Nach 13 Jahren für Union und 15 für Hertha BSC verließ Karsten Heine seine Heimatstadt Berlin und wurde Ende 2013 Trainer beim abstiegsbedrohten Chemnitzer FC. Jetzt spielt er um den Aufstieg und im DFB-Pokal gegen Werder Bremen. Ein Gespräch über Erfolg, Glück und die Qualität von Bundesligatrainern.
Welcher Berliner Klub steht Ihnen näher: Hertha oder Union?
Beide Klubs liegen mir am Herzen. Bei Union habe ich als Spieler und Trainer insgesamt 20 Jahre verbracht. Es ist phänomenal, was dort in den vergangenen Jahren aufgebaut wurde. Zu Ostzeiten hatte der Klub ja immer wieder große Schwierigkeiten, stand stets im Schatten des BFC Dynamo. Wer weiß, wo Union heute stehen würde, hätte Herr Kölmel (Film-Unternehmer , d. Red.) nicht Ende der Neunziger Geld in den Klub gepumpt. Auch der Sponsorendeal mit Nike war damals unheimlich wichtig. Es wäre tragisch, wenn Union in der Versenkung verschwunden wäre. Kurzum: Ich verbinde mit dem Klub noch immer sehr, sehr viele schöne Erinnerungen. Das gleiche gilt allerdings für Hertha BSC – 14 Jahre sind schließlich eine lange Zeit.
Schließen Sie eine Rückkehr aus?
Ich würde so was nie ausschließen. Das ist allerdings kein Thema, über das ich nachdenke. Die Arbeit in Chemnitz bereitet mir große Freude. Wir haben ein ambitioniertes Ziel: Wir wollen in den kommenden Jahren den Sprung in die Zweite Liga schaffen.
Stimmt es, dass Sie an freien Tagen nach Berlin fahren?
Das ist glücklicherweise nicht mehr nötig. Meine Frau und mein zweijähriger Sohn sind mittlerweile hier in Chemnitz. Wir haben uns gut eingelebt, meine Frau studiert, für den Kleinen haben wir vor Kurzem einen Kindergartenplatz gefunden. Dass ich trotzdem ab und an in Berlin vorbeischaue, bei Eltern, Geschwistern und Freunden, ist doch klar.
Wofür steht denn der Chemnitzer FC?
Unser Slogan lautet: „Bereit zu begeistern“. Das bringt es ganz gut auf den Punkt. Es geht darum, eine Aufbruchstimmung zu erzeugen, die Leute sollen gern ins Stadion kommen, weil sie wissen: Der CFC bietet unterhaltsamen Fußball. Unser Ziel ist es, dritte Kraft in Sachsen zu werden. Mit RB Leipzig gibt es hier inzwischen einen Klub, der nicht aufzuhalten ist. Die werden sich in der Bundesliga etablieren. Es wäre ein Traum, wenn es uns gelänge, irgendwann mit Dynamo Dresden auf Augenhöhe zu sein.
Inwiefern bringt das neue Stadion den Klub in seiner Entwicklung nach vorn?
Das ist eine Voraussetzung, um hier etwas aufzubauen. Ohne das neue Stadion wären wir auf Dauer nicht konkurrenzfähig. Ich spüre, das der Stadionbau die Leute hier extrem motiviert. Das wird ein richtiges Schmückkästchen. Eins sollten wir bei aller Freude aber nicht vergessen: Vor wenigen Jahren spielte der CFC noch in der Oberliga.
Ihr Vertrag läuft 2015 aus – wollen Sie ihn verlängern?
Dieser Kram interessiert mich null. Und das meine ich ernst. Würde es hier über einen längeren Zeitraum mal schlecht laufen, könnte ich einen Vertrag haben bis 2020, das würde mir dann auch nicht weiterhelfen.
Herr Heine, heute spielt Chemnitz gegen Werder Bremen. Wenn Sie sich vor der DFB-Pokal-Auslosung einen Bundesligisten hätten aussuchen können – wäre es Werder gewesen?
Nein. Wir haben uns gefreut, dass uns ein Bundesligist zugelost wurde. Ob der nun Werder Bremen heißt oder Hannover 96 oder FC Augsburg, ist mir schlicht gesagt wurscht. Hauptsache die Spieler bekommen die Chance, sich mit einem Großen zu messen. Zudem freut es mich für unsere Fans, die mal wieder einen richtigen Kracher zu sehen bekommen.
Anders gefragt: In Bremen herrscht derzeit große Unruhe – eher Chance oder Nachteil?
Ach, so etwas kann man von vielen Seiten betrachten. Ich könnte mich auch hinstellen und sagen: „Schade, dass wir nicht auf eine Bundesligamannschaft treffen, bei der alles rund läuft, denn: die würden uns eher unterschätzen.“ Klar, Werder hat zurzeit Probleme. Daraus allerdings abzuleiten, für uns, den Drittligisten, ständen die Chancen besser, ist Schwachsinn. Wir reden hier über ein Pokal-Spiel! Werder wird bestimmt nicht mit der Einstellung reingehen: „Ach, irgendwie machen wir das schon“.
Wie schätzen Sie Werder ein?
Bei aller Aufregung: Ich hatte in der Hinrunde bislang nicht den Eindruck, Bremen spiele unmotiviert oder gar ängstlich. Im Gegenteil: Ich habe fast immer eine Mannschaft gesehen, die sich wehrt, die nach Rückschlägen zurückkommt, die beißt. Zudem sehe ich ein enormes Potenzial im Kader. Werder schlägt sich derzeit unter Wert. Ich bin überzeugt, das Team spielt sich da unten wieder raus. Aber das ist nur mein Eindruck aus der Entfernung. Eines ist klar: Den Satz „Bremen ist jetzt genau der richtige Gegner für uns“, will ich hier in Chemnitz nicht hören.
Sondern?
Wir gehen mit dem Motto ins Spiel: „Wir wollen euch Bremern mal zeigen, was wir drauf haben“. Leidenschaft, Fleiß, Willen – wenn wir all das abrufen, bin zufrieden. Wir werden sehen, was Werder dagegenzuhalten hat.