Uwe Bein erfand den tödlichen Pass, ist Weltmeister und eine Eintracht-Legende. Dabei hätte der beste Zehner seiner Generation die Schuhe fast mit 27 Jahren an den Nagel gehängt. Heute hat er Geburtstag.
Die Party im Anschluss wird das nicht getrübt haben, oder?
Absolut nicht. In der Kabine brach das totale Chaos aus, auf der Fahrt vom Stadion in unser Quartier waren die Straßen voll mit tausenden deutschen Fans. Auf der Feier im Hotel ließen wir die Puppen tanzen. Wir sangen „Egidius, rück die Kohle raus“ und rauchten Zigarre. Ich schubste Frank Mill in den Pool, da packten mich die anderen, warfen mich auch rein und sprangen hinterher. Später bot uns Franz Beckenbauer noch das Du an, das war damals ein Highlight für uns. Es hat Jahre gedauert, bis ich mich traute, ihn zu duzen.
Nach der WM machten Sie nur noch sieben Spiele für die Nationalelf, 1994 traten Sie zurück. Warum?
Ich hatte nicht das Gefühl, dass Berti Vogts auf mich setzt. In Frankfurt harmonierten Andy Möller und ich wunderbar, bei der Nationalmannschaft saß einer von uns immer draußen. Das wurde immer frustrierender, bis ich keine Lust mehr hatte.
Sie waren einer der prägenden Zehner dieser Zeit. Warum hat Ihnen Vogts nicht das Vertrauen geschenkt?
Zum Ende der Saison 1992 hatte ich eine Entzündung auf dem Spann und konnte kaum noch trainieren. Ich kam nur zum Abschlusstraining und zu den Spielen, was Heinz Gründel zu dem legendären Spruch bewog: „Woran erkennt man in Frankfurt, dass Freitag ist? Uwe Bein kommt zum Training.“ Ich spielte unter Schmerzmitteln, nach der Saison sagte ich Vogts für die EM ab. Ich musste die Verletzung auskurieren. Ich denke, das hat er mir damals nicht geglaubt und mir übelgenommen.
1994 wechselten Sie von Frankfurt nach Japan. Über den damaligen SGE-Präsidenten Matthias Ohms sagten Sie, er habe „vom Fußball keinen blassen Schimmer“.
Mit Ohms hatte ich immer so meine Schwierigkeiten. Bei meinem ersten Spiel für die Eintracht, wir siegten 3:1, stand Ohms in der Halbzeit in der Kabine und fing an, uns zu kritisieren. Ich sagte: „Was willst du denn?“ und warf ihn raus. Ich wusste nicht, dass er unser Präsident war. (Lacht.) Aber ich bin nicht im Schlechten von der Eintracht weggegangen. Mein Vertrag lief aus, ich wollte nur für drei Jahre unterschreiben, die Eintracht bot mir aber lediglich ein Jahr an. Dann kam das Angebot aus Japan, das ich finanziell nicht ablehnen konnte.
Wie kam denn der Kontakt nach Japan zustande?
Franz Beckenbauer war damals Werbeträger für Mitsubishi, dem Mutterkonzern der Urawa Red Diamonds. Er rief mich an und fragte, ob ich mir einen Wechsel nach Japan vorstellen könnte. Michael Rummenigge und Pierre Littbarski waren schon dort. Ich rief Litti an, der sagte nur: „Uwe, mit diesem Wechsel kannst du keinen Fehler machen.“
Fiel Ihnen die Umstellung schwer?
Nein. Ich hatte einen Dolmetscher und wohnte in der Nähe des Trainingszentrums, weswegen ich nicht, wie viele andere Kollegen, jeden Tag stundenlang im Verkehr steckte. Aber die Stimmung im Team war zu Beginn ziemlich eigenartig. Es kam kein Kontakt mit den Kollegen zustande. Alle waren ruhig und eher für sich. Irgendwann fragte ich meinen Dolmetscher, was denn los sei. Er sagte, dass die japanischen Kollegen einen so großen Respekt vor uns hatten, dass sie sich kaum trauten, mit uns zu reden. Aber das Problem habe ich pragmatisch gelöst.
Jetzt sind wir aber gespannt.
Ich lud die ganze Truppe zu mir nach Hause ein. Ein schöner Mannschaftsabend mit deutscher Wurst und viel Bier. Da war das Eis schnell gebrochen. In dieser Zeit sind Freundschaften entstanden, die bis heute halten. Erst vor kurzem war ich für eine Woche in Tokio. Da habe ich bis auf drei, vier Ausnahmen alle ehemaligen Mitspieler wiedergesehen.
Und Heimweh hatten Sie damals keines?
Nein, ich war die zweieinhalb Jahre ja mit der Familie dort. Außerdem hatte ich einen guten Freund, der mir samstags immer die Sportschau auf VHS aufnahm und die Kassette dann per Luftpost nach Japan schickte. So konnte ich die Bundesliga gucken, wenn auch mit ein paar Tagen Verspätung. Manchmal war auch eine nordhessische Ahle Wurscht im Päckchen, so hielt sich das Heimweh in Grenzen.