Von Doll bis Wollitz, von Kovac bis Dardai – die Trainer greifen die Medien an. Sie fühlen sich zu hart angegangen. Dabei ist das Gegenteil der Fall.
Ab drei ist es ein Trend. Angelehnt an diesen alten Spruch kann man feststellen: Im Fußball greift gerade eine groß angelegte Medienschelte der Trainer um sich. Zwar gab es schon immer Reibereien zwischen Trainern und Journalisten, man denke nur an die obligatorischen Zwistigkeiten von Otto Rehhagel mit der Presse. Doch so geballt wie in dieser Woche traten die öffentlichen Zerwürfnisse selten zu Tage.
Hannovers Trainer Thomas Doll schnaubte auf der Pressekonferenz nach dem Spiel in Wolfsburg: „Auf diese Frage habe ich gerade noch geantwortet (er wollte wohl „gewartet“ sagen). Die Frage mussten Sie mir jetzt noch reindrücken.“ Kollege Bruno Labbadia sprang Doll heldenhaft zur Seite. Schalkes Trainer Huub Stevens blaffte derweil einen Pressevertreter an: „Hör auf. Ich antworte dir nie mehr. Weg! Du bist lächerlich.“
Dardai spricht von geplantem Mord
Gladbachs Trainer Dieter Hecking war so verärgert über die Aussagen im Fernsehstudio, dass er das zugeschaltete Interview abbrach. Herthas Trainer Pal Dardai machte indirekt die Medien für das schlechte Auftreten seiner Mannschaft verantwortlich, weil diese zu viel Druck erzeugt hätten. Dardai sprach von „geplantem Mord“.
Und Bayerns Trainer Niko Kovac mahnte derweil: „Es geht nur noch um Sensationen, wir müssen mal wieder klarkommen mit unserem Leben, das ist nicht in Ordnung, was hier abgeht.“ Dabei könnten Kovac’ Sätze genau auf die Trainer gemünzt werden: Ihr müsst mal wieder klarkommen!
Bayern bespielt den Boulevard selbst
Es waren sachliche Nachfragen, bei denen die Übungsleiter aus dem Sattel gingen. In Hannover ging es um die Nicht-Berücksichtigung eines Spielers, dessen Einsatz Noch-Vereinschef Martin Kind aus finanzieller Sicht verboten hatte. Auf Schalke befragte der angegangene Journalist Huub Stevens zu der absolut berechtigten und in gleichem Maße überflüssigen gelb-roten Karte für den Spieler Suat Serdar. Gladbachs Dieter Hecking behielt den Grund für seinen Ärger für sich, aber die Ausgangsfrage drehte sich um die Formschwäche seines Kapitäns Lars Stindl.
Die von Kovac angeprangerte Sensationslust der Münchner Medien hatten die Bayern selbst heraufbeschworen. Wenn Jerome Boateng eine Party nach dem wohl wichtigsten Spiel des Jahres in aller Öffentlichkeit ansetzt, dann wirkt so ein Plan auch in die Kabine und auf das sportliche Geschehen. Der FC Bayern bespielt den Boulevard nach allen Regeln der Kunst – und muss sich dann nicht über die Folgen wundern.
Sicher waren Niko Kovac, Dieter Hecking und Pal Dardai eigentlich immer für sachliche und faire Analysen bekannt, kurze Ausbrüche nach dem Spiel sind auch mit angestauten Emotionen zu rechtfertigen. Allerdings ist schon bemerkenswert, dass die gesamte Branche im Fußball von einer ungewöhnlichen Weinerlichkeit befallen ist. Mittlerweile schwingt sich allwöchentlich ein Vertreter zur großen Medienkritik auf.
Beispielhaft dafür waren die Spieler der deutschen Nationalmannschaft, die nach dem WM-Sieg gegen Schweden öffentlich so taten, als hätte sie die deutsche Medienlandschaft besiegt. Im vergangenen Herbst folgte dann die denkwürdige Pressekonferenz der Bayern-Granden, die sich über eine nicht genauer definierte Berichterstattung mokierten und sogar mit Hilfe des Grundgesetzes zur Wehr setzen wollten. Das aktuelle Trainergrollen setzt da nur die diffuse Echauffierungs-Erzählung „Wir gegen die Medien“ fort. Warum das Ganze? Es mag komisch klingen, aber: Es wird nicht zu viel kritisiert, sondern zu wenig.
Die Spieler und Trainer sind Kritik nicht mehr gewohnt
Im Fußball bekommen Trainer, Spieler und Funktionäre ein Presse-Briefing. Vermutlich jeder Post und Artikel wird ihnen von Beratern und „Communications Agents“ aufbereitet. Wer so viel vorgesetzt bekommt, verliert irgendwann den Durchblick und kann Sachliches nicht mehr von Unsachlichem trennen. Und will sich dann wehren, wo es manchmal nichts zu wehren gibt. Wenn es Kritik an Medien gibt, wird sie auch unkonkret und pauschal vorgetragen.
Außerdem werden Spieler und Trainer allwöchentlich von den hauseigenen Vereinsmedien interviewt – kritische Nachfragen kommen dabei ungefähr so häufig vor wie Kantersiege von Hannover 96. Es wird gekuschelt, bis es schmerzt. Nur nachvollziehbar, dass die Befragten dann nicht mehr mit kritischen Nachfragen umgehen können.
Penetrante Larmoyanz
Vielleicht wirkt aber ein Beispiel aus der Dritten Liga auf die Branche wie ein mahnendes Beispiel. Trainer Claus-Dieter Wollitz wollte es sich nicht nehmen lassen, einmal zu verdeutlichen, wohin die penetrante Larmoyanz der Trainer führen kann. Wollitz ereiferte sich, dass er für ein Spiel auf die Tribüne verbannt wurde. „Ich habe mich immer an die Pflichten und Rechte der Bundesrepublik Deutschland gehalten, ich zahle zuverlässig meine Steuern. Ich habe ein Recht auf Arbeit“, sagte er ernsthaft und erging sich dann in noch viel abstruseren Ausflüchten. „Wann werden wir in Cottbus endlich als Menschen behandelt?“
Die Trainer in Deutschland brauchen nicht weniger Kritiker. Sie brauchen mehr Leute, die ihnen sagen, wenn sie sich verrennen.