Benjamin Auer beendete 2012 seine Fußballkarriere. Nun geht er aber wieder auf Torejagd – in der Regionalliga. Warum? Weil er es einem Freund versprochen hat.
Benjamin Auer, wie geht es Ihnen?
Sehr gut. Ich habe drei Fitness- und Rehastudios in der Pfalz und kümmere mich um das operative Geschäft. Die Arbeit außerhalb des Platzes macht mir viel Spaß, bedeutet aber auch eine Menge Stress.
Sie haben zweieinhalb Jahre Pause vom Fußball gemacht, bevor Sie im Januar 2015 in Pirmasens unterschrieben. Was haben Sie in der Pause gemacht?
In erster Linie habe ich mich mit viel Sport weiterhin fit gehalten. Das kann man nach 13 Jahren im Profisport auch schwer ablegen. Mein persönliches Highlight war der Gutenberg-Marathon in Mainz. Ich hatte mir vorgenommen, ihn unter vier Stunden zu laufen, was mir mit 3:42 Stunden auch gelungen ist. Nebenbei habe ich viel ausprobiert: Tennis, Squash, Badminton und durch die Fitnessstudios natürlich auch etwas im Krafttrainingbereich. Mir wurde auf jeden Fall nicht langweilig.
Und trotzdem haben Sie irgendwann den Drang zum Fußball gespürt?
Ich habe ab und an mal für die Traditionsmannschaft von Mainz oder für eine Landesauswahl gespielt. Das hat viel Spaß gemacht, aber der richtige Fußball hat mir gefehlt. Der Präsident des Regionalligisten FK Pirmasens ist ein guter Freund von mir. So kam eins zum anderen. Pirmasens war im Sommer 2014 aufgestiegen und suchte in der Winterpause einen Stürmer. Ich habe mich dann bequatschen lassen und die Schuhe nach über zwei Jahren wieder aus dem Schrank geholt.
Waren die Vertragsverhandlungen ähnlich hart wie mit Bundesligavereinen?
Komplett anders. Bei Vertragsverhandlungen mit Bundes- oder Zweitligisten habe ich immer einen Berater vorgeschickt, der sich um die Angelegenheiten gekümmert hat. In Pirmasens lief alles über eine mündliche Zusage, die per Handschlag verstärkt wurde. Sehr locker, sehr entspannt eben – überhaupt kein Vergleich zum Profifußball.
Was unterscheidet denn den Alltag in der Regionalliga Südwest von dem der Bundesliga?
Der größte Unterschied ist, dass ich die Woche nur zwei Mal trainiere und am Wochenende spiele. Das habe ich von Anfang an so abgeklärt, und damit kommen alle klar. Da ich Vater zweier Kinder und Mitinhaber der Fitnessstudios bin, lässt die Zeit einfach nicht mehr zu.
Wie oft müssen denn Ihre Mitspieler trainieren?
Der FK Pirmasens ist kein professionell geführter Verein wie unsere Liga-Konkurrenten aus Saarbrücken, Elversberg, Mannheim oder Offenbach. Meine Mitspieler haben entweder einen festen Job oder studieren. Die Trainingseinheiten sind immer abends, wenn alle können. Die Mannschaft trainiert trotzdem täglich.
Dafür läuft es in der bisherigen Saison aber ganz gut, oder?
Der Verein holt das Maximum aus seinen Möglichkeiten raus. Finanziell wie sportlich wird hier am Limit gearbeitet. In der Stadt Pirmasens herrscht eine Arbeitslosigkeit von etwa 16 Prozent, da ist es schwierig, Sponsoren zu finden. Der Verein hat ein Gesamtbudget von 500.000 Euro, müsste damit eigentlich Schlusslicht in der Liga sein.
Gibt es denn Parallelen zwischen der vierten und der ersten Liga?
Was das Spielerische angeht, gibt es kaum Parallelen. In der Bundesliga wird viel schneller gespielt. Das versuchen die Spieler der Regionalliga durch das Körperliche auszugleichen. Mannschaften wie Elversberg oder Mannheim haben spielerisch mehr vorzuweisen als die anderen Teams in der Liga. Spiele, bei denen wir mitwirken sind in der Regel sehr einfach strukturiert – nicht unbedingt ansehnlich. Das liegt zum Teil auch an den Trainingsmöglichkeiten in Pirmasens. Wir haben einen Trainingsplatz, auf dem alle Mannschaften trainieren müssen – die erste Mannschaft, die Amateure und die Jugendmannschaften. Wir haben zwar einen Kunstrasenplatz, der ist aber schon ziemlich in die Jahre gekommen. Das ist gerade im Winter ein großes Problem, wo wir dann häufig auf Soccerhallen ausweichen müssen und auf die Hilfe anderer Vereine angewiesen sind.
Ist das Toreschießen leichter als in der Bundesliga?
Was stark auffällt, ist, dass die Innenverteidiger einfacher zu bespielen sind. Das Spiel ist körperbetonter, dafür auch oft fehlerhaft. Daher spekuliere ich immer darauf, dass die Verteidiger einen Fehler machen, der so in der Bundesliga kaum passieren würde. Dazu kommt, dass ich in der Bundesliga Mitspieler hatte, die technisch und spielerisch einfach stärker waren. Das ist hier in Pirmasens anders. Es läuft nach dem Motto 50:50: Mal kommt der Ball dorthin, wo ich hinlaufe, mal kommt der Ball dorthin, wo ich vor zehn Sekunden noch stand. Es ist also nicht unbedingt einfacher, ein Tor zu schießen, sondern anders.
Freuen Sie sich denn genauso über ein Tor wie zu Bundesliga-Zeiten?
Über Tore in der Bundesliga habe ich mich mehr gefreut. Auf der anderen Seite bin ich jetzt 35 Jahre alt, und es macht immer noch Spaß Tore zu schießen. Es ist schön zu sehen, wenn ich es als alter Hase immer noch schaffe, einen 20 Jahre alten Gegenspieler alt aussehen zu lassen.
Die Gegenspieler haben Sie früher noch in der „Sportschau“ gesehen. Kommt es auf dem Platz noch zu speziellen Sprüchen?
Sprüche gibt es immer – in allen Variationen. Da kommt es bei einer vergebenen Großchance schon mal zu Spott, aber in meinem Alter weiß ich, in solchen Situationen darüber schmunzeln zu können und zur Not auch zu kontern. Dann herrscht auch schnell Ruhe.
Wie war denn das erste Aufeinandertreffen mit Ihrer Mannschaft?
Die Mannschaft ist super entspannt, nur deshalb habe ich mich auch dazu durchgerungen, nochmal die Schuhe zu schnüren. Die Mentalität ist mit der Bundesliga absolut nicht zu vergleichen, in der die Konkurrenzsituation eine absolut andere ist. Die Jungs waren froh, dass ich zu ihnen gestoßen bin und bei der Mission Klassenerhalt mithelfe. Außerdem finde ich es schön, den jüngeren Mitspielern Ratschläge geben zu können und ihnen in gewissen Situationen zu helfen.
Nun gibt es gewisse Gemeinsamkeiten mit ihren Mitspielern. Sie haben Ihr Diplom als Fitness-Ökonom und befinden sich derzeit im Master-Studium. Wie sind Sie als Student?
Ich hatte zu Zeiten des Diploms den großen Vorteil, einen großen Teil des Studiums von zuhause aus machen zu können. Ab und zu musste ich natürlich zu Präsenzphasen erscheinen. Ansonsten habe ich mich vor den Klausuren immer mit den jeweiligen Professoren getroffen, um den relevanten Stoff zu besprechen. Das Diplom habe ich innerhalb von drei Jahren erreicht. Das hat mir eine Menge Spaß gemacht, weil ich viele neue Sachen gelernt habe und mich so auch von dem Stereotyp Fußballer abgrenzen konnte.
Ein interessanter Ansatz.
Heute studieren immer mehr junge Spieler nebenbei, zu meiner Zeit aber war das eher selten. Gleichzeitig konnte mich das Studium in stressigen Situationen auch vom Fußball ablenken. Es war angenehm, abends nach Hause zu kommen und noch zwei, drei Stunden für die Uni zu pauken.
Was war die schwierigste Klausur, die Sie geschrieben haben?
Eine Ernährungsklausur, die habe ich erst im zweiten Anlauf geschafft.
Haben Sie denn trotzdem was vom berühmten Studentenleben mitgenommen, legendäre Partys gefeiert oder Kurse geschwänzt?
Ich habe wenig von dem gemacht, was ein Studentenleben so auszeichnet. Durch die Freiheiten, die ich gewährt bekommen habe, hatte ich leider auch keinen großen Kontakt zu meinen Kommilitonen. Aber an eine spezielle Situation im Studium kann ich mich bis heute erinnern.
Welche?
Ich konnte ihnen einmal einen großen Gefallen tun. Als ich 2003 bei Mainz gespielt habe, hatte ich eine wichtige Klausur. Diese habe ich schon morgens, vor allen anderen geschrieben, da ich mittags Training hatte. Als ich fertig war, habe ich meinen Kommilitonen geschrieben, was in der Klausur abgefragt wird. Die haben sich natürlich gefreut.
Sie haben in Ihrer Karriere ausschließlich in Deutschland gespielt, obwohl Angebote aus dem Ausland vorlagen. Warum haben Sie den Schritt nicht gewagt?
Zum Ende meiner Profi-Karriere bin ich mit Aachen abgestiegen. Da war für mich klar, dass ich innerhalb Deutschlands nicht mehr spielen möchte, weil mir Aachen so ans Herz gewachsen war – der Verein, die Stadt, die Menschen. Meine Wunschvorstellung wäre ein Wechsel in die USA oder nach Australien gewesen. Zu dem Zeitpunkt hatten wir erst einen Sohn. Meine Frau und ich hätten es sehr spannend gefunden, wenn unser Sohn mit der englischen Sprache aufgewachsen wäre. Leider hat es weder mit den USA noch mit Australien geklappt.
Gab es denn konkrete Angebote?
Es gab diverse Angebote aus der Türkei, Griechenland und aus dem Osten. Aber ich habe mich dagegen entschieden. Richtig konkret wurde es mit einem spannenden Angebot von Racing Santander aus Spanien. Es lief soweit ganz gut, bis es zum Medizincheck kam.
Wieso?
Ich hatte mir mit 20 Jahren das Kreuzband gerissen. Das hat mich in den Jahren danach aber nie groß gestört oder daran gehindert, meine Leistung abzurufen. Den Ärzten von Santander hat mein Knie nicht gut gefallen, weswegen der Verein von einem Transfer abgerückt ist. Zwar gab es dann noch die ein oder andere lockere Anfrage, aber es hat dann nicht mehr geklappt, weswegen ich mich dann im November 2012 entschieden habe, die Karriere zu beenden.
Würden Sie denn rückwirkend etwas an dieser Karriere ändern wollen?
Da habe ich häufig drüber nachgedacht. Bei der Vereinswahl kommt es immer darauf an, auf einen Trainer zu stoßen, der die Art und Weise des Spielers mag. Vielleicht hatte ich da nicht immer das Quäntchen Glück. Da hätte ich bei den Angeboten besser darauf achten und selektieren können. Es ist außerdem schade, dass ich nie ein Spiel für die Nationalmannschaft gemacht habe. Trotzdem habe ich dem Fußball viel zu verdanken, bin froh, wie es gelaufen ist und habe gleichzeitig viel von der Welt gesehen.
Der Vertrag in Pirmasens läuft im Sommer aus. Soll es das dann gewesen sein?
Das Schlimme ist, dass ich jetzt schon wieder von allen Seiten gelöchert werde – vom Verein, von meinem Freund, dem Präsidenten, und vom Trainer. Die wollen natürlich, dass ich noch ein Jahr dranhänge. Eigentlich sollte man mit 35 Jahren wirklich mal die Schuhe an den Nagel hängen, aber ich weiß es noch nicht genau. Erst mal will ich mit dem Verein die Klasse halten, und dann schauen wir mal.
Und was machen Sie, wenn die Fußballschuhe endgültig am Nagel hängen?
Privat träume ich schon lange davon, eine Weltreise zu machen. Aber nicht so, dass man sich vorher Gedanken macht, wo man überall hin möchte, sondern sich einfach von seiner Lust treiben lässt. Und das zieht man dann so lange durch, bis man wieder nach Hause möchte. Das wäre für mich der Inbegriff der Freiheit, und das will ich definitiv einmal in meinem Leben machen.