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Kai Havertz, fiel Ihnen der Schritt schwer, mit 15 Jahren für Ihre Fuß­ball­lauf­bahn von daheim weg­zu­ziehen?
Es war nicht ein­fach, meine Mutter war anfangs total dagegen. Doch letzten Endes haben meine Eltern mir die Ent­schei­dung über­lassen. Der Kom­pro­miss war, dass sie sich meine Gast­fa­milie aus- suchen konnten. Es wurde zufällig der Sta­di­on­spre­cher von Bayer Lever­kusen und wir ver­standen uns direkt im ersten Gespräch prächtig. Ich zog dann in seinem Altbau in eine Art WG mit zwei anderen Spie­lern.

Durften Sie WG-Partys feiern?
Nein, das war nicht erlaubt. Wir wohnten im Dach­ge­schoss, die Familie im zweiten Stock und im Erd­ge­schoss. Da durften wir nicht zu laut sein, weil der Sound durch das ganze Haus geschallt hätte.

Wie lebt es sich als Teen­ager mit der Dop­pel­be­las­tung von Schule und Fuß­ball-Internat?
Da bleibt nicht viel Zeit für anderes. Doch ich habe auch nicht so viel ver­misst, weil ich mit 16 wenig Lust hatte, am Wochen­ende in die Disco zu gehen. Die Schul­zeit war aber hart, das gebe ich zu. Ich musste viel Stoff nach­ar­beiten, den ich wegen des Trai­nings und der Spiele inklu­sive Reisen ver­passt hatte. Da bin auch mal abends auf den Büchern ein­ge­schlafen. Ich erin­nere mich an unser Pokal­spiel mit den Profis in Lotte. Das Spiel ging in die Ver­län­ge­rung, dann ins Elf­me­ter­schießen. Ich habe meinen Ver­such ver­wan­delt, aber wir schieden aus. Da war ich um 4 Uhr nachts zu Hause, und um 8 Uhr mor­gens musste ich eine Eng­lisch­klausur schreiben. Die Klausur ist dann dem­entspre­chend nicht so gut aus­ge­fallen – ähn­lich wie das Spiel in Lotte. Aber ich habe mich doch durch­ge­kämpft und mein Abitur geschafft. 

Sie spielten schon als Teen­ager in der Cham­pions League. Wie hat Sie das ver­än­dert?
Gar nicht. Ich bin immer noch der­selbe Mensch. Darauf legt auch meine Familie sehr viel Wert. Aber für sie ist es auch eine neue Situa­tion. Plötz­lich stehen bei ihnen Leute vor der Tür, von denen sie jah­re­lang nichts gehört haben. Wir müssen alle unseren Weg finden, wem wir ver­trauen.

Sie haben ange­fangen, Kla­vier zu spielen. Warum?
Zur Ablen­kung, ich muss den Kopf frei­be­kommen. Momentan lerne ich ein klas­si­sches Stück und ver­suche mich an den Songs aus dem Film Die fabel­hafte Welt der Amelie“. Ich will nicht jede Tonart lernen, son­dern nur ein­zelne Lieder. Ich habe Unter­richt, wenn es gerade passt. Eine Zeit­lang traf ich mich ein Mal pro Woche mit einer Leh­rerin, aber das ist bei den Eng­li­schen Wochen“ natür­lich schwer.

Machen Sie noch etwas anderes, um den Kopf frei­zu­be­kommen? 
Julian Brandt und ich haben ange­fangen, Golf zu spielen. Im letzten Jahr hat unser dama­liger Team­kol­lege Niklas Lomb uns damit ange­steckt. Also sind wir drei nach dem Trai­ning auf den Golf­platz gegangen. Gerade ist es ein­ge­schlafen, aber in den nächsten Wochen fangen wir wieder an. Mein Han­dicap ver­rate ich besser nicht. 

Dann ver­raten Sie uns Ihre Stärken und Ihre Han­di­caps auf dem Fuß­ball­platz.
Ich habe eine gute Spiel­über­sicht und Technik. Zu den Schwä­chen: Ich will an meinem rechten Fuß arbeiten und an meiner Aggres­si­vität. Im Defen­siv­ver­halten bin ich manchmal noch nicht dis­zi­pli­niert genug, wenn die Beine schwer werden. 

Sie gelten als große Nach­wuchs­hoff­nung, ähn­lich wie Ihre Alters­kol­legen Arne Maier und Gian-Luca Itter. Wie kommen Sie mit­ein­ander zurecht?
Wir kennen uns aus den Jugend­mann­schaften und sind eng mit­ein­ander befreundet. Bei der U17-EM in Aser­bai­dschan vor zwei Jahren sind wir nach den Spielen ins Meer gesprungen oder in die Stadt gegangen. Wir haben seither viel Zeit mit­ein­ander ver­bracht und sind im ver­gan­genen Jahr sogar zusammen in den Urlaub gefahren. Wir halten wäh­rend der Saison über WhatsApp Kon­takt, vor kurzem hat mich Arne in Köln besucht. 

Haben Sie auch Freunde außer­halb des Fuß­balls?
Früher war mein Freun­des­kreis in Aachen größer, heute habe ich außer­halb des Fuß­balls eigent­lich nur noch zwei echte Freunde. Der Kreis sollte auch nicht zu groß sein. Ich merke näm­lich schon, dass sich nun mehr Leute bei mir melden, mit denen ich früher nicht viel zu tun hatte. Sie fragen mich dann nach Tri­kots oder Ein­tritts­karten. Ihnen geht es dann mehr um den Profi-Fuß­baller Kai Havertz als um den Men­schen. Da muss ich auf­passen, nicht aus­ge­nutzt zu werden. 

Muss in einem Freun­des­kreis von 19-Jäh­rigen der Fuß­ball­profi immer bezahlen?
(lacht.) Nein, das lasse ich nicht so mit mir machen. Bei meinen lang­jäh­rigen Freunden bin ich natür­lich spen­dabel. Aber gene­rell haben wir es so gere­gelt, dass jeder so viel bezahlt, wie es eben für ihn passt. Das heißt, dass ich die Rech­nung über­nehme, wenn wir zusammen in einem guten Restau­rant essen gehen. Bei McDonald’s bezahlen die anderen dann. 

Trotz Ihnen und Maier schei­terte die deut­sche U19 an der EM-Qua­li­fi­ka­tion. Auch andere U‑Mannschaften sta­gnieren. Hat der deut­sche Nach­wuchs­fuß­ball ein Pro­blem?
Andere Länder wie Frank­reich oder Eng­land sind in der Jugend­ar­beit weiter, gerade beim Thema Ath­letik. Viele Spieler aus diesen Län­dern waren in der U17 schon rich­tige Büffel und ganz andere Kaliber; sie waren größer, schwerer und ath­le­ti­scher als wir. Der deut­sche Fuß­ball hat immer noch einen sehr guten Ruf, wenn man sich all die Talente anschaut, aber klar: Andere Länder schlafen nicht. 

Haben Sie einen Zukunfts­plan, viel­leicht auch in puncto A‑Nationalelf?
Das kann man schwer vor­her­sagen. Ich möchte viel­mehr alles für Bayer geben. Wir haben ehr­gei­zige Ziele. Und in Bezug auf die Natio­nal­mann­schaft: Ich möchte in zwei Jahren bei der EM dabei sein, da bin ich 21 und in einem guten Alter. Ich muss noch viel dafür arbeiten, aber es ist nicht unmög­lich.