Kürzlich forderte der 1. FC Köln den Ausschluss belarussischer Mannschaften aus den europäischen Wettbewerben. Der Fußball im Land ist tief in das Machtsystem von Alexander Lukaschenko verstrickt.
Die Fans der meisten belarussischen Klubs erklärten allerdings einen Boykott der Spiele und die Besucherzahlen brachen um 70 Prozent ein. Dieser „Sonderweg“ hatte allerdings auch positive Effekte für den Fußball im Land: In Russland, der Ukraine, in Israel und anderen Ländern wurden die Übertragungsrechte für Spiele der höchsten belarussischen Spielklasse, der Wyschejschaja Liha, gekauft (um wenigstens irgendwas zu zeigen). Medien schrieben weltweit über den belarussischen Fußball, und es bildeten sich internationale Fanklubs. Als der Sport in die europäischen Stadien zurückkehrte, erlosch das Interesse an der Wyschejschaja Liha jedoch wieder.
Im August 2020, wenige Tage vor der Präsidentschaftswahl, tauchte in Social-Media-Kanälen des ABFF ein Werbeclip für Alexander Lukaschenko auf, und Basanow wurde bei Veranstaltungen zur Unterstützung des Regimes aktiv. Politik war nun gefährlicher als das Coronavirus: Aus Angst, dass die Fans die Stadien zu Protesten nutzen könnten, fanden die Spiele ohne Zuschauer statt oder wurden verlegt. Nach der Wahl und der brutalen Unterdrückung der Proteste blieben die Fans den Stadien endgültig fern, während Hunderte belarussische Fußballer, Trainer und Schiedsrichter sich gegen die Gewalt aussprachen. „Ich weigere mich, die Interessen der Nationalmannschaft zu vertreten, solange das Regime Lukaschenko herrscht“, schrieb der junge Stürmer Ilja Schkurin auf Instagram. Seitdem spielt er nicht mehr für die Nationalmannschaft und ist nicht mehr nach Belarus zurückgekehrt.
„Ich weigere mich, die Interessen der Nationalmannschaft zu vertreten, solange das Regime Lukaschenko herrscht“
Basanow hatte anfangs versprochen, dass Spieler oder Vereine nicht für ihre Haltung bestraft würden. Als die Proteste jedoch immer weiter unterdrückt wurden, erreichten die Repressionen auch den Fußball. In die Nationalmannschaft wurden keine Spieler mehr berufen, die sich gegen die Gewalt geäußert hatten. Um der ideologischen Reinheit Willen opferte der Verbandschef sogar die Chance, sich für die EM zu qualifizieren.
Die Säuberungen erfassten auch die Sportpresse und Klubs wurde empfohlen, keine Verträge mit unliebsamen Spielern und Trainern abzuschließen. Alle Verträge müssen letztendlich vom Sportministerium bestätigt werden, viele Profis, die eine „falsche“ Meinung haben, erhalten dort eine Absage. Dem Fußballklub Krumkatschy Minsk, der sich offen gegen die Gewalt ausgesprochen hatte, wurde erst der Weg in die Wyschejschaja Liha verwehrt, dann folgte der erzwungene Abstieg in die dritte Liga.
Spieler von Krumkatschy Minsk in Trikots mit der Aufschrift „My supraz gwaltu“ („Wir sind gegen Gewalt“). Alexander Iwulin, ein Spieler des Teams und zugleich Blogger, wurde wegen Beteiligung an der Protestaktion zu zwei Jahren Strafkolonie verurteilt.
Im Herbst 2020 kam Wladimir Basanow auf die Sanktionslisten von Litauen, Lettland und Estland. Die Belarusian Sport Solidarity Foundation (BSSF) hatte die UEFA mehrfach auf Fälle von Diskriminierung im belarussischen Fußball hingewiesen, was allerdings ergebnislos blieb. Dabei wird die Tätigkeit Basanows, der sich superloyal gibt, sogar vom Regime und der Propaganda nicht sonderlich hoch geschätzt. Sportminister Sergej Kowaltschuk bezeichnete das Niveau des belarussischen Fußballs als „Saustall und Sumpf“ und auch Lukaschenko kritisierte den Fußball.
Früher waren Fußballfans in Belarus keine relevante politische Kraft. Der Kriegsbeginn im Donbass und die Annexion der Krim veränderten jedoch alles. Die Fans, von denen ein Teil früher mit russischen imperialen Vorstellungen sympathisierte, interessierten sich nun für die nationale Kultur und pflegten verstärkt das Belarussische. Sowohl beim Euromaidan wie auch im Donbass-Krieg spielten ukrainische Ultras eine wichtige Rolle. Das inspirierte die belarussischen „Kollegen“ und alarmierte die Sicherheitsbehörden im Nachbarland.
Bereits bei der Präsidentschaftswahl 2015 hatte es immer mehr Meldungen über Festnahmen junger Menschen gegeben, bei denen eine Zugehörigkeit zur Ultra-Kultur hervorgehoben wurde. Mit diesen „Säuberungen“ war die Hauptverwaltung für den Kampf gegen organisierte Kriminalität und Korruption (GUBOPiK) des Innenministeriums befasst. Gegen Ultras wurden Strafverfahren angestrengt, die zum Teil absurd waren: Witali, Pseudonym „Puma“, ein bekannter Fan von Dynamo Minsk, wurde 2017 zu zwei Jahren und vier Monaten verurteilt, weil er im Internet eine Kondomwerbung geteilt hatte – das Gericht hatte hierin Pornographie ausgemacht.
2020 wandelte sich die GUBOPiK endgültig in eine Art politische Polizei und stand bei der Unterdrückung der friedlichen Proteste gegen die gefälschte Wahl an vorderster Front. Die Sicherheitsbeamten bliesen zur Jagd auf Ultras, Anarchisten und Anhänger anderer Subkulturen, auf alle, die ihrer Ansicht nach dem Regime Lukaschenko gegenüber nicht loyal waren. Am 22. August 2020 wurde in Minsk Nikita Kriwzow, ein Fan des FK Maladsetschna, erhängt aufgefunden. Am Tag der Präsidentschaftswahl war er vor einer Kette von Milizionären mit der weiß-rot-weißen Protestflagge gesehen worden. Die Ermittlungen kamen zu dem Schluss, dass Kriwzow Selbstmord begangen habe. Das glaubt jedoch kaum jemand.
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