1974 schlug die DDR-Nationalelf ihr WM-Quartier im Sporthotel Quickborn auf. Wir sprachen mit dem damaligen Besitzer Theo Rebergen über Männer in langen Mänteln, den BND, die RAF und ein Sex-Kino.
Wie haben Sie das Spiel gegen Westdeutschland verfolgt?
Ich durfte mit ins Volksparkstadion und saß mit dem Mannschaftsarzt direkt hinter der Trainerbank. Als Jürgen Sparwasser das Tor machte, sprang die gesamte Truppe auf und schmiss mich samt Stuhl zu Boden. Die Stimmung war ab da extrem gelöst. In den Tagen danach veranstalteten wir sogar Autogrammstunden auf dem Gelände.
Jürgen Sparwasser berichtete von einer rauschenden Fete nach dem Sieg gegen die BRD. Mannschaftsleiter Willi Boldt sprang losgelöst im Anzug in den Hotelteich.
Nach außen gaben sie sich oft etwas ernster, aber intern herrschte eine große Ausgelassenheit. In der Nähe des Hotels gab es eine Diskothek, die Spieler fragten am Abend nach dem Sieg gegen die BRD, ob sie dort mit den Zimmermädchen und Kellnerinnen feiern dürften. Und sie bekamen tatsächlich die Erlaubnis. Für eine Stunde. Aber nicht alle kehrten heim.
Es gab einen Fluchtversuch?
Nein, das nicht. Aber zwei waren nach einer Stunde noch nicht wieder da: Jürgen Sparwasser und eine Kellnerin. Also schickte ich ein Taxi zur Disko und ließ sie holen. Durch den Hintereingang brachte ich Sparwasser ins Hotel. Ich sagte: Wenn jemand fragt, sag, du hast dich auf dem Rückweg verlaufen!
Die DDR spielte in der Zwischenrunde unter anderem gegen Ihre Landsleute aus Holland. Waren Sie wieder im Stadion?
Ich wurde zu jedem weiteren WM-Spiel eingeladen, aber die Spiele fanden nicht mehr in Hamburg statt, und ich hatte leider keine Zeit für längere Reisen. Aber ich bin später oft in die DDR gefahren. So oft, dass ich eines Tages Besuch vom BND bekam.
Erzählen Sie.
Die Funktionäre schickten mir vor den Besuchen immer Listen mit Westprodukten, die ich ihnen mitbringen sollte. Klamotten, Musik oder Ersatzteile für ihre Mercedes-Limousinen. Den Leuten vom BND fielen meine regelmäßigen Touren irgendwann auf, und so fragten sie mich aus. Aber Ärger gab’s nicht.
Wie war es an der Grenze, wenn Sie mit einem Wagen voller Westprodukte vorfuhren?
Probleme hatte ich auch dort nie, alle schienen informiert über meine Mission. Nur als ein Grenzpolizist einmal eine James-Last-Platte mitnahm und ewig nicht zurückkehrte, wurde mir mulmig. Bis er wiederkam und erklärte, dass er sich die Platte nur auf Kassette überspielen musste.
Das Sporthotel Quickborn, das heute „Seegarten“ heißt, ist Teil unserer neuen Titelstrecke über legendäre und wichtige Fußballorte Deutschlands. 11FREUNDE #223 bekommt ihr ab sofort am Kiosk oder bei uns im Shop.