Egal wie korrupt die FIFA ist, wenn der Turnierball rollt, gucken wir zu. Oder? Fußballfan Max Graf erklärt, wie er die komplette WM 2014 boykottierte.
Max Graf, am 13. Juli 2014 wurde Deutschland Weltmeister. Wo waren Sie?
Am Nachmittag war ich klettern, dann bin ich mit dem Fahrrad nach Hause gefahren. Die Straßen in Frankfurt waren leer, fast niemand war unterwegs. Als das WM-Finale angepfiffen wurde, lag ich im Bett, hatte Kopfhörer auf und ein Buch in der Hand. Das Finale lief nur auf dem Tablet meiner Freundin.
Und Sie haben nichts mitbekommen? Kein Götze-Tor? Keinen Jubel?
Das Deutschland gewonnen hat, bemerkte ich erst, als draußen die ersten Autokorsos hupten. Davor: Nein, nichts.
Warum beschlossen Sie, die WM 2014 in Brasilien als TV-Zuschauer zu boykottieren?
Schon die Bilder vom Confederations-Cup 2013, als die Brasilianer massenweise auf die Straße gingen, haben mich stutzig gemacht. Dann kam die Polizei, die Favelas in Rio stürmte; Straßenkinder, die wegen des angeblich schöneren Stadtbildes verschleppt wurden und die aberwitzigen Millionen, die in die neuen Stadien versenkt wurden. Dann die toten Arbeiter auf den Baustellen in Katar. Da wurde es mir zu viel. Fußball soll Menschen verbinden, nicht ausgrenzen. Das wollte ich nicht unterstützen.
Wann haben Sie sich dafür entschieden?
Schon im Winter davor kam mir die Idee, es auszuprobieren. Ich war aber noch unschlüssig. Als aber im Frühjahr 2014 der stündliche Medienhype vor der WM begann, war mir klar, dass dieses Turnier ohne mich stattfinden wird.
Sie haben wirklich keine WM-Sekunde gesehen?
Einmal war ich auf einem Geburtstag eingeladen, der dummerweise auf einem Public Viewing stattfand. Ich bin trotzdem hingegangen, habe mich mit dem Rücken zur Leinwand gesetzt und nur den Ton gehört. Ich habe versucht, Gespräche zu führen. Das hat einigermaßen geklappt.
Vom 7:1 gegen Brasilien haben Sie aber gehört?
Bis heute habe ich nicht alle Tore des Spiels gesehen. Der Ton Ihrer Frage entspricht übrigens den Reaktionen, die mir auch während der WM entgegen gebracht wurden. Ich wurde zum Beispiel oft gefragt, wie zur Hölle ich das durchhalten will. Einige fanden die Aktion dämlich, andere hätten es gerne auch so gemacht, ihnen fehlte aber der Willen. Ich fand es richtig. Und es hat gut geklappt.
Im Juni 2014 gab es in den Medien kaum ein anderes Thema außer der WM. Wie haben Sie das umgangen?
Auf Facebook und den Onlineportalen habe ich einfach weitergescrollt. Die WM war leider das einzige Thema, egal wo! Schon komisch. Freunden und Arbeitskollegen habe ich zwar zugehört, konnte aber nur selten antworten.
Was haben Sie während der Spiele gemacht?
Ein paar Mal war ich beim Klettern und ich bin auch viel Fahrrad gefahren. In Frankfurt war ja nichts los, herrlich!