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Man darf wohl davon aus­gehen, dass Thomas Tuchel heute ziem­lich schlechte Laune hat. Der Öffent­lich­keit mit­ge­teilt hat er das so wenig, wie er ans Telefon gegangen ist. Aber so hat es der Trainer in seinem Sab­bat­jahr seit dem Ende der letzten Saison die ganze Zeit über gehalten. Ein län­geres Inter­view hat er seitdem gegeben, letzte Woche in der Zeit“, ansonsten war er nur Gegen­stand eines sich selbst näh­renden Spe­ku­la­ti­ons­wett­be­werbs, der inzwi­schen aber etwas Ner­viges bekommen hat.

Dazu bei­getragen hat die heu­tige Bericht­erstat­tung von Bild“, nach der Tuchel angeb­lich vom Ham­burger SV ein Vier­jah­res­ver­trag ange­boten wurde, dotiert mit 3,2 Mil­lionen Euro pro Jahr. Das wäre ein Ding, denn damit wäre er nach Pep Guar­diola und Jürgen Klopp best­do­tierter Trainer der Bun­des­liga. Außerdem will der Klub ihm zu jeder Saison ein Inves­ti­ti­ons­vo­lumen von 25 Mil­lionen Euro garan­tieren, um die Mann­schaft weiter zu ent­wi­ckeln. 

Das Balzen um Tuchel hat eine neue Dimen­sion

Tuchel dürfte die Indis­kre­tion schon des­halb unan­ge­nehm über­ra­schen, weil es nicht für die Ham­burger spricht, wenn so detail­liert über ein Angebot an ihn berichtet wird. Denn eigent­lich schienen doch die Zeiten vorbei, in denen der HSV die Laber­bude der Bun­des­liga war. Einen Tag nach dem Tod von Helmut Dietl kam das Angebot zudem so rüber wie das berühmte Zitat von Mario Adorf aus Kir Royal“: Ich scheiß dich zu mit meinem Geld.“ Dem Balzen um Tuchel gibt das eine neue Dimen­sion. Bis­lang erschien er dabei wie die uner­reich­bare Schöne, unter deren Fenster die Bun­des­li­ga­ma­nager wie rol­lige Kater um die Gunst miauten. Jetzt wirkt es so, als warte Tuchel nur darauf, wer die größte Schatz­truhe unters Fenster stellt.

Um mit Karl Ger­nandt, dem mit­tei­lungs­freu­digen Auf­sichts­rats­chef des HSV, noch ein anderes Bild zu bemühen: Am Ende ent­scheidet Herr Tuchel, was er macht. Er hat im Moment fast wie ein kleiner Junge beim Auto-Quar­tett alle schnellen Autos in der Hand und kann von oben run­ter­spielen.“ Doch wie toll sind bei Tuchels großem Quar­tett die Optionen wirk­lich? Für einen großen Klub im Aus­land, der sicher in der Cham­pions League spielt, strahlen seine Hel­den­taten in Mainz noch nicht weit genug. Und eine Mit­tel­macht in Eng­land oder Spa­nien zu über­nehmen, um dort durch­zu­starten, wäre unge­heuer ris­kant. Bleibt letzt­lich Deutsch­land, und auch hier gibt es für Tuchel eine durchaus ein­ge­schränkte Aus­wahl.

Zwar hält sich schon länger das Gerücht, das der FC Bayern in ihm den Nach­folger für Pep Guar­diola sieht. Richtig daran ist, dass sie Tuchel das in Mün­chen zutrauen. Falsch ist es aber inso­fern, als die Bayern von Guar­diola so begeis­tert sind, dass sie alles dafür tun, ihn mög­lichst lange zu halten. Und das bedeutet auch, mit Tuchel keine Ver­ab­re­dungen dar­über zu machen, was in ein oder zwei Jahren sein könnte. Bei Borussia Dort­mund war Tuchel (neben Lucien Favre) intern der Top­kan­didat für eine mög­liche Nach­folge von Jürgen Klopp. Nur wird, sollte die Saison des BVB nicht unvor­her­ge­sehen noch völlig implo­dieren, der Nach­folger von Klopp im Sommer Jürgen Klopp heißen. In Lever­kusen, einem Klub, der Tuchel immer sehr inter­es­siert und den sie dort zu seiner Mainzer Zeit stets im Auge hatten, sind sie mit Roger Schmidt aus­ge­spro­chen zufrieden. Und aus der Anbah­nung zwi­schen Schalke und Tuchel war ja letzt­lich nichts geworden, weil Tuchel der Kon­struk­tion mit Über­boss Cle­mens Tön­nies nicht richtig über den Weg traute.

Tuchel bleibt nur die Kate­gorie Schla­fender Riese“

Damit sind aber schon die Großen der Liga durch­de­kli­niert (die bes­tens auf­ge­stellten Glad­ba­cher und Wolfs­burger seien hier nur der Voll­stän­dig­keit halber erwähnt). Also ist man schon bei der Kate­gorie Schla­fender Riese“, zu der Han­nover 96 als hin­kender Mit­tel­ständler eher nicht gehört. Beim VfB Stutt­gart hatten sich viele Fans beschwert, dass ihr Klub sich nicht genug um Tuchel küm­merte, nachdem der Stutt­garter Zei­tung“ ein­ge­fallen war, dass der als Schwabe und ehe­ma­liger Jugend­trainer beim VfB doch ein beson­deres Ver­hältnis zum Verein hätte. Viel­leicht stimmt das, aber für Tuchel ist der HSV trotzdem viel attrak­tiver. Die Ham­burger haben trotz der ver­hee­renden letzten Jahre auf­grund der Wirt­schafts­kraft in der Stadt und inter­na­tio­naler Aus­strah­lung immer noch deut­lich mehr Poten­zial, so komisch diese Fest­stel­lung ange­sichts der aktu­ellen Situa­tion auch erscheint.

Tja, und das ist es dann im Moment auch schon. Denn die Behaup­tung, dass Tuchel zu RB Leipzig gehen würde, hatte nie wirk­liche Sub­stanz und hat sich mit dem Ver­bleib des Klubs in der Zweiten Liga end­gültig erle­digt. Es ist also wohl eine sehr gut nach­voll­zieh­bare Ver­mu­tung, dass Thomas Tuchel sich ange­sichts der Rück­kehr des Laber-HSV schlecht gelaunt fragt, ob er da wirk­lich gut auf­ge­hoben ist. Mal ganz davon abge­sehen, dass der Klub bei aller auf­re­gender Zukunfts­pla­nung irgendwie erst einmal durch die Gegen­wart kommen muss. Und die heißt, man könnte es fast ver­gessen, übri­gens Abstiegs­kampf.