Als Profi gelang dem Mann fürs Grobe der schwere Schritt von Fortuna Düsseldorf zum 1. FC Köln. Als Trainer wurde der Alkohol für Werner Biskup zum härtesten Gegenspieler. Heute wäre er 81 Jahre alt geworden.
Das Interview stammt aus dem Jahr 2013. Im Juni 2014 verstarb Biskub mit 72 Jahren an den Folgen eines Hirnschlags.
Werner Biskup, Ihre früheste Erinnerung an Fußball?
Wie ich in Bottrop vor dem Radio sitze und dem WM-Finale 1954 lausche. Und höre, wie mein Vorbild, Helmut Rahn, zwei Tore erzielt.
Ahnten Sie schon damals als 12-Jähriger, dass Sie das Zeug zum Profi hatten?
Nein, dass begriff ich erst, als ich beim VfB Bottrop in die Herrenmannschaft kam und mich Späher von Bayer Leverkusen abwerben wollten.
Bis dahin gingen Sie also davon aus, als Handwerker Ihr Auskommen zu haben.
Ich war gelernter Maschinen- und Bauschlosser, hatte meine Ausbildung schon mit 16 abgeschlossen. Anfangs arbeitete ich noch ein halbes Jahr unter Tage. Mein Chef wollte mir einen Bürojob vermitteln, also fing ich beim VfB Bottrop ein Fernstudium als Heizungs- und Lüftungstechniker an.
Sie haben zwei Ausbildungen?
Drei. Zu meiner aktiven Zeit in Düsseldorf habe ich auch noch den Trainerschein gemacht.
Sie waren ein ziemliches Arbeitstier.
Ich hatte eine gute Ausdauer, bei allem, was ich tat. Für den 1. FC Köln haben ich in vier Jahren alle Bundesligaspiele gemacht – bis auf vier, in denen ich gesperrt war.
„Klötzer ließ uns nach jedem Training auf der Aschenbahn zehn Runden drehen. Und wenn einer meckerte, drückte er ihm noch einen Medizinball unter den Arm“
Welcher Trainer hat Sie geprägt?
Herbert Burdenski, mein Trainer in Bottrop, vermittelte mir das Menschliche. Fritz Pliska in Leverkusen war eher der rustikale Typ, der mir mit auf den Weg gab, meinen Gegenspieler erstmal umzutreten, wenn ich ihm auf dem Feld begegne. Noch extremer war Kuno Klötzer, der mich zu Fortuna Düsseldorf holte.
Was machte Klötzer aus?
Er war der Grund, dass ich beschloss, sollte ich jemals Trainer werden, meine Spieler nie sinnlose Läufe über den Platz machen zu lassen. Klötzer ließ uns nach jedem Training auf der Aschenbahn zehn Runden drehen. Und wenn einer meckerte, drückte er ihm noch einen Medizinball unter den Arm.
Was war das für ein Typ?
Einer vom alten Schlag. Im Aufstiegsjahr 1965/66 von Fortuna kamen Hunderte von Zuschauern zum Flinger Broich. Je mehr Leute kamen, desto mehr verlangte er uns ab. Nach dem Training stand er bei uns unter der Dusche und mir fiel eine Narbe unter seinem Arm auf. Ich fragte: „Was haben Sie da, Herr Klötzer?“ Er antwortete stolz: „Na, was wohl? Das ist die eingebrannte Blutgruppe.“ Der war in Russland gewesen, solche Trainer hatten wir.
Was war Ihre hervorstechendste Eigenschaft als Profi?
Ich konnte zuhören und mich unterordnen. Mit 18 beim VfB Bottrop war ich so schüchtern, dass ich den Routinier Walter Reimann anfangs im Spiel mit „Herr Reimann“ ansprach. Der musste mir regelrecht verbieten, ihn zu siezen. Und ich konnte 90 Minuten marschieren. Beim 1. FC Köln war ich der Mann fürs Grobe, für die Feinarbeit waren Overath und Flohe zuständig.
Ihr erstes Bundesligaspiel nach dem Aufstieg mit Fortuna im Sommer 1966 gewannen Sie auswärts beim Top-Team des BVB. Waren Sie nervös?
Ich habe das ganze Umfeld nicht wahrgenommen. Kuno Klötzer sagte, ich solle meinen Gegenspieler Lothar Emmerich einfach nur ausschalten. Also habe ich ihn 90 Minuten lang fixiert, der Rest war mir egal.
„Die Kaspereien hat mir Weisweiler nie verziehen“
Als Sie mit Fortuna nach nur einem Jahr im Oberhaus wieder abstiegen, absolvierten Sie parallel zum Profijob die Trainerausbildung.
Ich wollte vorbauen, für den Fall, dass es mit dem Fußballprofi nicht klappt. Mein Ausbilder war Hennes Weisweiler, der überlegte, mich nach Gladbach zu lotsen und bei der Nationalelf ins Gespräch zu bringen. Aber den Weg habe ich mir dann selbst verbaut.
Inwiefern?
Ich hatte nur Flausen im Kopf: Zur Ausbildung gehörte auch das Fach „Anatomie“. Den Unterricht machten wir gemeinsam mit jungen Sportlehrerinnen einer nahegelegenen Schule. Eines Tages nahmen wir durch, wie man Verbände anlegt. Ich sollte einer der Damen ein Dreieckstuch für Schlüsselbeinfrakturen anlegen, doch ich machte mir einen Spaß und fixierte das Tuch über Kreuz vor dem Busen, der dadurch sehr hervorstach. Der Prüfer gab mir eine Sechs – und petzte es bei Weisweiler.
Und das war’s mit Ihrer Nationalelfkarriere?
Noch nicht. Kurz darauf sollten wir in einem Test das sogenannte „Alles-oder-Nichts-Gesetz“ am Herzen erklären. Weil ich keine Ahnung hatte, schrieb ich auf die Frage, was ich darüber weiß: „Nichts, das ist alles.“ Die Kaspereien hat mir Weisweiler nie verziehen.
Und so wechselten Sie im Sommer 1968 von Düsseldorf nicht nach Gladbach, sondern nach Köln. Kam nicht gut an, oder?
Die Rivalität nach Köln traf mich aus heiterem Himmel. Wir spielten ein Vorbereitungsspiel gegen Victoria Köln vor 60000 Zuschauern. Als ich auflief sang das ganze Stadion: „Wärst Du doch in Düsseldorf geblieben.“
Wie ging das weiter der Ablehnung durch die Kölner?
Es dauerte einige Zeit. Irgendwann spielten wir im Pokal gegen Borussia M’Gladbach. Kurz vor Schluss steht es 2:1 für die Gladbacher, da gibt der Schiri einen Elfmeter für uns. Bei 3:0 oder 4:0 wollten alle schießen. Aber jetzt bewegte sich keiner: Kein Overath, kein Löhr, kein Thielen. Also habe ich das Ding reingemacht und wir gewannen in der Verlängerung. Erst da hieß es: „Biskup, du bist der beste Mann.“
Ihr bedeutendstes Spiel als Aktiver?
Wenn ich eins herausgreifen müsste: Mit Fortuna in der Saison 1965/66 bei Westfalia Herne. Beim Stand von 2:2 haute ich einen Freistoß von 35 Meter oben in den Winkel. Der Grundstein für unseren späteren Aufstieg. Nach dem Match fuhren wir mit den PkWs zurück. Um uns herum die jubelnden Fortuna-Fans. Ich musste im Auto von Kuno Klötzer mitfahren. Er schob das Schiebedach auf. Und Kuno und ich drückten uns oben aus dem Dach – und winkten den Leuten zu.