Für die aktuelle 11FREUNDE-Ausgabe #234 begleiteten wir Mario Götze beim PSV Einhoven und sprachen mit ihm über sein neues Leben in den Niederlanden, Frustmomente unter Lucien Favre und Bauchentscheidungen, die er so heute nicht mehr träfe.
Die große Reportage über den WM-Held von 2014 gibt es in der aktuellen Ausgabe #234, erhältlich hier im Shop und überall, wo es Zeitschriften gibt.
Mario Götze, im Jahr 2015 erzählten Sie im 11-FREUNDE-Interview, Sie müssten sich wegen des Trubels und der hohen Taktung an Ereignissen oft selbst zur Ordnung rufen: „Mario, du bist gerade hier, nimm es wahr!“ Fällt es Ihnen in den Niederlanden leichter, im Moment zu leben?
Natürlich schauen die Medien hier anders auf mich als in Deutschland, so dass es etwas einfacher ist.
Hatte diese Entschleunigung Einfluss auf Ihre Entscheidung zum PSV Eindhoven zu wechseln?
Nein. Ich lebe, seit ich 19 bin, unter einer besonderen Wahrnehmung, damit komme ich klar. Bei dem Wechsel ging es eher darum, nach elf Jahren in der Bundesliga ein neues Land, ein neues Setup, eine andere Kultur kennenzulernen. Die „Holländische Schule“ fand ich immer interessant, PSV und Ajax spielen aufregenden Fußball. Außerdem habe ich gern mit Peter Bosz gearbeitet.
Nun ist Eindhoven keine Stunde von der deutschen Grenze entfernt. In Ihrem Team spielen sechs deutsche Profis unter dem deutschen Trainer Roger Schmidt. So ganz anders wird die Kultur nicht sein.
Es gibt schon Unterschiede, was die taktischen Vorstellungen und auch Disziplinfragen anbetrifft.
Das heißt?
In den Niederlanden wachsen Fußballer mit dem 4 – 3‑3-System auf. Dieses Dogma versucht Roger gerade aufzubrechen, um variabler zu sein. Was die Disziplin anbetrifft: Ich bin es seit Jahren gewohnt, im Drei-Tages-Rhythmus zu spielen, dazu kommen viele schlauchende Trainingseinheiten. Diese Intensität verlangt mir als Athlet alles ab, um das Level zu halten. Wir haben hier viele junge Spielern, von denen man die Konstanz, ständig Leistung abzurufen, nicht erwarten kann. Mir ging es genauso, als ich jung war. Da sehe ich mich auch in der Pflicht voranzugehen.
Dennoch war es sehr überraschend, dass ein Spieler mit Ihren Meriten in die Ehrendivisie wechselt.
Sie müssen sich vor Augen halten, wo ich herkam. Im letzten BVB-Jahr unter Lucien Favre hatte ich kaum Einsatzzeiten. Ich wollte unbedingt zurück auf den Platz und wieder einen Impact auf eine Mannschaft haben, die international spielt. Dadurch, dass Roger mir die zentrale Rolle im Team zugedacht hat, ist das in Eindhoven möglich.
„Roger gab mir das Gefühl, mir voll zu vertrauen“
Schmidt hat gesagt: „Komm zu uns, wenn Du wieder Spaß am Fußball haben willst“.
Mir ist über die Jahre klar geworden, wie wichtig ein enges Verhältnis zum Trainer für meine Entwicklung ist. Ich fand Rogers fußballerische Philosophie spannend, er gab mir das Gefühl, mir voll zu vertrauen.
Kannten Sie Schmidt vorher?
Nicht persönlich. Wir hatten uns im Sommer einmal lose getroffen, wo er von seinem Vorhaben erzählte und sein Interesse bekundete. Als am Tag des Transferschluss noch keine Entscheidung gefallen war, wohin für mich die Reise geht, haben wir uns mittags in Düsseldorf zusammengesetzt und rechtzeitig bis 18 Uhr alle Formalitäten erledigt.
Wie wurden Sie von der Mannschaft empfangen?
Sehr herzlich. Es war erkennbar, dass die Jungs Lust haben, mit mir zusammen zu zocken. Wir haben einen kleinen Kader, nach dem Umbruch kamen viele junge Spieler nach oben. Alle waren dankbar, noch Qualität von außen dazu zu bekommen.
„Ich war nie der Typ Führungsspieler, der ständig Ansagen macht“
Fragen die Nachwuchsspieler nach Ihren großen Erfolgen, nach dem WM-Tor?
Die fragen fast nach allem: Nach Trainern, nach der WM und natürlich auch, wie ich die Zeit bei Bayern oder beim BVB erlebt habe.
Mit 28 Jahren sind Sie inzwischen ein Routinier in der Mannschaft. Wie nehmen Sie Ihre Führungsaufgaben wahr?
Ich war nie der Typ Führungsspieler, der wie ein Leitwolf ständig Ansagen macht. Bei mir läuft es eher nach dem Prinzip: Leading by Example. Ich versuche, den Jungs über mein Spiel zu helfen, ein Vorbild zu sein, anstatt sie ständig verbal abzuholen. Das bin ich vom Naturell einfach nicht.
Nach dem ausgelaufenen Vertrag in Dortmund waren Sie im Sommer bei vielen Klubs im Gespräch. Was war dran an den Angeboten von Inter Mailand, vom AS Rom und dem AC Florenz?
Es gab viele lose Kontakte. Konkret sind wir da nicht geworden.
Auch der Beckham-Klub Inter Miami soll angeklopft haben?
Das war ein Thema, aber zum jetzigen Zeitpunkt war der Schritt in USA für mich noch nicht denkbar. Ich will ja wieder Champions League spielen.
Sie sollen auch bei Uli Hoeneß gewesen sein und über eine Rückkehr zum FCB verhandelt haben.
Wir hatten Kontakt, aber nicht bei ihm zuhause. (Lacht.) Auch mit Hansi Flick, den ich durch die Nationalelf lange kenne, habe ich gesprochen. Es hätte passen können, aber am Ende zerschlug es sich.
Welche Rolle spielte Geld bei dem Wechsel?
Keine!
Frei nach dem Motto: „Ein, zwei Jahre nichts mehr müssen müssen …“
… und dabei trotzdem erfolgreich sein.
Ihr erklärtes Ziel ist, mittelfristig die Champions League zu gewinnen.
Als Athlet muss ich mir Ziele setzen. Ich finde den Wettbewerb spannend, würde gern noch einmal den ganzen Prozess miterleben, die Emotionen in der K.O.-Phase und im Zweifel auch den Cup hochstemmen.
Aber doch nicht mit dem PSV, oder?
Zugegeben, es ist nicht der direkte Weg. Mir ist schon klar, dass viele Faktoren zusammenpassen müssen. Sagen wir so: Es ist das Long-Term-Ziel. Aber ich erinnere nur an Ajax, das vor zwei Jahren plötzlich die Champions League aufmischte.
Sie träumen schon wieder vom Gewinn der Champions League. Wieso diese Fixierung auf Titel?
Wenn man so früh wie ich Deutscher Meister wird und bald darauf Weltmeister, wächst man in diese Denke rein.
Aber machen einen diese Zielsetzungen nicht fertig? Beim PSV werden Sie bis auf weiteres keinen Titel holen. Das ist doch Druck.
Aber ich komme doch nicht her, um hier ein bisschen mitzukicken, sondern um wieder oben anzuknüpfen. Hier arbeiten alle dafür, dass es möglichst schnell erfolgreich wird, auch wenn der Erfolg sich nun mal nicht immer von heute auf morgen einstellt.
Aber es geht Ihnen doch auch um die Rückgewinnung der Freude am Fußball.
Natürlich lag beim Wechsel der Fokus darauf. Aber jetzt reicht es doch nicht, nur zu sagen: „Toll, ich habe mal wieder 90 Minuten durchgespielt“.
„Es gab es keine Performancekultur, die ausschließlich auf Leistung ausgelegt war“
Könnten Sie vorzeitig aus dem Zwei-Jahres-Vertrag raus, wenn Sie ein Top-Klub haben will?
Wir haben mit dem PSV vereinbart, dass wir uns bei einem außergewöhnlichen Angebot zusammensetzen. Vieles steht und fällt für mich in Eindhoven mit der Trainerpersonalie. Würde Roger wegwollen, würde ich mir Gedanken machen. Deshalb gilt unsere volle Konzentration dem Erreichen des zweiten Platzes in der Ehrendivision, damit wir uns für die Champions League qualifizieren können.
Früher hieß Ihr Traumklub: FC Barcelona.
Daran hat sich nichts geändert. Mit dieser Mannschaft Ballbesitzfußball zu zelebrieren, an der Seite von Lionel Messi, das wäre ein Traum. Aber nicht mehr um jeden Preis!
Was ist heute anders?
Heute würde ich mir vor jedem Wechsel sehr genau Gedanken machen, auf welche handelnden Personen ich bei dem neuen Verein treffe.
2015 sagten Sie als Bayern-Spieler und frischgebackener Weltmeister, dass Sie den Fußball im Vergleich zu den frühen Profijahren mehr als Job und als Arbeit empfinden.
Wie ist das jetzt?
Es ist ein guter Mix. Ich will professionell und erfolgreich sein, kann Fußball aber auch wieder mehr als ein Spiel sehen, das Freude macht und das man nicht zu verbissen sehen darf.
Ist Ihnen der Spaß zwischendurch abhanden gekommen?
Nicht am Spiel an sich – den werde ich nie verlieren. Aber wenn ich wochenlang nicht zum Einsatz komme, hart trainiere und trotzdem das Gefühl habe, keinen fairen Konkurrenzkampf zu bekommen, nimmt mir das natürlich die Freude an der Sache.
Was meinen Sie damit, Sie hätten keinen „fairen Konkurrenzkampf“ bekommen?
In den letzten beiden Jahren bei Borussia Dortmund gab es aus meiner Sicht keine Performancekultur, die ausschließlich auf Leistung ausgelegt war.
Heißt: Lucien Favre hat Ihre Arbeit nicht gewertschätzt?
Ich denke, dass die Leistung im Vordergrund stehen sollte und sich das dann in Einsätzen widerspiegeln muss. Das war unter ihm nicht am Ende leider mehr der Fall.
Auch wenn Sie nicht der verbale Typ sind, haben Sie Ihren Unmut geäußert?
Sicher. Wenn ich muss, kann ich meine Meinung schon deutlich zum Ausdruck bringen.
Was hat Favre entgegnet?
Dass er nicht glaubt, dass ich der Mannschaft helfen kann und er keine Position für mich hat, was für mich grundsätzlich wenig Sinn gemacht hat und eher Ausreden waren. Im Endeffekt muss er es entscheiden, auch wenn ich denke, dass meine Trainingsleistungen diesen Schluss nicht zuließen. Die Phase hat mich aber auch besser gemacht.
Auch mit Thomas Tuchel kamen Sie nach der Rückkehr 2016 zum BVB nicht so gut zurecht?
Unter ihm war ich einfach nicht in der besten körperlichen Verfassung.
Mit Peter Bosz lief es besser.
Er hatte eine Spielphilosophie, die zu mir passte und er hat mir vertraut.
Peter Stöger kritisierte Ihr Spiel sogar vor laufenden Kameras.
Aber er hat mich wenigstens spielen lassen, auch wenn es sonst nicht so zwischen uns gefunkt hat. Wissen Sie, wenn ich spiele und Kritik geäußert wird, ist das kein Problem. Dann habe ich die Chance, meine Kritiker auf dem Platz zu widerlegen. Aber wenn ich gar nicht spiele, geht es in die falsche Richtung.
In der Saison 2019/20 kamen Sie unter Lucien Favre nur auf einen Pflichtspieleinsatz über die komplette Spielzeit. Wie frustig war die Zeit?
Für mich ist es das Wichtigste, die Jahre, die ich als aktiver Fußballer habe, optimal zu nutzen. Klar, dass ich in dieser Zeit auch zeitweise über eine schnelle Lösung nachgedacht habe.
Heißt: Sie wollten weg!
Als ich in der ersten Favre-Saison 2018/19 merkte, dass ich nicht mal mehr Kader bin, war das so. Aber in der zweiten Saisonhälfte habe ich fast immer gespielt und wir wären beinahe Meister geworden. In dieser entscheidenden Phase hatte ich im Vergleich zu meinen Mitspielern meine beste Phase seit der Rückkehr zum BVB. Deswegen ging ich sehr optimistisch in die neue Saison. Aber aufgrund des auslaufenden Vertrags gepaart mit den mangelnden Einsätzen, lebte ich am Ende in Dortmund schon in dem Gefühl, keine Relevanz mehr zu haben.
Wie gehen Sie mit so einer Situation um?
Die große Frage in solchen bitteren Phasen: Ist es das wert, sich dem Frust hinzugeben? Oder soll ich mich nicht auf das konzentrieren, was ich selbst beeinflussen kann? Wenn ein Trainer nicht wertschätzt, was ich leiste, kann ich es nicht ändern. Will ich mich daran aufreiben oder wende ich mich besser dem zu, was mir und meiner Familie gut tut?
Wie sehr wird Ihre Gattin von diesen Frustmomenten in Mitleidenschaft gezogen?
Ich mache da vieles mit mir selbst aus. Ich bin auch nicht der Typ, der total ausrastet. Aber, zugegeben, meine Frau und ich reden viel über den Job und die kriegt auch mit, wenn ich niedergeschlagen bin.
„Irgendwann merkte ich, dass es nicht mehr besser wird“
Schon vorher stand Ihre Rückkehr zum BVB 2016 unter keinem guten Stern. Im ersten Halbjahr 2017 litten Sie an einer Stoffwechselerkrankung, die auch eine Folge überhöhter Erwartungen an sich selbst war. Sie trainierten wie besessen, wurden aber schlechter. Waren Sie zu verbissen?
Tja, so war das wohl. Einen gewissen Hang dazu, mehr zu machen als die anderen, zu hohe Erwartungen an mich zu stellen und zu viel zu wollen, hatte ich schon immer. Es hat mich angetrieben, an Grenzen zu gehen. Mental und physisch.
Warum geriet das außer Kontrolle?
Am Anfang meiner Karriere hatte ich sehr schnell großen Erfolg. Als die Titel kamen, wurde das Gefühl noch extremer. So nach dem Motto: „Du hast nur maximal 15 Jahre Karriere, also jetzt gib ihm…“ Als dann die ersten Verletzungen kamen, habe ich anschließend noch härter trainiert und nicht verstanden, dass ich das Rad nicht immer weiter drehen kann. Irgendwann hat es mir dann mein Körper gesagt.
Dabei wirkten Sie stets wie ein Profi, der eine gesunde Distanz zu sich und dem Geschäft hat. An welchem Punkt ging die verloren?
Es war ein Prozess. Ich habe jede Saison mehr trainiert, nach Feierabend und frühmorgens. Irgendwann merkte ich, dass es nicht mehr besser wird und mir wurde klar, dass Erholung mindestens so wichtig ist wie ständiges Training.
Was machen Sie jetzt anders?
Seit gut fünf Jahren sehe ich zu, wirklich auszuspannen, wenn ich im Urlaub bin – und fange nicht nach zwei Tagen wieder an zu trainieren. Und ich versuche, genug Ruhephasen zu bekommen. Die Trainingssteuerung sowie die Belastung- und Regenerationsphasen sind auf diesem Level – besonders in Englischen Wochen – extrem wichtig.
Haben Sie eigentlich eine Erklärung dafür, dass Ihre beiden Profizeiten beim BVB so unterschiedlich waren?
In meinen ersten sieben Profijahren hatte ich nur zwei Trainer: Klopp und Pep. Auch die Teams waren meist weitgehend identisch. Als ich 2016 zum BVB zurückkam, hatte ich in vier Jahren vier Trainer und auch das Personal änderte sich dauernd.
„In vier Jahren nur einmal den Pokal gewonnen. Recht dünn!“
Was meinen Sie?
So eine Fluktuation vereinfacht es weder einem Spieler, noch dem Verein konstant auf hohem Niveau zu spielen. Es spricht auch nicht gerade dafür, dass der Verein weiß, wo er hinwill. In vier Jahren seit 2016 haben wir mit dem BVB nur einmal den Pokal geholt haben. Das ist recht dünn.
Sie hätten 2016 statt zum BVB auch zum FC Liverpool wechseln können.
Ich war sogar in England und Jürgen hat mir sein neues Projekt vorgestellt. Seine Arbeit, seine Einstellung und seine Erfolge sprechen für ihn und machen ihn zu einem der besten Trainer der Welt.
Aber?
Sie müssen sich das so vorstellen: Wo kam ich her? Aus München, wo ich mit Bayern drei Mal das Halbfinale in der Champions League erreicht hatte. Das wollte ich wieder schaffen! Liverpool hatte die Liga auf Platz acht abgeschlossen. Kurzum: In der damaligen Situation schien mir die Wahrscheinlichkeit, mit Borussia mittelfristig die Champions League zu gewinnen, deutlich größer.
Kein Gedanke: Wir bringen die alte Band wieder zusammen?
Natürlich gab es da auch eine emotionale Komponente. Ich dachte an die tolle Zeit unter Jürgen beim BVB und hoffte, etwas Ähnliches zu erleben. Zumal das, was Tuchel in Dortmund angestoßen hatte, sich damals sehr gut entwickelte.
Bei Ihrer Rückkehr war Ihnen offenbar nicht bewusst, wie zentral wichtig die Personalie Klopp für die BVB-Meisterschaften 2011 und ’12 war?
Damals nicht, heute schon! Inzwischen ist mir klar geworden, wie wichtig ein Trainer für eine Mannschaft ist – und auch für mich als Spieler. Jürgen war und ist der ausschlaggebende Faktor beim BVB und LFC.
Die Rückkehr nach Dortmund war also ein Fehler.
Fehler ist das falsche Wort. In der Situation war es kein Fehler, weil ich mich sehr bewusst gegen Liverpool und für Dortmund entschieden habe. Aber natürlich hadere ich mit der Entscheidung, wenn man sieht, was Jürgen in Liverpool aufgebaut hat.
Jürgen Klopp war der prägende Trainer in Ihren ersten Profijahren. Als Sie 2013 überraschend zum FC Bayern wechselten, habe er fast einen Herzinfarkt bekommen, erzählte er. Wieso haben Sie ihn damals nicht in Ihre Überlegungen einbezogen?
Ich war zwanzig und mir fehlte jegliche Erfahrung, Weitsicht und Reife, wie man so eine solche Sache händelt. Ich habe wie auf dem Platz komplett aus dem Bauch entschieden, ohne mir über Konsequenzen Gedanken zu machen.
Auch Mitspieler, mit denen Sie befreundet waren, ahnten nichts.
Ich fand das Projekt spannend und habe einfach als Fußballer gedacht: „Cool, du kannst unter Pep trainieren – und vielleicht die Champions League gewinnen.“ Ansonsten habe ich es mit mir selbst ausgemacht und nicht überlegt, wie die Fans, die Kollegen und Medien reagieren.
Dann stach der FC Bayern den Transfer vorzeitig durch: am Tag des Halbfinal-Rückspiels in der Champions League gegen Real Madrid. Jürgen Klopp war außer sich.
In dem Moment wurde mir nochmal bewusster, was das für ein Riesenthema ist.
Sie fielen von jetzt auf gleich bei vielen BVB-Fans in Ungnade und standen wochenlang unter Polizeischutz. Das volle Programm.
Ich hatte die Ausstiegsklausel in meinem Vertrag gezogen und nichts Unlauteres gemacht. Diese Reaktion hatte ich nie erwartet. Aber ich hatte so entschieden – und musste nun da durch.
Und dann präsentieren Sie sich in München bei Ihrer Vorstellung im T‑Shirt Ihres Sponsors „Nike“. Ausgerechnet bei dem „Adidas“-Verein schlechthin. Danach hatten Sie erst einmal das Image des kühl berechnenden Jungprofis weg.
Mit 19, 20 habe ich meinen Fußball gespielt und mir über solche Dinge wenig Gedanken gemacht. Ich kam bei der Pressekonferenz an, wähnte mich im Hoheitsgebiet der Bayern und dachte, die bestimmen jetzt das Protokoll. Hätten sie mir ein Trikot in die Hand gedrückt, hätte ich es angezogen. Aber als ich auf das Podium sollte, gab mir stattdessen der „Nike“-Vertreter das Shirt. Ich nahm an, es sei mit Bayern abgesprochen und zog es über. Es waren genug Bayern-Offizielle vor Ort, keiner hat was gesagt. Heute würde ich von selbst drauf kommen, dass da was nicht stimmen kann.
War der Wechsel nach München eine Zäsur, was Ihren Umgang mit Medien anbetrifft?
Auf jeden Fall. Bis dahin habe ich mit großen Augen auf das Fußballgeschäft geblickt und alles mitgemacht, was passierte. Aber in München nahm es Dimensionen an, die ich mir nie vorstellen konnte. Ich habe damals viele Erfahrungen gemacht, die ich heute nicht als Fehler bezeichnen würde, sondern als Dinge, die mich weitergebracht haben. Weil ich sie so nie mehr machen würde. (Lacht.)
Wann haben Sie diese distanzierte, mitunter ironische Sicht auf Ihre Karriere-Faux-Pas entwickelt?
Vor drei, vier Jahren war das noch anders. Ich bin heute breiter aufgestellt, habe viele neue Blickwinkel hinzugewonnen und beschäftige mich zunehmend auch mit Sachen außerhalb des Sports. Und durch die Geburt meines Sohnes, kann ich auch darüber lachen, was mir widerfahren ist.
Den zweiten Teil des großen Interviews mit Mario Götze lest Ihr ab morgen hier auf 11FREUNDE.de.
Die große Reportage über den WM-Held von 2014 gibt es in der aktuellen Ausgabe #234, erhältlich hier im Shop und überall, wo es Zeitschriften gibt.