Kürzlich forderte der 1. FC Köln den Ausschluss belarussischer Mannschaften aus den europäischen Wettbewerben. Der Fußball im Land ist tief in das Machtsystem von Alexander Lukaschenko verstrickt.
Nach Einschätzung von Menschenrechtlern gab es in Belarus mit Stand vom 10. Juli 1.236 politische Gefangene. Unter ihnen sind Dutzende Ultras, wobei in Mosyr, Soligorsk, Molodetschno, Minsk und Orscha besonders viele verhaftet wurden. Muss da noch erwähnt werden, warum die Fans den Stadien fernblieben? „Ohne aktive Unterstützung ist es nur ein Spiel mit einem Ball. Wir haben unsere Herzensangelegenheit auf Pause gestellt. Für einen echten Fan, für jemanden, der mit der Mentalität eines Ultras lebt, ist das sehr hart“, lautet die Analyse eines Ultras.
Auch gewöhnliche Anhänger haben es nicht leicht. Die Kontrollen der Miliz beim Einlass sind überaus streng; sie wurden nach der Wahl weiter verschärft. Die Klubs arbeiten schlecht und auch die Qualität des Fußballs kann einen kaum ins Stadion locken. 2012 kamen durchschnittlich 2.014 Zuschauer ins Stadion, 2021 waren es nur noch 1.422.
In der aktuellen belarussischen Wyschejschaja Liha spielen 16 Teams. Viel zu viele. Jahr für Jahr haben viele Teams mitten in der Saison finanzielle Schwierigkeiten, weswegen einige dann die Saison nicht zu Ende spielen können. Die jüngsten Ereignisse haben zusätzlich Wirkung gezeigt. Wegen der Sanktionen, von denen die Besitzer der Klubs direkt betroffen sind, können diese sich keine hochklassigen Legionäre mehr leisten; es wurde eine Obergrenze für die Gehälter eingeführt und ein bestimmtes Kontingent an jungen Spielern, das auf dem Platz stehen muss.
Die 13-jährige Vorherrschaft von BATE Baryssau wurde zunächst von Dynamo Brest durchbrochen, das von Alexander Sajzew finanziert wird. Sajzew, ein Lukaschenko nahestehender Unternehmer, holte Diego Maradona nach Brest und machte ihn zum Vorstandsvorsitzenden des Klubs. Er geriet jedoch auf die Sanktionsliste und musste sich sowie sein Kapital aus dem belarussischen Fußball zurückziehen und seine Ambitionen aufgeben.
Die letzten zwei Meistertitel errang der FK Schachzjor Salihorsk. Doch auch dieser Verein, der von dem sanktionierten Konzern Belaruskali finanziert wird, hat es nicht leicht. All das schlug sich in den Ergebnissen der Vereine nieder: In den letzten drei Saisons konnte sich keines der Teams in einem europäischen Wettbewerb für die Gruppenphase qualifizieren, 2021 war sogar spätestens in der zweiten Qualifikationsrunde Schluss. Hinzu kam, dass die Klubs und die Nationalmannschaft nach der erzwungenen Landung der Ryanair-Maschine im Mai 2021 und dem Beginn des Krieges in der Ukraine ihre internationalen Spiele nicht mehr in Belarus austragen dürfen.
Noch heftiger ist die Krise der Nationalmannschaft. Trainer, die etwas auf sich halten, weigern sich, ein angeschlagenes Team zu übernehmen. Und die Führungsspieler weigern sich, zurückzukommen. Die Folge sind Negativrekorde wie das historische 0:8 gegen Belgien oder lange Serien von Niederlagen bei offiziellen Spielen, die Belarus in die unterste Etage des europäischen Fußballs abrutschen ließen. Im neuesten Ranking der UEFA belegt das Land sogar den letzten Platz.
Der belarussische Fußball steckt in einer Krise. Doch den Verantwortlichen ist sehr bewusst, dass ihre Karriere nicht von Ergebnissen abhängt, sondern von ihrer Loyalität gegenüber dem Regime. Sie bleiben trotz aller Pleiten, die den belarussischen Fußball auf das Niveau der 1990er Jahre zurückgeworfen haben, auf ihren Posten. Damals konnten junge ambitionierte Manager und Trainer die Karre aus dem postsowjetischen Loch ziehen; heute jedoch ist es gefährlich, Initiative zu zeigen. Der Fußball in Belarus schmort im eigenen Saft: Belarussische Spieler streben keine Karriere im Ausland an und Legionäre aus dem Ausland haben kein Verlangen nach einer toxischen Liga mit leeren Stadien. Das Niveau sinkt generell. Es wachsen keine neuen Stars heran – trotz der Pflichtkontingente von jungen Spielern in der Startaufstellung.
Die Stagnation im Fußball ist ein Spiegelbild der Lage im Land. Der belarussische Fußball wird sich nur dann aus dieser Lage befreien können, wenn sich auch das Land ändert – ein Umbruch im Sport wird erst mit einem politischen Wandel möglich.
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