Vor der WM dürften die wenigsten Shkodran Mustafi auf der Rechnung gehabt haben, nun ist der Verteidiger des FC Valencia Weltmeister. Vor dem Länderspiel gegen Spanien sprachen wir mit ihm über seinen neuen Status, Besuche in Albanien und den Wechsel nach Spanien.
Sie hätten auch für die albanische Nationalmannschaft spielen können. Warum haben Sie sich dagegen entschieden?
Das war nicht leicht. Albanien ist die Heimat meiner Eltern. Aber ich wollte nicht der Held einer Nation werden, ich wollte Karriere machen. Etwas erreichen. Deshalb bin ich mit 14 von zu Hause weg, um beim Hamburger SV zu spielen. Deshalb bin ich mit 17 zum FC Everton gewechselt, in ein fremdes Land, mit einer anderen Sprache, einer anderen Kultur.
Jetzt sind Sie Weltmeister. Allerdings haben Sie sich im Achtelfinale gegen Algerien so schwer verletzt, dass Sie anschließend nicht mehr spielen konnten.
Der Doc hat mir gleich gesagt, dass die WM für mich auf jeden Fall beendet ist. Im ersten Moment war das natürlich eine Riesenenttäuschung. Aber es ändert nichts an meinem Gefühl, Weltmeister zu sein. Selbst wenn ich in Brasilien keine einzige Sekunde gespielt hätte, wäre ich jetzt einer der glücklichsten Menschen der Welt.
Haben Sie mal überlegt, nach der Verletzung nach Hause zu fliegen?
Ich habe mir tatsächlich viele Gedanken gemacht. Ich habe mit meinem Vater telefoniert, ich habe mit meinem Berater gesprochen, habe mich mit dem Bundestrainer zusammengesetzt, mit den Vereinsärzten telefoniert und mit meinem Trainer in Genua. Wir waren alle der Meinung, dass es einfach schlauer ist, in Brasilien zu bleiben und dort die medizinische Betreuung der Nationalmannschaft rund um die Uhr in Anspruch zu nehmen. Man findet einfach keine bessere. Aber abgesehen davon wollte ich auch gar nicht weg.
Hatten Sie im Hinterkopf, dass Sie sonst etwas Großes verpassen könnten?
Der erste Gedanke war: Wenn du plötzlich aus so einem großen Turnier raus bist und nach Hause fahren musst, bist du am Boden zerstört. Wahrscheinlich brauchst du anschließend einige Wochen, um erst einmal mit dieser Situation klarzukommen. Wenn du aber im Camp bleibst, hast du immer noch das Gefühl, ein Teil der Mannschaft zu sein. Also ist es vielleicht einfach cleverer, dabeizubleiben und sich weiter mit der Mannschaft zu freuen. Aber natürlich wussten wir auch, was wir können. Und wir wussten auch, dass wir in diesem Jahr mit dieser Mannschaft die Chance haben, das Ding zu holen. Es haben einfach alle Punkte dafür gesprochen, dass ich bleibe.
Das hört sich alles sehr rational an, sehr strukturiert und passt zu der Einschätzung des Bundestrainers. Joachim Löw hält Sie für extrem reif. Woher kommt das?
Mir hat es einfach geholfen, schon mit 14 im Internat auf mich allein gestellt zu sein und so früh selbstständig zu werden. Ich musste früh Entscheidungen treffen. Daraus habe ich gelernt.
Inwiefern?
Du merkst sehr schnell: Die Entscheidungen, bei denen du Zeit hattest, dir Gedanken zu machen, sind meistens positiv ausgegangen.