Vor zehn Jahren, im Januar 2010, wurde Togos Nationalmannschaft auf dem Weg zum Afrika-Cup von angolanischen Rebellen überfallen. Drei Menschen starben. Assimiou Touré, früher beim SV Babelsberg 03, kam mit dem Schrecken davon.
Dieses Interview erschien erstmals im Februar 2013 in 11FREUNDE #135 (hier bei uns im Shop erhältlich). Assimiou Touré spielte damals beim SV Babelsberg 03. Mittlerweile hat er seine Karriere beendet.
Assimiou Touré, Sie waren Teil des togoischen Nationalteams, das am 8. Januar 2010 von angolanischen Rebellen überfallen wurde. Bei dem Attentat starben drei Menschen. Wie erklärt man das Unerklärliche?
Ich kann berichten, und die Leute können zuhören. Doch wie willst du jemandem dieses Todesgefühl erklären? Das Rattern der Maschinengewehre, die Einschläge im Metall, das Bangen? Wie kannst du das jemandem begreifbar machen, der nicht dabei war? Allerdings ist das keine Sache, die nur mich betrifft. Es gibt für persönliche Erfahrungen Worte. Mehr nicht.
Welche Worte haben Sie denn benutzt, um Ihren Verwandten und Freunden von diesem Tag zu berichten?
Ich erzählte ihnen von den Sekunden nach dem Anschlag. Wir stiegen aus dem Bus, und ich sah überall Blut. Dann suchte ich die Tränen – doch da kam nichts. Ich konnte nicht weinen, ich konnte nicht lachen, ich stand dort wie eine Statue.
Togos Nationalmannschaft war auf dem Weg in die angolanische Enklave Cabinda, wo sie die Gruppenspiele des Afrika-Cups austragen sollte. Was wussten Sie über die Region?
So gut wie nichts. Wenn man zu einem professionellen Turnier fährt, macht man sich als Spieler keinen Kopf. Man verlässt sich auf die Organisatoren.
Der Mannschaftsbus wurde von einer Militäreskorte begleitet. Hat Sie das nicht stutzig gemacht?
In Afrika werden Sportmannschaften fast immer von Soldaten eskortiert, nicht nur in Bürgerkriegsregionen. Wenn Fußballteams durch afrikanische Städte reisen, bevölkern manchmal hunderttausende Menschen die Straßen. Da ist ohne Hilfe einfach kein Durchkommen.
Von den Rebellen der FLEC, der „Frente para a Libertação do Enclave de Cabinda“ hatten Sie also noch nie etwas gehört?
Ich habe erst im Nachhinein recherchiert. Dabei stießen mir einige Sachen seltsam auf.
Weil es von angolanischer Seite geheißen hatte, dass die Front gar nicht mehr existiere?
Es gibt seit über 30 Jahren Unruhen in Cabinda, wo Rebellen um die Unabhängigkeit der Enklave kämpfen. Der Konflikt hat zuletzt selten die Weltöffentlichkeit erreicht. Vor dem Afrika-Cup soll es allerdings Hinweise auf bevorstehende Anschläge gegeben haben. Sie wurden ignoriert.
Wieso ist Togos Team eigentlich mit dem Bus angereist?
Das wurden wir danach ständig gefragt. Selbst Issa Hayatou (Präsident des afrikanischen Fußballverbandes CAF, Anm. d. Red.) warf uns wenige Stunden nach dem Anschlag vor, nicht geflogen zu sein. Doch von unserem Trainingslager im Kongo bis zur Unterkunft in Cabinda waren es gerade mal 50 Kilometer. Außerdem waren zuvor schon die Teams von Burkina Faso und der Elfenbeinküste ohne Probleme mit dem Bus angereist. Ich mache der CAF keinen Vorwurf wegen des Anschlags, doch sich danach hinzustellen und uns eine Mitschuld zuzuschieben – das fand ich unschön.
Die CAF schien mit der Situation überfordert. Zunächst wollte sie die Weltöffentlichkeit beruhigen, indem sie von geplatzten Reifen sprach.
Da sind keine Reifen geplatzt. Da sind Menschen gestorben!