Sandra Starke ist Profifußballerin beim VfL Wolfsburg, deutsche Nationalspielerin – und Typ-1-Diabetikerin. Die 28-Jährige über die chronische Krankheit, ihre Bedeutung für den Leistungssport und wie sie gelernt hat, mit ihr umzugehen.
Im Fußball gibt es trotzdem verhältnismäßig wenig Spielerinnen und Spieler, die ihre Erkrankung öffentlich machen. Ist Diabetes ein Tabuthema?
Ich glaube schon, dass bei vielen Sportlerinnen und Sportlern noch die Denke ist: Ich habe eine Schwäche und das will ich nicht rausposaunen. Man will sich aber auch nicht immer wieder erklären müssen. Wenn jemand zum Beispiel bei den Männern in der Bundesliga sagt, dass er Diabetes hat, dann prasselt sicherlich viel auf ihn ein. Da ist die Reichweite aktuell einfach noch höher. Und da haben einige sicherlich keine Lust drauf. Ich sage es mal so: Hey, ich bin immer noch Sportlerin und ich will nicht ausschließlich auf Diabetes angesprochen werden.
Aber haben nicht gerade Fußballprofis dahingehend eine Vorbildfunktion?
Doch, das sehe ich genauso. Ich merke, dass ich Leuten auch viel die Angst nehmen kann. Auf Instagram kriege ich zum Beispiel immer mal wieder Nachrichten von Menschen, die auch Typ 1 Diabetes haben, Fußball spielen und bei denen es noch nicht so gut klappt. Auch das ist Diabetes, jeder Körper reagiert ein bisschen anders. In solchen Fällen teile ich aber sehr gerne meine Erfahrungen.
Müssen auch der DFB und die Liga stärker aktiv werden und das Thema mehr in den Fokus rücken?
Natürlich würde ich mich freuen, wenn das Thema künftig mehr Aufmerksamkeit bekommen würde, was allerdings auch auf so viele weitere Krankheiten oder gesellschaftliche Probleme zutrifft. Fußball ist eine Sportart, die fast jeder irgendwann mal gespielt hat und es gibt viele kleine Jungs und Mädels mit Diabetes, die den Traum haben, Profi zu werden. Auch da können wir die Angst nehmen und es wäre sicherlich hilfreich, wenn das Thema über den Fußball eine größere Reichweite bekommen würde.
„Alles geht – trotz Diabetes.“
Apropos DFB: Sie sind seit 2019 deutsche Nationalspielerin. Was hat die Nominierung damals in Ihnen ausgelöst?
Ich musste fast schon ein bisschen lachen, das war verrückt. Ich hatte durch die Erkrankung einen Rückschlag erlitten, aber von da an ging es auf einmal so steil bergauf. Es ist für mich immer noch ein schönes Gefühl zu sagen, dass ich meine Krankheit in etwas ummünzen konnte, auf das ich stolz bin. Außerdem habe ich gemerkt: Alles geht – trotz Diabetes.
Sie hätten sogar die Möglichkeit gehabt, nicht für Deutschland, sondern für Namibia aufzulaufen. Stand das jemals zu Debatte?
Ich habe immer in den U‑Mannschaften für Deutschland gespielt, aber es gab tatsächlich mal die Anfrage von Namibia. Ich war auch mal da und hab mir ein Freundschaftsspiel angeschaut. Natürlich ist auch Namibia mein Heimatland, ich bin dort geboren und wäre auch sehr stolz gewesen, für die Nationalelf dort zu spielen. Aber wenn man ehrlich ist, dann ist der Frauenfußball dort noch nicht so weit. Mir war klar, dass der Weg in die deutsche Nationalmannschaft unfassbar schwer werden würden, aber ich habe mich gefragt: Versuche ich es trotzdem oder gehe ich den einfacheren Weg? Es war eine schwere Entscheidung, aber im Endeffekt war mir schon lange klar, dass es mein größter Traum ist, für Deutschland zu spielen.
Tor beim Debüt: Sandra Starke trifft im Oktober 2019 gegen Griechenland in der EM-Qualifikation.
Im Sommer steht nun die Europameisterschaft in England an. Wäre das der nächste Meilenstein, eine Diabetikerin, die ein großes internationales Turnier spielt?
Ich kann nicht leugnen, dass es mein Traum ist, bei so einem Turnier mitzuspielen. Ich weiß aber auch, dass Deutschland unfassbar viele gute Spielerinnen hat. Es ist immer schwer, in diesen Kader reinzurutschen. Ich habe jetzt noch ein halbes Jahr Zeit und werde alles dafür geben, am Ende dabei zu sein. Sicherlich wäre das Ganze nochmal eine tolle Geschichte und ich würde mich brutal freuen, aber nicht, weil ich Diabetikerin bin, sondern einfach für mich selbst.