Heute wird Eike Immel 60 Jahre alt. Wir sprachen einst mit ihm über die Tiefen und Höhen seiner Karriere, über Reue und die Kunst, aufzustehen. Und über seine Entscheidung, kurz vor der WM 1990 zurückzutreten.
Hinweis: Das Interview erschien erstmals 2009.
Eike Immel, bereits als 17-Jähriger standen Sie erstmals bei einem Bundesligisten zwischen den Pfosten. Mit Borussia Dortmund schlugen Sie 1978 den großen FC Bayern mit 1:0. Sepp Maier soll Ihnen nach dem Spiel gratuliert haben.
Ich weiß gar nicht mehr, ob er mir gratuliert hat. Es gibt ja ein Bild, auf dem mir Sepp Maier nach dem Spiel die Hand gibt, aber das hätte er wahrscheinlich auch gemacht, wenn wir 5:0 verloren hätten.
Trotzdem: Wird einem da nicht ein bisschen anders?
Natürlich war das ein Wahnsinnserlebnis. Ich kam aus einem kleinen Dorf mit 600 Einwohnern und war noch gar nicht lange in Dortmund. Es war ja fast ein Einsatz über Nacht, weil sich Horst Bertram verletzt hatte. Und dann mache ich da so ein Spiel. Im Hinblick auf die negativen Dinge, die dann passiert sind, wäre es vielleicht besser gewesen, wenn das erste Spiel nicht so spektakulär verlaufen wäre. Aber man muss es nehmen wie es kommt, und böse bin ich darüber ganz sicher nicht.
Sie galten als herausragendes Talent, aber auch als jemand, der noch Flausen im Kopf hat. Sie sollen zum Beispiel mehrere Autos zu Schrott gefahren haben. Stimmt das überhaupt?
Man kann ja schlecht sagen, es stimmt alles nicht. Viele Sachen wurden allerdings auch an den Haaren herbeigezogen oder überspitzt dargestellt. Ich war eigentlich ein ganz normaler Kerl, der relativ früh Erfolg hatte. Dann habe ich eine Vorliebe für schnelle Autos entwickelt, womit ich sicherlich nicht der einzige war. Bestimmt habe ich da Fehler gemacht, aber die Wirklichkeit war wesentlich harmloser als das mediale Echo darauf.
Wie war es denn in Wirklichkeit?
Wo soll man denn da anfangen? Es ging ja nicht nur um schnelle Autos, es ging ja auch ums Zocken. Sie dürfen nicht vergessen, dass die Profis heute wesentlich besser beraten sind als wir damals. Ich hatte vor den Medienvertretern überhaupt keinen Schutz, und mit 17, 18 Jahren war ich dann natürlich ein gefundenes Fressen – insbesondere für einen speziellen Freund von der »Bild«-Zeitung. Wenn heute einer ein Auto zu Schrott fährt, ist das nach zwei Tagen aus den Medien verschwunden. Bei mir wurde mehrere Wochen allein die Tatsache verhandelt, dass es sich bei dem Auto um einen Porsche Turbo handelte. Für mich war das ein regelrechter Spießrutenlauf. Ich war damals sehr jung, und ich denke, junge Menschen dürfen auch mal einen Fehler machen.
Und wie kam es zu den »Zocker«-Schlagzeilen nach der WM ‚82?
Die Geschichte war ein bisschen anders, als sie kolportiert wurde. Ich glaube, Uwe Reinders hat nach seinem Einwurftor den Stein ins Rollen gebracht, indem er irgendwann an der Theke sagte: »Wenn ich dem Paul Breitner viel Geld beim Pokern abnehmen kann, dann kann ich dem Jean-Marie Pfaff auch einen Ball ins Tor werfen.« Das alarmierte natürlich alle Journalisten, woraufhin unter den Nationalspielern ein Rundruf gemacht wurde, dass bloß niemand etwas sagen soll. Ich war zu der Zeit allerdings dummerweise mit Borussia Dortmund auf einem Turnier bei Athletico Madrid, und da es noch keine Handys gab, war ich dann der einzige, der nicht bescheid wusste. Als mich die Reporter darauf ansprachen, habe ich gesagt, dass gespielt worden sei, aber nur zur Unterhaltung. Die Überschrift lautete dann: »Immel sagt: Es wurde gezockt.« Und schon steckte ich in einer Schublade.
Es soll um hohe Summen gegangen sein.
Wir haben Karten gespielt, und wir haben auch um Geld gespielt, das ist alles gar keine Frage. Aber es ist alles in einem vernünftigen Rahmen geblieben, dabei ist niemand arm oder reich geworden. Es war ein Zeitvertreib. Bei der WM in Spanien zum Beispiel waren wir völlig kaserniert. Wir hatten abends nie frei, wir durften keinen Besuch von unseren Frauen bekommen, und Karten spielen war eine der wenigen Möglichkeiten – vielleicht eine schlechte –, die Zeit zu überbrücken. Schade finde ich, dass man zwanzig Jahre Fußball spielt, und das was übrig bleibt, ist: Der hat gezockt und zwei Autos kaputtgefahren.
Zumal das ganz zu Beginn Ihrer Karriere war.
Ich war 19, vielleicht 20 Jahre alt und danach ist so etwas nie wieder vorgekommen, das ist eigentlich der absolute Wahnsinn. Ich habe dann ja auch geheiratet und Kinder bekommen, bin ruhiger und gelassener geworden, aber diese alten Kamellen werden immer wieder aufgewärmt. Wenn man immer nur solche Dinge über sich liest, ist das schon ziemlich schlimm. Man wird reduziert auf zwei, drei Ereignisse aus der Jugend.
Ärgern Sie sich rückblickend darüber, dass Ihnen diese Dinge passiert sind?
Sehen Sie, ich bin mit meiner Karriere sehr zufrieden. Sicherlich würde ich heute die eine oder andere Entscheidung anders treffen. Aber hinterher ist man immer schlauer. Da kann man nur die Leute bewundern, die von sich sagen, sie würden alles noch mal ganz genauso machen.