auch ich wollte mich solidarisieren, wollte einen Brief schreiben. Leider war ich des Italienischen nicht mächtig. Die Squadra Azzurra unterlag Frankreich im Finale. Ohne Baggio. Ich habe es mir nicht angeschaut.
Abschied am 16. Mai 2004
Das letzte Mal am Ball sah ich Roberto Baggio dann in seinem Abschiedsmatch. Vier Saisons in Folge hatte er Brescia Calcio in der Serie A gehalten, den pomadigen Klub mit seinen Soli, seinen Freistößen, Elfmetern und Pässen gerettet. Am 16. Mai 2004 war es vorbei. Baggio ging – und schaffte es doch nochmal, mich zu bannen. Es war gar nicht sein Wirken auf dem Rasen an jenem Tag, auch nicht sein demütiger Abgang oder die 80.000 im San Siro, die sich kollektiv erhoben für den scheidenden Kapitän des Gegners.
Es war etwas anderes: Roberto Baggio trug, mit 37 Jahren und komplett ergraut, noch immer seinen Zopf. Ich ging schon lange nicht mehr in den Kindergarten. Aber wäre in diesem Moment Friseurtag gewesen, ich hätte mir sofort wieder drei Strähnen ins Haar knüpfen lassen.