Acht Meisterschaften, drei Pokalsiege, drei Europacups: Udo Lattek ist nach wie vor der erfolgreichste Vereinstrainer Deutschlands. Heute wird er 80 Jahre alt. Wir gratulieren – und blicken zurück auf eine phänomenale Karriere.
The Early Years: Als Spieler war Udo Lattek nie die ganz große Nummer. In den fünfziger und sechziger Jahren lief er für Amateurklubs wie den SSV Marienheide oder den VfL Osnabrück auf. Nach einem Lehramtsstudium (Physik und Mathematik) wurde er Trainer. Sein erster Job: Assistent von Nationaltrainer Helmut Schön (1965−1970), mit dem er 1966 Vize-Weltmeister wurde.
Die goldenen Jahre: Von 1970 bis 1975 trainierte Lattek den FC Bayern. Als er das Team übernahm, war er gerade mal 35 Jahre alt und galt als umstritten, denn er hatte bis dahin noch nie eine Profi-Vereinsmannschaft trainiert…
…doch schon im ersten Spiel der Saison 1970/71 ließ er seine Kritiker verstummen: Die Bayern zerlegten Alemannia Aachen mit 6:0.
Am Ende der ersten Saison belegte Latteks Team Rang zwei. Danach legte der Trainer den Grundstein der Bayern-Dominanz: Von 1972 bis 1974 wurde der FCB drei Mal in Folge Meister. 1974 gewann der Klub erstmals den Landesmeister-Cup. Eine ewige Liebe?
Nein. Schon 1974 verkündete die Süddeutsche Zeitung: »Barcelona will Lattek freikaufen«. Doch zunächst wechselte der Erfolgstrainer innerhalb der Bundesliga. Er unterschrieb im Frühjahr 1975 bei Rot-Weiss Essen. Der Vertrag wurde in einer Kneipe besiegelt, wobei Udo Lattek, den angebotenen Sekt verschmähend, sich sofort Freunde machte: »Hier im Revier wird Bier getrunken«.
Die Freundschaft währte allerdings nicht lange, denn zu Beginn der Saison 1975/76 saß Lattek plötzlich bei Borussia Mönchengladbach auf der Bank. Er hatte sich kurzerhand noch umentschieden und für 20.000 Mark aus dem Vertrag bei RWE herausgekauft. Kritische Fragen parierte er mit den Worten: »Was würden Sie denn machen, wenn Sie die Wahl zwischen einem Fahrrad und einem Mercedes hätten?«
Mit Gladbach wurde Lattek zweimal Meister…
…1977 standen die Gladbacher auch im Finale des Landesmeister-Pokals, verloren dort aber 1:3 gegen den FC Liverpool. Dafür gewannen Udo Lattek, Winnie Schäfer und Co. 1979 den Uefa-Cup.
Zwischenbilanz: 1979 verließ Udo Lattek Gladbach in Richtung Dortmund und blickte erstmals auf seine ersten Trainerstationen zurück: »Es war fast Selbstmord, zu den Bayern und zu Gladbach zu gehen. Die Mannschaften waren oben und mußten oben bleiben. Hätte ich das nicht geschafft, wäre ich doch der Dumme gewesen.«
In jener Zeit erklärte er auch, warum er den autoritären Trainerstil dem legeren Kumpel-Coach vorziehe. Die Spieler mussten ihn siezen, er durfte die Spieler allerdings duzen. Begründung: »Wenn ich ›Sie Arschloch‹ auf das Spielfeld brüllen würde, klänge das ja auch komisch.«
Zwischen 1979 und 1981 erlebte Lattek zwei Jahre im Mittelfeld der Bundesliga. Mit dem BVB belegte er Platz 6 (1980) und Platz 7 (1981). Im März 1981 verkündete er, seinen Vertrag bis 1982 zu erfüllen, zwei Monate später gab er seinen Wechsel zum FC Barcelona bekannt…
Udo und Gott: Mit dem FC Barcelona (1981−1983) gewann Lattek 1982 den Pokalsieger-Cup. Zu Superstar Diego Maradona soll er ein schwieriges Verhältnis gehabt haben. Als sich der Argentinier vor einem Auswärtsspiel einmal verspätete, fuhr Lattek mit dem Mannschaftsbus ohne ihn ab. Wenig später wurde Lattek entlassen. Seine Analyse: »Der schlimmste Klub der Welt!«
…die Bayern gewannen in seiner zweiten Ära dreimal hintereinander die Meisterschaft. Während er 1987 den zehnten Titelgewinn – Bayern war nun Rekordmeister – nur in Unterhose und seinen Abschied ein paar Wochen später auf einem Traktor feierte, verliefen die Tage nach dem verlorenen Landesmeister-Cup-Finale weniger schön…
…nach dem 1:2 gegen den FC Porto zitierte die »Bild« Lattek mit den Worten: »Ich kann mir nur selbst gratulieren, dass ich hier als Trainer aufhöre. Einige sind nicht in der Lage, an wichtigen Tagen, das zu bringen, was sie eigentlich können.«
Von 1987 bis 1991 arbeitete Udo Lattek als Sportdirektor des 1. FC Köln. Sein Trainer hieß: Christoph Daum, der alle paar Tage eine Breitseite in Richtung Uli Hoeneß abfeuerte (»Um dein Maß an Selbstüberschätzung zu erreichen, muss ich 100 Jahre alt werden.«). Derweil hielt Latteks blauer Pullover die Liga 15 Spieltage lang in Atem.
1993 erklärte der nun 58-jährige Lattek nach seinem Rausschmiss beim FC Schalke 04 sein Karriereende…
Der Feuerwehrmann: 2000 kam Lattek allerdings noch einmal zurück. Er sollte den BVB vor dem drohenden Abstieg bewahren. Dortmunds Präsident Gerd Niebaum hatte ihn angefleht: »Udo, du musst uns retten!« Und Udo tat, wie ihm befohlen. Von den letzten fünf Saisonspielen verlor die Mannschaft nur eines. Lattek soll für seinen Kurzeinsatz 500.000 Mark erhalten haben.
Die Karriere nach der Karriere: Udo Lattek arbeitete in den 2000er Jahren als Kolumnist für »Die Welt«, die »Sportbild« und den »kicker«. 16 Jahre bzw. 786 Sendungen war er zudem Dauergast/Experte beim DSF-Doppelpass.
Das Spätwerk: Beim DSF brillierte Lattek noch mit Analysen wie dieser: »Vielleicht gibt es beim FC Bayern auch sprachliche Probleme. Wenn Jürgen Klinsmann sagt: ›Wir müssen vertikal spielen.‹, fragen die Spieler: ›Wo spielt der denn? Den kenn ich ja gar nicht!‹«
Am 13. Oktober 2013 vermeldete die »Bild«-Zeitung, dass Lattek an Parkinson leidet. Am 4. Februar starb er in einem Pflegeheim in Köln. Er ist bis heute der erfolgreichste Vereinstrainer Deutschlands. Latteks Titel: Vize-Weltmeister als Co-Trainer (1966), Europapokal der Landesmeister (1974; FC Bayern), UEFA-Pokal (1979; Borussia Mönchengladbach), Europapokal der Pokalsieger (1982; FC Barcelona), Deutscher Meister (1972, 1973, 1974, 1985, 1986, 1987; FC Bayern), Deutscher Meister (1976, 1977; Borussia Mönchengladbach), Deutscher Pokalsieger (1971, 1984, 1986; FC Bayern).