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Seite 2: „Unser Trainer war immer schnell auf 180“

Sie waren 2009 in der Natio­nal­mann­schaft, die U17-Euro­pa­meister geworden ist, warum sind Sie anschlie­ßend nach Eng­land gewech­selt?
An dem Punkt wollte ich mich nur noch auf Fuß­ball kon­zen­trieren, weil ich das Gefühl hatte, langsam auf dem Weg zur großen Bühne zu sein. Und wenn es nicht geklappt hätte, hätte ich zumin­dest ein biss­chen Geld ver­dient und das Abitur nach­ma­chen können. Damals habe ich gesagt: Ich will das nächste Adven­ture, ich will nach Eng­land.“

Stimmt es, dass der HSV Sie damals nicht mehr richtig wollte?
Nein, mir hat nur die Ver­bin­dung zur Pro­fi­mann­schaft gefehlt. Die Profis waren im Sta­dion und die Jugend­mann­schaften ganz woan­ders. Beim FC Everton hin­gegen haben alle Mann­schaften auf dem glei­chen Gelände trai­niert. David Moyes ist nach dem Trai­ning der Profis her­um­ge­gangen und hat sich die U15, die U17 usw. ange­schaut. Die Phy­sio­the­ra­peuten und Ärzte, die für die Profis arbeiten, waren auch für den Nach­wuchs zuständig. Ich hatte ein­fach das Gefühl, näher dran zu sein. Außerdem war es für mich als Jugend­li­cher immer ein Traum, in der Pre­mier League zu spielen.

Der ist letzt­lich aber nicht in Erfül­lung gegangen, Sie haben nur ein paar Mal auf der Bank gesessen. War es eine ver­passte Zeit?
Ich bereue den Schritt nicht, obwohl ich mit sehr hohen Erwar­tungen dahin gegangen bin und es dann nicht geschafft habe. In der Pre­mier League auf der Bank zu sitzen, war anfangs beein­dru­ckend, aber irgend­wann reicht das natür­lich nicht mehr. Trotzdem: Ich habe in Eng­land gerade kör­per­lich einen Rie­sen­schritt gemacht und bin per­sön­lich gereift, weil ich ver­stehen musste, dass Leute die Sachen auch ganz anders machen, als man sie selbst gewohnt ist.

Was war der größte Kul­tur­schock?
Mit dem Essen der Eng­länder habe ich mich nie so recht anfreunden können.

In Ita­lien ist das Essen besser, aber ver­mut­lich sind Sie im Januar 2012 nicht des­halb zum dama­ligen Zweit­li­gisten Sampdoria Genua gewech­selt.
Das ist das Schöne am Fuß­ball: Man weiß nie, wohin der Weg führt. Damals habe ich zu meinem Vater gesagt: Von Eng­land nach Ita­lien, ich glaube jetzt kann nichts Neues mehr für mich kommen.“ Und jetzt bin ich in Spa­nien.

Wel­chen Kul­tur­schock gab es in Ita­lien?
Als ich das erste Mal im Kader stand, haben wir ein Heim­spiel ver­loren. Anschlie­ßend konnten wir stun­den­lang nicht nach Hause, weil die Fans unsere Kabine bela­gert haben. Da habe ich mich schon gefragt, wo ich denn jetzt gelandet bin. Aber letzt­lich habe ich mich sehr schnell in Ita­lien ver­liebt. Außerdem habe ich mich in der Mann­schaft wohl gefühlt, mit dem Trainer hat es geklappt und im Laufe der Zeit wurde ich ein biss­chen zum Fan­lieb­ling. Wer aller­dings alles per­fekt orga­ni­siert haben muss, sollte besser nicht nach Ita­lien gehen. In Ita­lien muss man mit allem rechnen.

Womit?
Am Tag vor dem Rück­spiel um den Auf­stieg in die Serie A etwa sind wir nach Varese gereist. Wir kamen im Hotel an, alles war vor­be­reitet, nur hat sich nie­mand um uns geküm­mert! Als wir uns zum Abend­essen hin­ge­setzt haben, kam nie­mand. Köche, Kellner, alle waren weg! Wahr­schein­lich, um der Heim­mann­schaft etwas zu helfen. Unser Trainer war sowieso immer schnell auf 180, er ist dann flu­chend in die Küche gegangen und hat uns selber Pasta gemacht. Die haben wir gegessen, sind schlafen gegangen, haben am nächsten Tag gewonnen, sind auf­ge­stiegen und nach Hause gefahren.

Bei aller Freude am Aben­teuer: Sie haben im ersten halben Jahr bis zum Auf­stieg nur auf der Bank gesessen.
Das war in meiner Kar­riere auch die bisher här­teste Zeit. Aber der Sport­di­rektor und der Trainer wollten mich schützen, weil wir lange Zeit weit von den Auf­stiegs­plätzen ent­fernt waren. Sie haben gesagt, dass ich in so einer Phase bei einem Fehler von den Fans und Medien sofort abge­schrieben worden wäre und mich davon viel­leicht nicht mehr erholen würde. Damals habe ich das zwar für eine Aus­rede gehalten, aber im Nach­hinein bin ich froh dar­über. Es gab näm­lich Spieler, die unter sol­chen Situa­tionen sehr gelitten haben. Letzt­lich hat der Verein das bei mir super hin­ge­kriegt: Was ver­spro­chen wurde, ist auf­ge­gangen. In der Serie A hatte ich dann im ersten Jahr 17 Ein­sätze und im zweiten einen Stamm­platz.