Nina Potzel ist Fußballfan, seit sie denken kann. Sie kennt sich aus, sie fiebert mit. Trotzdem wird sie von manchen Menschen nicht ernst genommen. Besser gesagt: von manchen Männern. Über sexistische Kackscheiße in Fußballkneipen.
Ich gehe gerne in Fußballkneipen. Meine Lieblingskneipe ist zum Beispiel eine. Spielt mein Team, findet man mich fast immer dort. Mal in Begleitung, mal allein, aber immer im Trikot und in Diskussionen verwickelt. Wer wird aufgestellt werden? Wie werden die Jungs verteidigen? Wie hat sich wer angestellt?
Das Problem dabei ist: Ich bin eine Frau. Und ja, es ist in dem Fall ein Problem. Ich bin ein meinungsstarker Mensch, ich diskutiere gerne, ich rede gerne. Fragt meine Freundinnen und Freunde, wir bekommen uns regelmäßig in die Haare – natürlich immer fair. In besagter Lieblingskneipe ist das normalerweise genauso der Fall. Leider ist es so, dass das Thema Fußball nicht unter „normal“ fällt.
Mein Standpunkt als Frau gilt nur dann, wenn ein Mann ihn unterstützt. Bei meinem Gegenüber – es sind nun mal meistens Männer – schwingt ständig der Unterton mit: „Naja, ich erklär dir mal, wie das läuft”. Meine Einschätzung wird weggelächelt. Es sei denn, es geht darum, wer am besten aussieht. Klar, auch darüber kann man reden, und ganz ehrlich: es macht Spaß. Natürlich rede ich mit meinen Freundinnen und Freunden darüber, welcher Spieler wie aussieht. Es ist lustig, es ist einfacher. Aber wir reden eben nicht nur darüber. Wir diskutieren genauso gut über die jüngsten Transfers, wer auf welcher Position eine bessere Figur machen würde, ob wir eine Dreier‑, Fünfer- oder eine Viererkette präferieren. Stellen fest, wie krank das System Fußball eigentlich ist, nur um Sekunden später die nächsten Tipps zu platzieren.
„Das Problem dabei ist: Ich bin eine Frau. Und ja, es ist in dem Fall ein Problem.“
Darüber redet man natürlich auch mal mit Leuten, die nicht im engsten Umfeld sind. Die man vielleicht erst während eines Spiels kennenlernt. Sobald es aber mit ihnen zu fachlichen Unterhaltungen kommt, werde ich quasi ignoriert.
Das ist natürlich nichts Neues. Es ist nicht so, dass man das als weiblicher Fußballfan nicht kennt. Ich bin Fan seit ich denken kann. Seit ich fünf Jahre alt war, war ich immer das einzige Mädchen im Verein. Ich war unter 60 Kindern das einzige Mädchen im Kicker-Camp. Ich war immer darauf angewiesen, einen netten Mitspieler zu haben, der auf den typischen Ruf „Das Mädchen“ antwortete: „Sie heißt Nina“. Das habe ich bis heute nicht vergessen und dafür bin ihm immer noch dankbar.
Normalerweise mache ich mich über sexistisches Verhalten in dem Zusammenhang maximal lustig und versuche meinen Gegenüber auflaufen zu lassen. Aber unter der Woche wurde ich zum ersten Mal richtig wütend.
Ich gehe mit meinem Vater und einem guten Freund in die Kneipe. Aufgrund der Abstandsregelungen im Zusammenhang mit der Sars-CoV-2-Pandemie muss reserviert werden, wir sitzen im hinteren Raum mit genügend Abstand. Vor uns zwei Männer, wir unterhalten uns vor dem Spiel gut, sind nervös, es geht um viel. Werder gegen Frankfurt. Werder muss eigentlich gewinnen. Ich freue mich, es sind nette Leute um uns herum. Allerdings: Mit wem wird gesprochen? Richtig. Mit meinem Vater und dem guten Freund. Aber wer trägt ein Trikot? Ich. Wer bringt Argumente, die vielleicht nicht nur nach dem ersten Blick geäußert wurden? Ich. Wer hat das breitere Wissen über den Verein, kennt die Spieler und ihre Verletzungshistorie? Ich. Wer wird weitestgehend ignoriert? Ich. Weil ich eine Frau bin? Dann wird Clemens Fritz interviewt. Einer der Männer vor uns dreht sich um. Er sagt, Fritz wäre für ihn schon immer der bestaussehende Werder-Spieler gewesen. Wer wird angeschaut? Ich. Jetzt darf ich also etwas beisteuern. Vielen Dank.