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Piotr Tro­chowski, tau­schen Sie gerne Tri­kots? 
Piotr Tro­chowski: Wenn es sich anbietet: Warum nicht?! 

Bayer Lever­ku­sens Sport­di­rektor Rudi Völler verbot seinen Spie­lern zuletzt einen Tri­kot­tausch mit Bar­ce­lonas Lionel Messi. 
Piotr Tro­chowski: Habe ich mit­be­kommen. Hier dürfen wir tau­schen, wie und wann wir wollen. Aller­dings wird hier auch nicht so ein Rummel um Messi- oder Ronaldo-Tri­kots ver­an­staltet. Schließ­lich spielt jede La-Liga-Mann­schaft min­des­tens zweimal pro Saison gegen den FC Bar­ce­lona und Real Madrid.

Erklären Sie uns: Wie ver­hin­dert man gegen Bar­ce­lona sieben Gegen­tore?
Piotr Tro­chowski: Lever­kusen machte den Fehler, zu sehr mit­spielen zu wollen. Gegen Bar­ce­lona musst du aber ver­tei­digen, du musst arbeiten, 90 Minuten lang. Und dann bieten sich gele­gent­lich Mög­lich­keiten für Konter. Wobei das auch sehr frus­trie­rend sein kann, denn sobald du einen Ball mit viel Mühe eroberst hast, weißt du: So und jetzt sind’s noch 70 Meter bis zum geg­ne­ri­schen Tor. Da fehlt dir dann oft die Kraft.

Der FC Sevilla spielte diese Saison 0:0 im Nou Camp. Ein ver­dienter Punkt? 
Piotr Tro­chowski: Ganz ehr­lich: Wir hatten eine Menge Glück, Messi ver­schoss in der 92. Minute einen Elf­meter und auch sonst waren wir klar unter­legen. Und zur Ver­tei­di­gung von Lever­kusen muss ich sagen, dass sich die Ball­be­sitz­werte aus jenen Cham­pions-League-Par­tien nicht groß von Barca-Spielen in der Pri­mera Divi­sion unter­scheiden. Auch hier hast du häufig 20 zu 80 Pro­zent Ball­be­sitz. Oder, wenn’s gut läuft, 25 zu 75.

Macht Messi allein den Unter­schied? 
Piotr Tro­chowski: Messi. Geboren, um eine Legende zu werden. Natür­lich ist er ein groß­ar­tiger Spieler, ver­mut­lich der beste Spieler der Welt. Aber Bar­ce­lona ist auf jeder Posi­tion ver­dammt gut besetzt. Schauen Sie sich etwa Xavi, Andres Iniesta oder Carles Puyol an.

Der FC Sevilla hatte in der Ver­gan­gen­heit auch viele große Spieler in seinen Reihen: Diego Mara­dona, Javier Saviola oder Bebeto. Wie sehr setzt man sich als Spieler vor einem Wechsel eigent­lich mit der His­torie eines Klubs aus­ein­ander?
Piotr Tro­chowski: Der HSV hat auch ja keine schlechte His­torie (lacht). Natür­lich hat mich das Angebot des FC Sevilla gereizt, auch weil der Klub eine große Geschichte hat. Außerdem wollte ich immer schon nach Spa­nien. Die Pri­mera Divi­sion ist für mich nach wie vor die beste Liga der Welt.

Hatten Sie vor Ihrem Wechsel Kon­takt zu Andreas Hinkel, der zwi­schen 2006 und 2008 für den FC Sevilla spielte?
Piotr Tro­chowski: Wir haben dreimal tele­fo­niert. Er hatte damals eine schwie­rige Zeit, denn er kam kaum zu Ein­satz. Sein Kon­kur­rent beim FC Sevilla hieß Dani Alves. Den­noch hat er in höchsten Tönen von der Stadt gespro­chen. Außerdem stu­diert ein Kumpel von mir in Sevilla, der mich ein wenig auf das Leben in Spa­nien vor­be­rei­tete. Sie haben alle recht behalten: Hier ist es um einiges ent­spannter als in Deutsch­land, hier spielt sich sehr viel auf der Straße ab und die Leute können nach der Arbeit oder dem Trai­ning auch mal abschalten. In Deutsch­land stand ich ständig unter Strom. 

Spre­chen Sie schon Spa­nisch? 
Piotr Tro­chowski: Ja und es wird auch immer besser. Ich lerne.

Wie denn? 
Piotr Tro­chowski: Als Fuß­baller ver­bringt man ja viel Zeit im Auto. Dort lässt man sich dann nor­ma­ler­weise mit Musik berie­seln. Ich kaufte mir also im April 2011 eine Lern-CD, und seitdem redet auf jeder Autor­fahrt eine Stimme auf Spa­nisch. Und auch wenn mir die Akzente und Slang-Voka­blen noch Schwie­rig­keiten bereiten, kann ich sagen: Es wird besser. Seit meinem Wechsel weiß ich jeden­falls, wie schwer es manche ehe­ma­lige HSV-Mit­spieler aus dem Aus­land gehabt haben müssen. 

Was war noch gewöh­nungs­be­dürftig für Sie? 
Piotr Tro­chowski: Wenig. Ich habe jeden­falls keinen Kul­tur­schock erlebt. Eher einen Tem­pe­ra­tur­schock. Momentan ist es regel­recht frisch, wir haben gerade 27 Grad. Im ver­gan­genen Sommer war es hin­gegen echt hart, da konn­test du dich bei 40 Grad im Schatten kaum bewegen. Tags­über half nur: Gar­dine zu – und auf das Trai­ning am Abend warten.

Und wie kommen Sie mit den Jour­na­listen zurecht?
Piotr Tro­chowski: Das Ver­hältnis ist gut. Wobei ich sagen muss, dass ich gar nicht so viel Zei­tung lese. Einmal war’s aller­dings kurios. Ich befand mich im April 2011 auf dem Weg nach Sevilla, um den Ver­trag zu unter­schreiben. Der Flug ging über Mal­lorca. Dort erkannten mich einige Leute, Fans, so dachte ich. Sie machten ein Foto mit mir. Am nächsten Tag schlug ich die Zei­tung auf und erblickte eben jenes Bild. Aber ganz ehr­lich: Es gibt Schlim­meres.

Ich dachte, es wären Fans“ – Piotr Tro­chowski und die spa­ni­schen Jour­na­listen (Bild: Privat)

Herr Tro­chowski, Sie haben mal auf die Frage, warum Ihre Brüder nicht in der Bun­des­liga spielen, geant­wortet: Ihnen fehlt Glück.“ Ist das tat­säch­lich so: Braucht ein Pro­fi­fuß­baller vor allem Glück?
Piotr Tro­chowski: Er benö­tigt vor allem Durch­hal­te­ver­mögen. 

Wie war das denn bei Ihnen, als der FC Bayern Sie 1999 ver­pflich­tete? War das Glück oder Durch­hal­te­ver­mögen?
Piotr Tro­chowski: Ich war damals 15 Jahre alt, und mit einem Mal hatte ich etliche Optionen. Ich hätte zum HSV oder zu Borussia Dort­mund gehen können. Schließ­lich wech­selte ich zum FC Bayern Mün­chen. War das Glück? Viel­leicht war es Glück, dass ich zur rich­tigen Zeit am rich­tigen Ort war. Der FC St. Pauli, bei dem ich sei­ner­zeit spielte, war eine der besten deut­schen Adressen im Jugend­be­reich.

Meister! Piotr Tro­chowski bei Con­cordia Ham­burg. Mit 13 Jahren wech­selte Trovhowski zum FC St. Pauli. (Bild: Privat)

Karl-Heinz Rum­me­nigge sagte nach Ihrem Wechsel: Wir würden ver­sagen, wenn wir es nicht schaffen, Tro­chowski im Pro­fi­team zu eta­blieren.“ Hat der FC Bayern ver­sagt?
Piotr Tro­chowski: Was heißt ver­sagt? Ich fühlte mich 2005 bereit, den nächsten Schritt zu machen. Mein dama­liger Trainer Felix Magath sah das viel­leicht anders. Also wech­selte ich zum HSV. 

Ein Jahr später nahmen Sie bei­nahe im Allein­gang den FC Bayern aus­ein­ander. Sie berei­teten einen Treffer vor, das 2:0‑Siegtreffer erzielten Sie mit einem sehens­werten Distanz­schuss. Sie spielten die Partie und das Tor damals her­unter. Hand aufs Herz: Wie viel bedeu­tete Ihnen dieser Treffer?
Piotr Tro­chowski: Die Medien hypten das Tor damals tage­lang. Ich wollte schlichtweg nicht den Ein­druck erwe­cken, dass ich nun abheben könnte. Doch klar, das Tor war wichtig für mich. Mit einem Mal war ich überall prä­sent. Ich stand im Fokus. Und mit einem Mal war ich der Junge, der eines sehr gut konnte: Schießen.

Oliver Kahn sagte einmal: Piotr hat einen richtig fiesen Schuss, damit hat er mich schon früher im Trai­ning geär­gert.“ Wie haben Sie Ihre Schuss­stärke und Ihre Beid­fü­ßig­keit trai­niert?
Piotr Tro­chowski: Viel­leicht lag es daran, dass ich mich eines Tages in der Jugend an meinem rechten Fuß ver­letzte und mein Vater sagte: Ver­such’s doch mit links.“ Also trai­nierte ich drei Wochen lang andau­ernd nur Links­schüsse.

Sie haben für das Ham­burger Abend­blatt ein Tage­buch geführt. Dort schrieben Sie 2007: Druck, Druck, Druck, immer dieses Wort“. Die Erwar­tungs­hal­tung in Ham­burg war stets immens hoch, Sie standen häufig im Schatten von Rafael van der Vaart. Haben Sie denn nie Druck gespürt?
Piotr Tro­chowski: Wenn du ein Füh­rungs­spieler sein möch­test, ein Natio­nal­spieler, einer, der vorweg geht, dann bist du immer der Erste, der in der Kritik steht. Das ist völlig normal. Damals, beim HSV, habe ich das nicht immer ver­standen, ich habe mich oft gefragt, warum man mich ständig an den Pranger stellt. Heute gehe ich lockerer damit um, denn ich will diese Rolle des Füh­rungs­spie­lers erfüllen. Ich habe mir sie aus­ge­sucht. 

Sie spielten sieben Jahre beim HSV. Ihr Abschied im Mai 2011 fand den­noch zwi­schen Tür und Angel statt, genauer: Kurz vor dem letzten Sai­son­spiel gegen Borussia Mön­chen­glad­bach. Wie bewerten Sie Ihre Zeit beim HSV rück­bli­ckend?
Piotr Tro­chowski: Ich hatte eine gute Zeit, ich bin Natio­nal­spieler geworden, war Stamm­spieler. Natür­lich hat mich der Abschied ein wenig ent­täuscht. Vor allem, weil Michael Oen­ning mich in jener Partie keine ein­zige Minute spielen ließ. Und dann sah ich später noch, wie Dede oder Nuri Sahin aus Dort­mund ver­ab­schiedet wurden. Ich habe auch immer noch Kon­takt zu einigen HSV-Spie­lern, zu Dennis Aogo etwa. Auch zum Team­ma­nager Jürgen Ahlert. Als der HSV zuletzt ein Trai­nings­lager in Mar­bella abhielt, habe ich die Jungs besucht.

Schauen Sie sich noch Spiele des HSV an?
Piotr Tro­chowski: Gele­gent­lich schaue ich mir die Zusam­men­fas­sungen im Fern­sehen an. Außerdem infor­miere ich mich übers Internet. Sie können mich ruhig fragen: Ich bin auf dem neu­esten Stand.

Wir wollen lieber noch über die Natio­nal­mann­schaft spre­chen.
Piotr Tro­chowski: Gerne. Ich habe aller­dings seit Herbst 2010 nichts mehr von Herrn Löw gehört. Das letzte Län­der­spiel habe ich bei der WM in Süd­afrika bestritten – das Halb­fi­nale gegen Spa­nien. 

Machen Sie sich trotzdem noch Hoff­nungen auf eine EM-Teil­nahme?
Piotr Tro­chowski: Die Hoff­nung stirbt zuletzt. Ich wäre natür­lich wahn­sinnig gern bei der EM in meiner alten Heimat dabei.

Ehe­ma­lige Natio­nal­spieler wie David Odonkor, Timo Hil­de­brand oder Andreas Hinkel gerieten aus dem DFB-Blick­feld, nachdem Sie nach Spa­nien gegangen waren. Haben Sie das Gefühl, dass Sie für Jogi Löw noch prä­sent genug sind?
Piotr Tro­chowski: Seit Hin­kels oder Hil­de­brands Zeit hat sich einiges geän­dert. Heute spielen ja Mesut Özil oder Sami Khe­dira bei einem der besten Klubs der Welt. Ich denke, dass die Ver­ant­wort­li­chen vom DFB schon aus diesem Grund häu­figer nach Spa­nien schauen.

Stimmt es eigent­lich, dass Sie bei­nahe gar nicht für Deutsch­land hätten spielen dürfen?
Piotr Tro­chowski: Nun, ich wäre bei­nahe gar nicht in Deutsch­land geblieben. Wir sind 1989 kurz nach der Wende aus dem pol­ni­schen Tczew nach Ham­burg gekommen. Fünf Jahre später sollte meine Familie abge­schoben werden. Etliche Mit­spieler und Schul­ka­me­raden orga­ni­sierten dar­aufhin eine Demons­tra­tion vor dem Ham­burger Rat­haus. Ich weiß nicht, ob wir des­wegen bleiben durften. Aber letzt­end­lich war der ent­fachte Pres­se­rummel hilf­reich.

Hat sich der pol­ni­sche Ver­band nie um Sie bemüht?
Piotr Tro­chowski: Nein. Ich erin­nere mich noch daran, dass meine Mutter über eine pol­ni­sche Zei­tung in Ham­burg einen Brief an den PZPN schrieb. Ich war damals zwölf oder 13 Jahre alt. Sie bat darum, dass die Scouts mal vor­bei­kämen und sich ein Spiel von mir ansähen. Doch die Scouts kamen nie. Mit 15 war mir dann klar, dass ich für Deutsch­land spielen möchte. Ich hatte in dem Land meine Kind­heit und Jugend ver­bracht, hatte hier meine Aus­bil­dung genossen, meine Freunde wohnten hier. Das war und ist meine Heimat. Und auch wenn ich seit einiger Zeit kein Län­der­spiel gemacht habe, bereue ich die Ent­schei­dung nicht.