2005 war Florian Müller das große Talent im deutschen Fußball. Er gewann die erste Fritz-Walter-Medaille, doch dann folgte der Absturz. Heute kann er nicht mal mehr im Park kicken.
Wie haben Sie reagiert?
Ich hatte starke Schmerzen und wusste, dass es etwas Schlimmes ist. Als ich am nächsten Tag die Diagnose hatte, war es ein Schock. Aber gleichzeitig wusste ich, dass ein Kreuzbandriss ja inzwischen eine Standardverletzung ist und man ca. ein halbes Jahr nicht spielen kann. Insofern habe ich relativ schnell wieder den Fokus auf die Reha gesetzt. Mein Ziel war, ab der Sommervorbereitung wieder dabei zu sein.
Ein Jahr später rissen Sie sich wieder das Kreuzband, wieder im gleichen Knie.
Das war richtig übel. Es hatte zwar schon andere Spieler gegeben, die das überstanden hatten, aber bei mir war in der Reha von Anfang an der Wurm drin. Das Knie ist immer wieder dick geworden und hat geschmerzt. Ich war anderthalb Jahre in der Reha, aber es konnte mir keiner sagen, warum das Knie bei jeder Belastung so heftig reagierte.
War Ihnen klar, dass dies das Ende Ihrer Karriere ist?
Ich habe es noch mal probiert und einen neuen Vertrag für die dritte Liga unterschrieben, aber das Problem war, dass das Knie im Laufe der Woche immer dicker wurde. Ich habe es zunächst verdrängt und mir eingeredet, dass es wieder gut wird. Aber nach einem halben Jahr habe ich gemerkt: Es geht nicht mehr.
Gab es eine bestimmte Situation, in der Ihnen das klar wurde?
Bei einem Spiel hatte ich wieder sehr starke Schmerzen und das war für mich das Zeichen, aufzuhören. Ich konnte einfach nicht mehr die gleiche Leistung wie früher bringen. Es fehlten ein paar Prozent, um mithalten zu können. Und das frustriert einen nur, weil man ja einen gewissen Anspruch an sich selber hat.
Wie ging es nach dem Karriereende mit Ihnen weiter?
Meine Freundin und ich haben erst mal eine Weltreise für elf Monate gemacht. Es ging darum, rauszukommen und den Kopf frei zu bekommen. Wir sind mit dem Rucksack losgezogen und haben die Welt erforscht.
Hat es mit dem Abschalten geklappt?
Ich hätte gedacht, dass es einfacher wird. Die Reise war zwar eine gute Ablenkung, weil man andere Leute kennenlernt und tolle Erfahrungen macht, aber immer wenn wir Internet hatten, habe ich trotzdem nach den Ergebnissen geguckt. Ich war noch so im Fußball drin und wollte wissen, wie die Mannschaften spielen und wer die Tore schießt. Wenn man mit sechs anfängt und nichts anderes macht, als Fußball zu spielen, ist es schwer, komplett den Cut zu schaffen.
Ihr Karriereende ist drei Jahre her. Haben Sie mit dem, was Ihnen passiert ist, inzwischen abschließen können?
Noch nicht ganz. Dafür denke ich noch zu viel an alte Spiele und das, was man erlebt hat, zurück. Ich gucke auch nicht jeden Tag Fußball, weil da laufen noch zu viele herum, die ich selber kenne. Da denkt man: „Das könnte ich sein“. Aber langsam wird es besser.
Wer hat Ihnen geholfen, das alles zu verarbeiten?
Meine Freundin. Mit ihr habe ich viel darüber geredet. Aber ich war in der ersten Zeit schon sehr unangenehm, wahrscheinlich sogar unerträglich teilweise. Es gab Phasen, in denen ich alles in mich hineingefressen habe. Mit der Zeit wird es aber einfacher, wenn Fußball nicht mehr den hohen Stellenwert hat.
Was machen Sie heute?
Ich studiere seit April 2015 BWL in Berlin. Und ab November verbringe ich ein Auslandssemester in Australien. Außerdem bin ich letztes Jahr Vater geworden, sodass jetzt mein Sohn mein neuer Mittelpunkt ist und die Vergangenheit langsam verblasst.
Können Sie sich vorstellen, eines Tages mit Ihrem Sohn Fußball zu spielen?
Das Problem ist, dass mein Knie immer wieder dick wird und aktiv Fußball spielen deshalb nicht so richtig drin ist. Aber ein bisschen kicken mit meinem Neffen geht schon mal. Und wenn mein Sohn Fußball spielen möchte, werde ich ihn unterstützen. Trotz meiner Verletzungen sehe ich Fußball immer noch positiv.