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Gian­luca Vialli, am Samstag spielt Juventus Turin gegen den FC Bar­ce­lona im Cham­pions-League-Finale. Das letzte Mal, als Juve den Titel gewann, 1996 gegen Ajax Ams­terdam, waren Sie noch als Spieler dabei. Kommen da Erin­ne­rungen hoch?
Ja, das war ein wich­tiges Spiel in meiner Kar­riere. Damals war es noch schwie­riger die Cham­pions League zu gewinnen, du brauch­test zwei gute Jahre dafür. Du muss­test ja erst einmal Meister werden und danach noch einmal eine gute Euro­pa­po­kal­saison spielen.

Das Finale fand damals in Rom statt. Wie wurden Sie dort als Nord­ita­liener emp­fangen?
Es war fast wie zu Hause zu spielen. Im Olym­pia­sta­dion hatten wir alle schon gespielt, auch unsere Fans kannten es gut, die Atmo­sphäre war zu unseren Gunsten. Es war aber auch eine spe­zi­elle Atmo­sphäre.

Warum?
Juve hatte seinen ersten Euro­pa­pokal der Lan­des­meister 1985 gegen Liver­pool gewonnen, im Heysel-Sta­dion (39 Men­schen starben damals, 400 Fans wurden bei einer Mas­sen­panik ver­letzt; Anm. d. Red.). Das war kein Fest, son­dern eine Tra­gödie. Wir Spieler spürten, dass wir für die Fans gewinnen mussten, für die es war, als hätten sie den Titel noch nie geholt. Es lag viel Anspan­nung und Hoff­nung in der Luft.

Im Vor­jahr hatte Juventus das Uefa-Pokal-Finale gegen den AC Parma ver­loren. War das auch eine zusätz­liche Moti­va­tion?
Nein, unser Pro­blem war Ajax, nicht Parma.

Die Hol­länder waren damals Titel­ver­tei­diger, eine Mann­schaft mit Edwin van der Sar, Frank und Ronald de Boer, Edgar Davids, Jari Lit­manen und Patrick Klui­vert. Furcht­ein­flö­ßend, oder?
Wir hatten viel Respekt, aber nie Angst. Wir haben ver­sucht, unser Spiel durch­zu­ziehen, intensiv und mit hohem Rhythmus, fast wie Ajax.

Ams­terdam war mit seinem Kurz­pass­spiel stil­prä­gend, der FC Bar­ce­lona spielt bis heute nach diesem Vor­bild. Wie schwer war es, dagegen anzu­kommen?
Es war sehr kom­pli­ziert. Sie hatten so viel Ball­be­sitz, da muss­test du viel rennen, um dich zu ver­tei­digen. Ich habe das Spiel neu­lich noch einmal gesehen. Was sind wir damals gerannt!

Warum haben Sie es sich noch einmal ange­sehen? Nost­algie?
Ich bin Fernseh-Experte bei Sky Italia, als Vor­be­rei­tung auf das Finale in Berlin haben sie es mir dort vor zwei Wochen noch einmal gezeigt.

Wie war es, sich das Spiel noch einmal anzu­sehen?
Wenn du das Resultat schon kennst und weißt, dass alles gut­ge­gangen ist, ist es sogar fast ange­nehm. Aber was bleibt, ist die Selbst­kritik, du ana­ly­sierst das Spiel auch mehr als Trainer als noch zu Spie­ler­zeiten.

Sie hätten das Spiel in der zweiten Halb­zeit ent­scheiden können, hatten van der Sar schon umrundet, aber trafen nur das Außen­netz. Bricht da die Selbst­kritik beson­ders durch?
Klar hätte ich gerne das Siegtor erzielt. Aber im Elf­me­ter­schießen war es fast noch schöner zu gewinnen. Wenn es schief gegangen wäre, wie vier Jahre zuvor mit Sampdoria Genua gegen Bar­ce­lona, dann läge ich viel­leicht heute noch nachts wach. Aber viel­leicht wäre es zuviel gewesen, auch noch den Sieg­treffer zu schießen.

Das Spiel ging gut los für Juventus, Fabrizio Rava­nelli traf schon nach elf Minuten, als van der Sar und de Boer sich am Straf­raumeck gegen­seitig behin­derten. Wie erin­nern Sie sich daran?
Das war ein schönes, schwie­riges Tor. Es war ein Abwehr­fehler, aber Rava­nelli hat ihn pro­vo­ziert, weil er da war, und dann aus sehr spitzem Winkel getroffen hat. Wir wollten ihn danach umarmen, aber er ist uns ent­wischt, weil er zur Juve-Kurve am anderen Ende des Spiel­feldes rannte.

Viel­leicht hat Rava­nelli Sie nur nicht gesehen, weil er das Trikot über den Kopf gezogen hatte?
Ja, das war sein Mar­ken­zei­chen.

Jari Lit­manen erzielte noch in der ersten Halb­zeit den Aus­gleich. Angelo Per­uzzi hatte einen Frei­stoß nach vorne klat­schen lassen und der Finne erzielte im Gewühl sein neuntes Tor im Wett­be­werb. Ein Rück­schlag?
Das war ein Miss­ver­ständnis, unsere ein­ziger Abwehr­fehler im Spiel. Aber besser, ein Gegentor fünf Minuten vor der Pause zu kas­sieren als fünf Minuten danach. Mar­celo Lippi hat in der Kabine die rich­tigen Worte gefunden.

Was hat Ihr Trainer gesagt? Wie groß war der Anteil von Lippi, der Ita­lien zehn Jahre später zum Welt­meis­ter­titel führte?
Ich weiß nicht mehr, was er sagte, aber erin­nere mich noch wie wir stärker und selbst­be­wusster aus der Kabine kamen. Lippi ist einer dieser Mes­sias-Trainer, die cha­ris­ma­tisch sind, per­fekt vor­be­reitet, die rich­tige Men­ta­lität haben, eine Gruppe führen und ihr Ver­ant­wor­tung über­tragen können. Ein großer Trainer.

Sie spielten damals im Sturm mit Ales­sandro del Piero und Rava­nelli. Ein töd­li­ches Trio, oder?
Wir waren einer der ersten Mann­schaften, die mit drei Stür­mern spielten und unser Zeit voraus. Wir mussten uns opfern und viel laufen, aber waren auch effektiv vor dem Tor. Aber was mussten damals wir laufen!

Paulo Sousa, Didier Des­champs und Antonio Conte im defen­siven Mit­tel­feld sind doch hinter Ihnen sicher viel für Sie mit­ge­laufen?
Ja klar, das half. Aber wir haben, glaube ich, mehr ihnen geholfen als umge­kehrt.

In der zweiten Halb­zeit und in der Ver­län­ge­rung fiel dann kein Tor mehr. Ging da die Kraft aus?
Nein, beide Mann­schaften haben bis zuletzt alles gegeben und nicht auf das Elf­me­ter­schießen spe­ku­liert. Wir hatten aber die bes­seren Mög­lich­keiten und den Sieg nach 120 Minuten mehr ver­dient.

Sie waren Kapitän und Tor­jäger, traten aber trotzdem nicht an im Elf­me­ter­schießen. Warum?
Ich hatte die letzten beiden Elf­meter im Römer Olym­pia­sta­dion ver­schoßen. In der Natio­nalelf ging der Ball an den Pfosten, auch für Juventus hatte ich ver­schossen und mich dabei am Fuß ver­letzt. Ich fühlte mich nicht sehr gut, aber habe mich dem Mister (Trainer, Anm. D. Red.) zur Ver­fü­gung gestellt. Er sagte später, wir hätten gewonnen, weil jeder Elf­meter schießen wollte. Ich wäre als siebter Schütze ange­treten, man muss ja Ver­ant­wor­tung über­nehmen, aber gut, dass ich keinen Fehler mehr machen konnte.

Sie mussten nicht mehr antreten, weil Angelo Per­uzzi gegen Edgar Davids und Sonny Silooy parierte.
Angelo Per­uzzi war ein großer Elf­me­ter­tor­hüter. Einer der besten Tor­hüter, mit denen ich je spielen durfte, zusammen mit Gian­luca Pagliuca und Walter Zenga. Wenn du ihn hinter dir im Tor stehen hat­test, fühl­test du dich fast unbe­siegbar.

Obwohl Per­uzzi nur 1,81 Meter groß war und Zeit seiner Kar­riere mit seinem Gewicht zu kämpfen hatte?
Ich habe Tor­hüter nie nach ihrer Kör­per­größe bewertet. Er war groß genug für große Paraden.

Haben Sie den Titel­ge­winn dann groß gefeiert?
Nein, es gab über­haupt keine Party. Wir sind gleich am Abend in Rom ins Flug­zeug gestiegen und am nächsten Tag weiter nach Vietnam geflogen.

Par­ty­ur­laub?
(lacht) Nein, über­haupt nicht, wir wollten zu Hause feiern, aber es waren leider gar keine Fei­er­lich­keiten orga­ni­siert. Wir flogen auf Tournee, um mit Freund­schafts­spielen etwas Geld zu ver­dienen, wir waren eine der ersten Mann­schaften, die so etwas machte.

Sie sind einer der wenigen Spieler, der alle drei Euro­pa­po­kale gewinnen konnte. Was bedeutet Ihnen das?
Ich bin auch oft Zweiter geworden. Es war nie ein­fach. Beim ersten Mal bin ich immer geschei­tert, beim zweiten Mal ging es gut. Aber am Ende ist es nur ein Fuß­ball­spiel.

Sie wech­selten 1996 zum FC Chelsea. Juventus stand in den beiden Fol­ge­jahren wieder im Finale, konnte den Titel aber nicht mehr gewinnen, bis heute nicht. Weil Sie nicht mehr da waren?
Nein, ich glaube, es lag nicht daran, dass ich nicht mehr da war. Das Finale ist ein­fach schwierig und Borussia Dort­mund 1997 und Real Madrid 1998 waren starke Gegner.

Gelingt es Juventus denn 2015? Werden Sie gegen Bar­ce­lona dabei sein?
Ja, ich bin als Sky-Experte in Berlin. Im Fuß­ball kannst du immer gewinnen, du musst nur daran glauben und bis zum Schluss alles geben. Bar­ce­lona ist der Favorit, aber wenn Juve gut spielt, Bar­ce­lona schlecht und Turin etwas Glück hat, können die Ita­liener gewinnen.

Kann sich die heu­tige Mann­schaft etwas abgu­cken vom Juve-Team 1996? Etwa, wie man einen Gegner, der ständig den Ball hält, berennt?
Nein. Ajax hatte damals weder Neymar noch Messi noch Suarez. Das war etwas weniger kom­pli­ziert.

Wie sehen Sie als frü­here Angreifer die Sturm­reihen? Neymar, Messi und Suarez bei Bar­ce­lona, Tevez und Morata bei Juve?
Sie sind alle stark und gehören zu den zehn besten Stür­mern der Welt. Messi spielt heute wirk­lich wie Mara­dona, er ist nicht mehr nur effektiv, son­dern bringt eine große Per­sön­lich­keit und Inten­sität auf den Platz. Mit Suarez und Neymar bildet er ein fan­tas­ti­sches Trio. Ohne Eifer­süch­te­lein arbeiten sie für die Mann­schaft und bringen dadurch Balance. Das­selbe gilt für Tevez und Morata.

Sie rieten Juventus Turin bereits, vom FC Chelsea zu lernen und den Bus vor dem Tor zu parken.
Ich sagte, sie müssen gut ver­tei­digen, das ist der Schlüssel gegen eine so starke Mann­schaft. Aber Juve muss auch atta­ckieren, damit die Spa­nier beginnen, an sich zu zwei­feln. Dafür braucht es Ver­tei­di­gung, Konter, großen Ein­satz und Mut.