Der VfB Stuttgart hat Tim Walter als Cheftrainer für die kommende Saison vorgestellt. Wir sprachen vor wenigen Wochen mit ihm über seine Spielidee, die Entwicklung von Holstein Kiel und warum sich seine Spieler quälen müssen.
Gibt es Dinge, die Sie als Trainer meiden?
Das Getue mit den verschiedenen Systemen, die ständige Umstellung, das ist nicht meins. Das ist ja immer im Verteidigungsmodus, immer nur am Gegner orientiert. Und das Spiel muss dann über einen Standard gewonnen werden.
Was macht im Umkehrschluss einen guten Trainer aus?
Eine eigene Idee ist entscheidend. Ich versuche, ein offensiver Gestalter zu sein.
Nach dem 4:2 gegen Darmstadt lobten Sie die „brutale fußballerische Entwicklung“. Woran machen Sie so etwas fest?
Tore und Torchancen. Wie viele Möglichkeiten wir haben, ist ein gutes Indiz dafür, ob wir ein gutes Spiel gemacht haben. Und wie oft wir kontrolliert aus der eigenen Hälfte herausspielen. Jetzt im Wintertrainingslager haben wir 1:6 gegen Gent verloren. Die erste halbe Stunde waren wir besser, haben nur keine Tore geschossen. Daher hatte ich am Ende mit dem Ergebnis kein Problem.
Ihre Mannschaft wird für Ihr außergewöhnliches Aufbauspiel gelobt, weil bereits die Innenverteidiger ein Kombinationsspiel aufziehen. Ist das Ihr Kernelement?
Ja.
Wie ist die Idee entstanden?
Viele Trainer neigen dazu, dass sich Verteidiger nach hinten absetzen müssen, wenn sie den Ball gespielt haben, um anschließend wieder anspielbar zu sein. Ich habe mich gefragt, ob es möglich ist, dass sich die Spieler nach dem Pass auch mit einem Lauf nach vorne anspielbar machen könnten.
Und?
Ich will die Kontrolle über das Spiel haben. Und Kontrolle habe ich, wenn der Ball bei mir ist. Deshalb ist es wichtig, dass meine Spieler zum einen anspielbar sind, bei einem Ballverlust aber auch schnell zugreifen können. Mit kurzen Pässen minimiere ich Risiko.
Es ist also eine mathematische Entscheidung.
Genau, es ist vernünftig. Wenn ich einen langen Ball spiele, der nicht der Verlagerung dient, sondern nur nach vorne geschlagen wird, dann habe ich keine Kontrolle. Der Ball kann bei mir landen, oder eben nicht. Die Chance liegt bei 50 Prozent. Wenn ich aber Kurzpass spiele, behalte ich den Ball zu 80 oder 90 Prozent. Deshalb habe ich mir zum Ziel gemacht, den Ball von hinten nach vorne ins Tor zu transportieren.
Wie sind Sie zu dieser Erkenntnis gekommen?
Es hat sich entwickelt. Gar nicht gezielt, sondern aus Gesprächen mit Kollegen und ein Stück weit ist es auch meinem Spieltrieb geschuldet. Ich will meinen eigenen Stil prägen.
Sie haben diesen Stil also hier in Kiel ausgepackt und wollten ihn auch unbedingt durchsetzen?
Ja, den gab es hier vorher nicht.
Aber es gab auch keine Alternative?
Es gibt immer eine Alternative.
Es wäre ja denkbar gewesen, dass Ihre Spieler nicht fähig sind, diesen Stil umzusetzen.
Ja, es benötigt natürlich eine gewisse Bereitschaft sich darauf einzulassen. Aber auch die Fähigkeit, seine Spieler zu überzeugen. Aha-Erlebnisse, wie der Sieg gegen Hamburg. Oder Abläufe im Training, die funktionieren. Es gab schon Situationen vor Saisonbeginn, da haben die Jungs gesagt: „Wenn wir so spielen, kommt der Gegner einfach nicht hin.“ Und das bleibt in den Köpfen. Das ist wichtig, du musst in die Köpfe rein.