Wer weiß, wie lange Klaus Allofs noch Manager von Werder Bremen ist. Nutzen wir die Gunst der Stunde: Für die aktuelle Ausgabe von 11FREUNDE sprachen wir mit dem damals noch gänzlich Wolfsburg-freien Ex-Nationalspieler über die jüngste Entwicklung von Werder Bremen, sein Verhältnis zu Thomas Schaaf und seine Leidenschaft für „alles, was sich dreht und schnell die Richtung ändert“.
Klaus Allofs, Sie wirken immer so ausgeglichen. Was müssten wir Sie fragen, damit Sie endlich mal ausrasten?
Wenn ich mich extrem ungerecht behandelt fühle, kann ich ungemütlich werden. Aber ausrasten? Da stehen Ihre Chancen eher schlecht.
Wie machen Sie das? Zählen Sie innerlich bis zehn, bevor Sie antworten?
Ich habe keine Tricks. Vermutlich kommt bei mir die Gelassenheit mit dem Alter. Seit ich 18 bin, also seit 37 Jahren, bewege ich mich im Fußballgeschäft. Früher hat es mich auch wahnsinnig gemacht, wenn ich als Stürmer eine Großchance versiebt habe. Aber im Laufe der Zeit habe ich gelernt, nicht aus jeder Mücke einen Elefanten zu machen.
2007 trafen Sie in einem Fernsehinterview auf Uli Hoeneß, damals noch Bayern-Manager. Es ging um den Transfer von Miroslav Klose von Bremen nach München. Hoeneß war sehr aufgebracht, weil Klose von Werder-Fans beschimpft worden war. Sie hingegen wirkten, als würden Sie Ihren Kollegen am liebsten von der Kamera wegziehen.
Mir ist natürlich bewusst, dass wir alle unsere Rollen zu spielen haben. Uli ist mit seiner Art ein Schrittmacher der Liga. Dafür gebührt ihm mein Respekt. Unser Verhältnis ist absolut intakt, auch wenn wir manchen Kampf ausgefochten haben. Aber in einem Halbzeitinterview, in dem ein Thema nicht umfassend aufgearbeitet werden kann, es sich zwangsläufig zuspitzt und wir vom Moderator auch noch gekitzelt werden, verspüre ich eigentlich den Wunsch, die Angelegenheit nicht auf offener Szene zu klären.
Können Sie tatsächlich unterscheiden, wann Hoeneß etwas ernst meint und wann er bloß seine Rolle spielt?
Ohne mir anmaßen zu wollen, dass ich da zu 100 Prozent richtig liege, ein gewisses Muster erkenne ich in seinen Äußerungen durchaus.
Hatten Sie je Feinde in diesem Geschäft?
Natürlich gibt es Leute, die mir unsympathisch sind. Auch dann muss ich eine Zusammenarbeit zustande bringen, die nicht von Abneigung geprägt ist. Andersherum kann es passieren, dass jemand, mit dem ich gut klarkomme, für den ärgsten Konkurrenten arbeitet. Dann darf es nicht sein, dass ich aus Zuneigung weniger hart verhandle.
Gab es in Ihrer 13-jährigen Zusammenarbeit mit Thomas Schaaf Phasen, in denen Sie einander aus dem Weg gegangen sind?
Ich würde nicht von Phasen sprechen, eher von Stunden. Nehmen Sie die aktuelle Saison: Zum Zeitpunkt dieses Interviews habe ich Thomas drei Monate lang fast jeden Tag gesehen, wir haben drei Trainingslager gemeinsam durchgestanden. Da braucht jeder von uns mal seine Freiräume.
Wer kann lauter schreien: Sie oder der Coach?
Da ist Thomas besser in Übung. Auf dem Platz kommt das einfach öfter vor als im Büro.
Wann mussten Sie das letzte Mal schreien?
Ehrlich gesagt, schreie ich noch nicht mal meinen Hund an. Wenn ich überhaupt mal laut geworden bin, dann wahrscheinlich in einer Sitzung mit der Mannschaft. Fußballer pflegen ja untereinander einen etwas raueren Umgangston. Wenn ich mit Geschäftspartnern oder Journalisten so reden würde, gäbe es Probleme.
Haben Sie mit Schaaf schon mal die Aufteilung Good Cop, Bad Cop ausprobiert, wenn Sie einen Spieler ins Gebet genommen haben?
Das mag mal vorgekommen sein. Allerdings ohne dass wir uns das so vorgenommen hätten. Wenn einer von uns allzu streng wird, gleicht der andere das wieder aus. Man muss am Ende ja auch immer wieder zueinanderfinden können.
Der ausgleichende Part dürften Sie sein.
Nicht unbedingt. Man darf nicht vergessen: Ich stehe in der Struktur des Vereins nun mal in der letzten Verantwortung. Und wenn es um die finanziellen Folgen des sportlichen Scheiterns geht, muss ich die Dinge auch beim Namen nennen dürfen.
Wie kommt es eigentlich, dass Sie schwierige Spieler wie Johan Micoud oder Ailton integrieren konnten, andere wie Carlos Alberto aber nicht?
Das ist Berufsrisiko. Wenn wir einen Spieler verpflichten, sind wir davon überzeugt, dass er uns weiterhelfen kann. Und wenn er bereit ist, alles für seinen Beruf zu tun, dann wird unsere Geduld auch unendlich sein. Deshalb fand ich die Zusammenarbeit mit Johan Micoud auch gar nicht so schwierig: An ihm konnte man sich zwar jeden Tag reiben, dafür hat er uns am Wochenende bewiesen, dass sich die Schufterei gelohnt hat.
Woran merken Sie denn, dass ein Spieler Ihre Geduld nicht verdient?
Wenn er mit seinem Verhalten das ganze System SV Werder Bremen in Gefahr bringt. Dann müssen wir uns von ihm trennen.
Wie genau kennen Sie die persönliche Geschichte eines Spielers? Sehen Sie etwa Marko Arnautovic vor dem Hintergrund seiner bewegten Jugend in der Wiener Vorstadt?
Ich muss und will nicht alles über einen Spieler wissen. Sonst erwachsen daraus vielleicht Vorurteile, die eine klare Einschätzung erschweren.
Haben Sie mal einem Spieler empfohlen: „Nimm die Brillies raus, solange du die Hütte nicht triffst“?
Äußerlichkeiten zählen für mich nicht. Wenn sich ein Spieler an unsere Vorstellungen der Zusammenarbeit hält, kann er rumlaufen, wie er lustig ist.
Auch mit Hahnenkamm?
Klar. Er muss dann nur damit leben, dass ich ihn darauf hinweise, wie furchtbar ich seine Frisur finde. Gleichzeitig bin ich mir sicher, dass die Jungs in der Kabine über den langweiligen Kleidungsstil ihres Managers lästern.
Bekommen Sie Anrufe von Fans, XY sei wieder bis halb vier in der Disco gewesen?
Wenn wir schlecht spielen, möchte man uns häufiger mit Beobachtungen helfen. Wenn wir gut spielen, eher selten. Die Meinung der Öffentlichkeit beeinflusst mich im Umgang mit einem Spieler aber nur dann, wenn er ohnehin unter Beobachtung steht. Dann ist meine Bereitschaft für Konsequenzen schon größer.
Muss ein Spieler ab einem gewissen Gehalt nicht einfach funktionieren? Einen Busfahrer fragt doch auch niemand, wie es ihm geht.
Eigentlich kennt ein Spieler bei Vertragsunterschrift die Regeln. Eigentlich verdient er genügend Geld und übt einen so begehrten Job aus, dass er dann auch funktionieren sollte. Eigentlich. Aber man darf nie vergessen, dass auch Fußballprofis Menschen sind. Junge Menschen. Und junge Menschen machen nicht immer das, was man von ihnen verlangt.
Wie reagieren Sie dann?
Als dreifacher Vater weiß ich, wie ich nicht reagieren sollte. Mit einem „Du musst dich jetzt so und so verhalten“ komme ich jedenfalls nicht weit.
Was war Ihre bislang schönste Zeit mit der Werder-Familie? Letztes Jahr auf dem Freimarkt! (Beliebte Kirmes in Bremen, d. Red.)
Erzählen Sie! Ach, das war nicht ganz ernst gemeint. Wir hatten einfach einen schönen Abend. Wir haben uns gut amüsiert.
Wie müssen wir uns das vorstellen: Klaus Allofs und Thomas Schaaf jagen sich gegenseitig im Autoscooter?
Nein, diesmal nicht. Ich stehe eher auf alles, was sich dreht und schnell die Richtung wechselt. Beim „Breakdancer“ bin ich Stammgast!
Wie schön. Und was haben Sie in sportlicher Hinsicht am meisten genossen?
An einzelnen Ausschnitten will ich mich nicht festhalten. Was mich sehr zufrieden macht, ist die gesamte Entwicklung. Wenn ich in der Loge sitze, unser Stadion sehe und mich daran erinnere, wie es 1999 aussah, weiß ich, dass wir viele Dinge gut gemacht haben…
—-
Das vollständige Interview mit Klaus Allofs, seine Meinung über Marko Marin, seine Prognose für die Zukunft von Werder Bremen, lest ihr in der aktuellen Ausgabe von 11FREUNDE!