Vor einem Jahr noch sollte er verliehen werden. Inzwischen ist er bei Gladbach Stammspieler, läuft für die U21 auf und steht auf dem Zettel von Jogi Löw. Julian Korb kann zufrieden sein – nur sein digitales Alter Ego macht ihm Sorgen.
Julian Korb, wir erreichen Sie keine zwölf Stunden nach dem Abpfiff der Europa-League-Partie gegen Limassol, und Sie haben schon wieder eine Trainingseinheit in den Beinen. Konnten Sie sich überhaupt erholen?
Das geht schon. Wir haben direkt nach dem Spiel in der Kabine zusammengegessen, um ein paar Kohlenhydrate aufzunehmen. Gegen Mitternacht war ich zu Hause. Es fällt immer schwer, dann direkt einzuschlafen, aber gestern ging das ganz gut. Viel geschlafen habe ich allerdings in der Tat nicht, weil ich heute schon um 10 Uhr wieder in der Kabine war. Aber das tut ganz gut, ein bisschen Bewegung, ein bisschen mit den Mitspielern über das Spiel sprechen. Und den verpassten Schlaf kann ich heute noch nachholen.
Worüber spricht man am nächsten Tag im Mannschaftskreis, wenn man so ein Spiel nochmals Revue passieren lässt?
Man unterhält sich einfach darüber, was gut gelaufen und was vielleicht nicht so gut gelaufen ist. Was man vielleicht auch schon in Hinsicht auf das Bayern-Spiel besser machen kann. Und es gibt immer auch lustige Szenen in einem Spiel, über die man dann am Tag drauf noch mal scherzt.
Gab es eine bestimmte Szene aus dem Spiel gegen Limassol, über die Sie heute noch schmunzeln mussten?
Es gab eine kuriose Ecke. Max (Kruse, d. Red.) wollte kurz ausführen, Ibo (Traoré, d. Red.) hat den Ball dann durch die Beine laufen lassen, ohne ihn zu berühren. Er wollte wohl, dass Max die Kugel direkt wieder aufnimmt. Das ist natürlich eigentlich nicht erlaubt. Das war dann heute ein Thema. (Lacht)
Vor dem Spiel gegen Limassol gab es sicher eine Videoanalyse des Gegners. Wie hilfreich ist das wirklich, um sich vorzubereiten? Oder braucht es trotzdem immer ein paar Spielminuten, um zum Beispiel den direkten Gegenspieler einschätzen zu können?
Das dauert eigentlich nicht sehr lange. Und in der Videoanalyse wird tatsächlich auf alles eingegangen, jeder einzelne Gegenspieler vorgestellt. Wie groß ist der Spieler, welcher ist der starke Fuß, was sind seine generellen Stärken und Schwächen. Es ist natürlich schon etwas anderes, wenn man gegen jemanden spielt, den man schon kennt oder den man Woche für Woche in der Sportschau sieht. Aber das kenne ich noch gut aus dem Juniorenbereich. Das dauert nur ein paar Minuten, dann hat man ein Gefühl für den Gegenspieler entwickelt.
Kommt es vor, dass man auf einen bereits bekannten Spieler trifft und merkt: Der hat heute keinen guten Tag erwischt?
Davon darf man sich nicht täuschen lassen. Auch wenn ein Spieler mal einen nicht so guten Tag zu haben scheint. In der Bundesliga kann man seinen Gegenspieler 89 Minuten im Griff haben. Wenn er dann trotzdem die eine gute Aktion hat, kann das Spiel schon verloren sein. Man muss einfach immer hellwach sein. Die Erleichterung kommt dann erst nach dem Schlusspfiff.
Am Sonntag geht im Spitzenspiel gegen Bayern München. Haben Sie sich deren Champions-League-Spiel in Rom angeschaut?
Champions League schaue ich eigentlich immer. Diesmal natürlich mit besonderem Augenmerk auf die Bayern.
Schauen Sie diese Spiel wie ein ganz normaler Fan oder achten Sie auf etwas Bestimmtes?
Beim Bayernspiel habe ich auf die ganze Mannschaft geschaut. Wie bewegt sie sich im Kollektiv, wie hoch steht die Abwehr und wo beginnt sie, den Gegner anzulaufen. Ansonsten versuche ich schon darauf zu achten, wie die Spieler auf meiner Position als Rechtsverteidiger agieren.
Worauf genau achtet man dabei?
Auf die gesamte Spielauslegung. Auf die Laufwege, auf Gewohnheiten im Spielaufbau oder Pressing.
An welchen Spielern orientieren Sie sich besonders, wenn Sie Champions-League-Spiele der deutschen Mannschaften gucken?
Das sind vor allem David Alaba, Philipp Lahm und Lukasz Piszczek. Ihnen gelingt die Balance zwischen Defensive und Offensive. Das ist der Schlüssel für einen Außenverteidiger. Die erste Pflicht ist natürlich die Abwehrarbeit. Aber wie diese drei es schaffen, auch offensiv Akzente zu setzen, ist beeindruckend. Da schaue ich gern zu und versuche wiederkehrende Muster zu erkennen, die auch mir helfen könnten.
Ihr Trainer Lucien Favre gilt als akribischer Arbeiter, der an jedem Detail feilt. Marco Reus hat er beigebracht, beim Dribbling auf die Fußstellung der Verteidiger zu achten. Dante sollte nur noch auf den Vorderfüßen stehen, um schneller antreten zu können. An welchen Details arbeitet er mit Ihnen?
Es gibt immer wieder Kleinigkeiten, die ihm im Spiel auffallen und die er anspricht. Ein Detail, auf das er uns Außenverteidiger hingewiesen hat, ist zum Beispiel, mit welchem Fuß wir versuchen sollen, Flanken zu verhindern. Wenn also ein Linksaußen mit seinem linken Fuß versucht zu flanken, sollen wir nicht versuchen mit dem linken Fuß abzuwehren, sondern mit dem rechten.
Warum das?
Wenn man in so einer Situation versucht, den Ball mit dem linken Fuß zu blocken, geht der Ball oft durch die Beine. Und wenn man mal darauf achtet, bei anderen Spielen und Spielern, dann stimmt das tatsächlich.
Offenbar waren Sie ein gelehriger Schüler. Mittlerweile sind Sie Stammspieler in der Bundesliga, laufen für die U21 auf und selbst die Tür zu Jogi Löw scheint offen zu sein. Dabei sollten Sie vor der vergangenen Saison noch verliehen werden. Es fand sich aber kein Abnehmer. Gab es wirklich keine Angebote?
Angebote gab es schon, aber keines, bei dem ich und der Verein gesagt hätten, das ist ein guter Schritt. Im Rückblick war das natürlich ein glücklicher Umstand. Ich habe im Training immer weiter meine Leistung gebracht und nicht aufgesteckt. Und im Fußball geht es dann eben schnell. Das ist kaum zu erklären.
Die ersten acht Bundesligaspiele der Saison 2013/14, in denen Sie mitgewirkt haben, blieb Gladbach ungeschlagen.
Das war fast schon etwas unheimlich. Da gab es in der Kabine natürlich auch den ein oder anderen Spruch, nach dem Motto: „Mit dir in der Startelf kann uns ja gar nichts passieren!“
Im Sommer wechselte dann mit Fabian Johnson ein Spieler zu Gladbach, der für die USA bei der WM als Rechtsverteidiger Eindruck hinterlassen hat. Macht man sich da Gedanken?
Ich habe in der vergangenen Saison die meisten Spiele gemacht. Wenn dann ein neuer Spieler kommt, sagt man natürlich nicht: „Alles klar, mach du mal, du kannst spielen und ich setze mich auf die Bank.“ Ich bin schon ein paar Jahre hier im Verein, weiß was der Trainer verlangt. Insofern war ich da nicht groß in Sorge. Jeder bekommt seine Chance, ob er nun ein neuer Spieler ist oder nicht. Entscheidend ist am Ende immer die Leistung.
Ihr Vater Michael Korb war ebenfalls Profifußballer und hat in der 2. Liga unter anderem für Duisburg und Union Solingen gespielt. Sein letztes Spiel absolvierte er allerdings glatte drei Jahre vor Ihrer Geburt. Haben Sie je Videos von ihm gesehen oder sind Sie auf die Erzählungen seiner Heldentaten angewiesen?
Videoaufnahmen habe ich leider nie gesehen. Aber er erzählt auch nicht großartig von früher. Wenn ich ihn mal darauf anspreche, dann sagt er meistens: Da kann ich mich schon gar nicht mehr dran erinnern. Mein Vater ist da ziemlich entspannt. Er schaut zwar alle meine Spiele, aber er ist nicht einer dieser Väter aus der Kategorie „Härtester Kritiker“.
Apropos Kritik. In unserem aktuellen Heft „Spieler machen 11FREUNDE“ beklagen Sie sich augenzwinkernd über ihre Stärkepunkte beim Videospiel Fifa15. Was läuft da falsch? Welche Werte stimmen denn überhaupt nicht?
Ich kann immerhin einigermaßen geradeaus laufen. Das klappt schon mal. Die genauen Werte habe ich mir aber gar nicht so genau angeschaut, weil ich meistens mit anderen Mannschaften spiele. Wenn ich mit Gladbach spiele, habe ich keine Chance gegen die Jungs, die immer Real Madrid oder Barcelona nehmen.
Am Sonntag spielen Sie mit Gladbach gegen die Bayern. Können Sie der Liga Hoffnung machen?
Da gibt es eigentlich nicht viel zu sagen. Klar, die Bayern haben in Rom super gespielt, gehören zu den besten Mannschaften der Welt. Wir wissen natürlich auch die aktuelle Situation und damit auch die Tabellensituation realistisch einzuschätzen. Daher haben wir Respekt vor den Bayern, werden aber dennoch auch mutig sein. Aber sie kommen zu uns, und auch dieses Spiel beginnt bei 0:0. Wir wollen einfach alles in die Waagschale werfen, dann werden wir sehen, wozu es reicht.