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Seite 4: „Ich spielte unter Schmerzmitteln.“

Die Party im Anschluss wird das nicht getrübt haben, oder?
Absolut nicht. In der Kabine brach das totale Chaos aus, auf der Fahrt vom Sta­dion in unser Quar­tier waren die Straßen voll mit tau­senden deut­schen Fans. Auf der Feier im Hotel ließen wir die Puppen tanzen. Wir sangen Egi­dius, rück die Kohle raus“ und rauchten Zigarre. Ich schubste Frank Mill in den Pool, da packten mich die anderen, warfen mich auch rein und sprangen hin­terher. Später bot uns Franz Becken­bauer noch das Du an, das war damals ein High­light für uns. Es hat Jahre gedauert, bis ich mich traute, ihn zu duzen.

Nach der WM machten Sie nur noch sieben Spiele für die Natio­nalelf, 1994 traten Sie zurück. Warum?
Ich hatte nicht das Gefühl, dass Berti Vogts auf mich setzt. In Frank­furt har­mo­nierten Andy Möller und ich wun­derbar, bei der Natio­nal­mann­schaft saß einer von uns immer draußen. Das wurde immer frus­trie­render, bis ich keine Lust mehr hatte.

Sie waren einer der prä­genden Zehner dieser Zeit. Warum hat Ihnen Vogts nicht das Ver­trauen geschenkt?
Zum Ende der Saison 1992 hatte ich eine Ent­zün­dung auf dem Spann und konnte kaum noch trai­nieren. Ich kam nur zum Abschluss­trai­ning und zu den Spielen, was Heinz Gründel zu dem legen­dären Spruch bewog: Woran erkennt man in Frank­furt, dass Freitag ist? Uwe Bein kommt zum Trai­ning.“ Ich spielte unter Schmerz­mit­teln, nach der Saison sagte ich Vogts für die EM ab. Ich musste die Ver­let­zung aus­ku­rieren. Ich denke, das hat er mir damals nicht geglaubt und mir übel­ge­nommen.

1994 wech­selten Sie von Frank­furt nach Japan. Über den dama­ligen SGE-Prä­si­denten Mat­thias Ohms sagten Sie, er habe vom Fuß­ball keinen blassen Schimmer“.
Mit Ohms hatte ich immer so meine Schwie­rig­keiten. Bei meinem ersten Spiel für die Ein­tracht, wir siegten 3:1, stand Ohms in der Halb­zeit in der Kabine und fing an, uns zu kri­ti­sieren. Ich sagte: Was willst du denn?“ und warf ihn raus. Ich wusste nicht, dass er unser Prä­si­dent war. (Lacht.) Aber ich bin nicht im Schlechten von der Ein­tracht weg­ge­gangen. Mein Ver­trag lief aus, ich wollte nur für drei Jahre unter­schreiben, die Ein­tracht bot mir aber ledig­lich ein Jahr an. Dann kam das Angebot aus Japan, das ich finan­ziell nicht ablehnen konnte.

Wie kam denn der Kon­takt nach Japan zustande?
Franz Becken­bauer war damals Wer­be­träger für Mitsu­bishi, dem Mut­ter­kon­zern der Urawa Red Dia­monds. Er rief mich an und fragte, ob ich mir einen Wechsel nach Japan vor­stellen könnte. Michael Rum­me­nigge und Pierre Litt­barski waren schon dort. Ich rief Litti an, der sagte nur: Uwe, mit diesem Wechsel kannst du keinen Fehler machen.“

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Fiel Ihnen die Umstel­lung schwer?
Nein. Ich hatte einen Dol­met­scher und wohnte in der Nähe des Trai­nings­zen­trums, wes­wegen ich nicht, wie viele andere Kol­legen, jeden Tag stun­den­lang im Ver­kehr steckte. Aber die Stim­mung im Team war zu Beginn ziem­lich eigen­artig. Es kam kein Kon­takt mit den Kol­legen zustande. Alle waren ruhig und eher für sich. Irgend­wann fragte ich meinen Dol­met­scher, was denn los sei. Er sagte, dass die japa­ni­schen Kol­legen einen so großen Respekt vor uns hatten, dass sie sich kaum trauten, mit uns zu reden. Aber das Pro­blem habe ich prag­ma­tisch gelöst.

Jetzt sind wir aber gespannt.
Ich lud die ganze Truppe zu mir nach Hause ein. Ein schöner Mann­schafts­abend mit deut­scher Wurst und viel Bier. Da war das Eis schnell gebro­chen. In dieser Zeit sind Freund­schaften ent­standen, die bis heute halten. Erst vor kurzem war ich für eine Woche in Tokio. Da habe ich bis auf drei, vier Aus­nahmen alle ehe­ma­ligen Mit­spieler wie­der­ge­sehen.

Und Heimweh hatten Sie damals keines?
Nein, ich war die zwei­ein­halb Jahre ja mit der Familie dort. Außerdem hatte ich einen guten Freund, der mir sams­tags immer die Sport­schau auf VHS auf­nahm und die Kas­sette dann per Luft­post nach Japan schickte. So konnte ich die Bun­des­liga gucken, wenn auch mit ein paar Tagen Ver­spä­tung. Manchmal war auch eine nord­hes­si­sche Ahle Wurscht im Päck­chen, so hielt sich das Heimweh in Grenzen.