Serdar Dursun untermauerte mit vier Treffern am vergangenen Wochenende seine Ansprüche, Torschützenkönig der 2. Liga zu werden. Hier spricht er über seinen Weg von Hamburg über die Türkei nach Darmstadt – und wie es jetzt weitergehen soll.
Serdar Dursun, Sie sind in der vergangenen Woche ins Quarantäne-Trainingslager eingezogen. Wie waren die ersten Tage?
Wir sind am Mittwoch eingezogen, hatten davor Training, am Donnerstag hatten wir zweimal Training. Es ist okay, wie ein Trainingslager eben, das kennt man ja. Aber natürlich mit deutlich weniger direktem persönlichen Kontakt als sonst.
Wie sehen Sie dieses verpflichtende Trainingslager? Was wiegt mehr: das Gefühl von Sicherheit oder die Last der Isolation?
Ich kann die Entscheidung grundsätzlich auf jeden Fall verstehen, denn man will den Schutz nochmal erhöhen und gewährleisten, dass die Saison pünktlich zu Ende gehen kann. Ich kann die Situation nur bei Darmstadt 98 beurteilen, hier hat sich jeder über die gesamte Saison hervorragend an die Regeln gehalten. Es wäre meiner Meinung nach daher eigentlich fast egal gewesen, ob wir von zuhause aus der Quasi-Quarantäne zum Training gehen oder aus dem Trainingslager. Aber natürlich verringert so ein Trainingslager noch ein paar Restrisiken.
Sie treffen am Sonntag auf Holstein Kiel, die um die Aufstieg spielen. Darmstadt ist im sicheren Tabellenmittelfeld, nach oben wie nach unten geht wenig. Sie selbst könnten allerdings Torschützenkönig werden.
Wenn man kurz davor ist, spekuliert man dann natürlich darauf. Vor zwei Wochen war ich noch vor ihm (Simon Terodde, Anm. d. Red.), dann war ich ein bisschen hinter ihm. Aber das letzte Spiel mit meinen vier Toren hat gezeigt: Ich geb’ auf jeden Fall Gas.
Sie haben nicht nur vier Tore erzielt, sondern auch Ihren Abschied offiziell verkündet.
Es war ein sehr emotionaler Tag, weil ich wusste, dass es mein letztes Heimspiel sein wird. Und als ich das direkt nach Abpfiff so richtig realisiert habe, dass es meine vorerst letzte Partie in diesem Stadion war, sind mir auch die Tränen gekommen. Dass ich mich mit vier Toren vom Bölle verabschieden durfte, macht mich sehr glücklich. Noch glücklicher wäre ich gewesen, wenn Fans im Stadion gewesen wären und ich mich persönlich von den Anhängern hätte verabschieden können. Aber das möchte ich nachholen, wenn Zuschauer wieder in die Stadion gelassen werden. Denn ich bin dem Verein sehr dankbar und Darmstadt ist zu meiner zweiten Heimat geworden.
„Auch wegen ihm habe ich so viele Tore geschossen“
Sie haben in 32 Spielen 25 Tore erzielt – gab es zu Beginn der Saison einen Zeitpunkt, an dem Sie gemerkt haben: Oh, diese Saison könnt’s richtig gut laufen?
Auf jeden Fall! In den ersten zwölf Spielen hatte ich neun Tore, da dachte ich schon, dass ich noch einige Tore machen könnte. Im Januar hatte ich leider eine leichte Verletzung und es lief ja allgemein für die Mannschaft nicht gut. Aber seit Februar läuft’s wieder. Es ist ja so: Simon spielt beim HSV, da ist es vielleicht generell etwas leichter Tore zu schießen als in Darmstadt – ohne das Simon gegenüber despektierlich zu meinen oder seine Leistung schmälern zu wollen. Da kommen generell noch mehr Bälle nach vorne. Wir haben zwar auch in diesem Jahr als Verein sehr viele Tore geschossen, aber der HSV hat die beste Offensive der Liga. Was man aber sagen muss: Markus Anfang lässt einen tollen offensiven Fußball spielen, davon profitiert man als Stürmer definitiv. Auch wegen ihm habe ich in diesem Jahr so viele Tore wie noch nie geschossen.
Sie haben in verschiedensten Ligen gespielt. Gibt es einen Unterschied in der Regionalliga, in der türkischen 1. Liga oder in der 2. Liga Tore zu schießen?
Die türkische erste Liga ist sehr hart, da sind gute Fußballer, individuell sehr starke Teams. Die ersten zehn Teams in der Türkei sind wirklich sehr, sehr gut. In der zweiten Bundesliga sind die ersten acht, neun Gegner auch sehr stark. Es ist eine robuste Liga, zweikampfbetont, viel Umschaltspiel. Die türkische erste Liga ist eher technisch stark, aber auch sehr robust. Generell gilt: Umso weiter runter man in den Ligen geht, umso zweikampfbetonter wird es.
Haben Sie einen Verdacht, wieso Simon Terodde die zweite Liga in der Regel kurz und klein schießt, aber in der ersten Liga so selten trifft?
Das kann ich jetzt gar nicht so sagen, er ist für sich ein sehr guter Stürmer, der auch schon in der Bundesliga gezeigt hat, dass er mithalten kann. Er spielt in der zweiten Liga in den letzten Jahren aber immer in den guten Offensivteams. Wenn eine Mannschaft immer um den Aufstieg mitspielt, generell auf ein Tor spielt, dann kommen natürlich viele Bälle in den Sechzehner.
Apropos Tore: Ihr Vorbild ist Zlatan Ibrahimovic, in der Türkei tragen Sie den Spitznamen „Zlatan“. Sie bekamen im vergangenen Jahr sogar eine Videobotschaft von ihm. Was war da los?
Das war wirklich sehr nett von ihm, hat mich sehr gefreut. Er hat in der Videobotschaft gesagt, „Es gibt nur einen richtigen Zlatan“, ein typischer Ibrahimovic-Spruch dann auch von ihm. Und er meinte, „Gib weiter Gas, Junge. Du machst das gut.“
In welchen Punkten sehen Sie Ähnlichkeiten zwischen Ihnen beiden?
Er ist natürlich ein Wahnsinnsstürmer, eine Legende. Alleine auf diese Frage zu antworten, würde ihm nicht gerecht werden. Mit so einer Körpergröße haben nicht so viele Leute eine gute Ballbehandlung, eine gute Technik. Ich würde mich trotz meiner Körpergröße ebenfalls als guten Techniker, als Straßenfußballer beschreiben.
Haben Sie sich was von ihm abgeschaut?
Was heißt abgeschaut, ich gucke natürlich seine Spiele. Ich schaue, was er wie macht, nehme die guten Sachen mit und versuche das natürlich gut zu machen, wie er.