Ansgar Brinkmann war ein begnadeter Kicker, aber undisziplinierbar. Wer wüsste besser als er, wie man Skandale auslöst und erträgt?
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Außerdem präsentieren wir euch an dieser Stelle in den kommenden Wochen weitere spektakuläre Reportagen, Interviews und Bilderserien. Heute: Skandalkicker Ansgar Brinkmann.
Ansgar Brinkmann, waren Sie ein Skandalprofi?
(Überlegt lange.) Nö.
Sondern?
Ich bevorzuge den Begriff „Freigeist“. Ich bin der deutschen Sprache mächtig, auch sonst ganz in Ordnung, aber ich war kein Vorzeigeprofi. Abmahnungen pflastern meinen Weg. In einigen Fällen war ich kurz vor den 20-Uhr-Nachrichten. Wenn Sie das skandalös nennen wollen, ist das Ihre Sache.
Was ist für Sie ein Fußballskandal?
Wenn Vlado Kasalo vom 1. FC Nürnberg absichtlich Eigentore schießt. Schiebung. Wenn Leute sich vor einen Karren spannen lassen und andere drunter leiden. Meine Mutter hat gesagt: „Ansgar, solange du nur dir schadest und nicht andere mit reinziehst, okay.“ Ich habe Spaß gehabt, hatte keine Lust, zwanzig Jahre nur Salat zu fressen, und habe die Konsequenzen getragen.
Das heißt?
Ich hatte 39 Trainer und mit allen Krieg.
Wie schafft man es, mit 39 Trainern in den Krieg zu ziehen?
Es war auch Krieg im positiven Sinne. Einige wussten genau, wie sie mich nehmen müssen.
Wer?
Hannes Linßen, Benno Möhlmann. Die wussten, dass sie sich, wenn’s drauf ankommt, auf mich verlassen können.
Was zeichnete Hannes Linßen aus?
Absoluter Fachmann, sehr empathisch. Einmal war Dirk van der Ven verschwunden, weil er drei Tage durchs Ruhrgebiet schlenderte und ein Bier nach dem anderen trank. Als er wieder auftauchte, wartete schon die Presse beim Training. Und was sagt der Coach? (Imitiert Linßens hohe Stimme.) „Vanny, ich weiß nicht, wo du warst und was du gemacht hast. Aber schön, dass du wieder da bist.“ Dann lässt er uns pausenlos Sprints machen, bis der Vanny fast zusammenklappt. Und was sagt Linßen? „Vanny, geh nach Hause, schlaf dich aus. Egal, was du dir geleistet hast: Samstag nehme ich dich mit, denn ich hab’ keinen Besseren.“ Das ist ein Trainer.
Mit wem war es schwergängiger?
Dieter Brei, Rolf Schafstall. Mit der alten Schule. Da sollten alle im Gleichschritt marschieren. Aber „Paragraf eins – alles meins“, das ging mit mir nicht.
Diese Trainer hatten mit Ihrer Herangehensweise aber auch Erfolg.
Aber ein gutes Team ist eins, in dem Individualisten als Kollektiv funktionieren. Den Schlüssel zu dem Prinzip aber muss der Trainer finden. Es macht mich kaputt, wenn Jogi Löw Leroy Sané bei der WM zu Hause lässt, weil der „schwierig“ sei. Ein Zwanzigjähriger, der gerade in England zum besten Nachwuchsspieler gewählt wurde. Als Dieter Brei mal wieder was nicht passte, wollte er mich Kurzsprints machen lassen. Da habe ich den Ball genommen und gesagt: „Trainer, ich gehe jetzt ins Kino, und wenn du Glück hast, komm’ ich morgen wieder.“ Da hat er mich suspendiert. Aber als wir gegen Alemannia Aachen spielten, hat er mich wieder aufgestellt. Weil er wusste, dass ich es mit Leistung zurückzahle.
In Ihrer Autobiografie schreiben Sie: „Ein Skandal braucht folgende Zutaten: zu viel Alkohol, Übermut, häufig gekennzeichnet durch einen freien Oberkörper und in manchen Fällen ein Stirnband.“
Wo ist das Problem, wenn ich so leben will?
Aber ein Profi mit Ihrem Talent, der sich so benimmt, schadet auch der Mannschaft.
Ich habe mich nie als Egoist empfunden, denn im Spiel habe ich immer alles reingeknallt. Aber zum Paket „Ansgar“ gehörte eben, dass ich unter der Woche auch mal einen halben Tag rückwärts lief. Hätte ich das nicht ausgelebt, hätte ich der Mannschaft mehr geschadet als genutzt.
Ein Spieler, der ständig Fünfe gerade sein lässt, kann nicht sein Optimum abrufen.
Unter Druck funktionierte ich am Besten. Ich brauchte das Anlegen mit dem Trainer, um heiß zu laufen. Vor einem Spiel auf St. Pauli bin ich mit einem Kollegen mal nachts auf den Kiez. Wir ließen die Korken knallen, der Mitspieler verlief sich am Ende im Laufhaus. Tags drauf gewannen wir am Millerntor – ich schoss ein Tor nach Alleingang von der Mittellinie.