Sandro Schwarz wurde als Trainer von Mainz 05 entlassen. Im August, im Trainingslager, sprachen wir mit ihm über Rassismus im Fußball, unbequeme Disskusionen mit unzufriedenen Spielern und Lachanfälle bei Pressekonferenzen.
Sandro Schwarz: Stimmt die Geschichte, dass Sie gerne Busfahrer geworden wären?
Sagen wir es so: Ich fand’s als Jugendlicher cool, Bus zu fahren. Als ich 12, 13 Jahre alt war, saß ich mit meinen Jungs ganz hinten im Bus, gemeinsam fuhren wir von Bischhofsheim nach Mainz in die Schule. Da dachte ich mir oft: „Ach, es wäre jetzt viel geiler, weiter zu fahren, statt aussteigen und in den Unterricht gehen zu müssen.“ Wenn man sich diesen Gedankengang vor Augen führt, macht der Berufswunsch total Sinn! (Lacht.)
Damals wollten Sie nicht in die Schule gehen, jetzt arbeiten Sie als Fußballlehrer. Halten Sie sich für einen guten Pädagogen?
Zumindest versuche ich so zu arbeiten, dass am Ende alle meine Jungs die Versetzung schaffen. Ich will ihnen die Hilfestellung geben, die sie benötigen, um ihre Aufgaben zu bewältigen. Da ist man als Trainer einem Lehrer gar nicht so unähnlich. Eine weitere Parallele: Es geht in meinem Job nicht um mich. Nie. Es geht um meine Spieler – und um Mainz 05.
Haben Sie sich mal dabei ertappt, einen Spieler einfach nicht zu mögen?
Nein, echt nicht. Ich bin noch nie zur Arbeit gefahren und dachte: Hoffentlich ist Typ XY bald weg.
Aber Sie können ja unmöglich alle 30 Spieler sympathisch finden.
Ich kann auch nicht alle 30 Spieler gleich behandeln. Und natürlich gibt es manchmal Konflikte mit Spielern, die sich ungerecht behandelt fühlen, weil sie wochenlang nur auf der Bank hocken. Aber erstens geht es da um sportliche Dinge und zweitens ist es dann an mir, die Kommunikation zu suchen, meine Entscheidungen möglichst gut zu begründen. Dann wird der Spieler zwar immer noch angesäuert sein, ich stand lange genug selber auf dem Platz, um zu wissen, wie das läuft. Aber ich bin fest davon überzeugt, dass ehrliche und offene Gespräche dazu führen, dass man trotzdem gut miteinander auskommt. Nehmen wir das Beispiel Giulio Donato.
Donati sollte den Verein eigentlich schon im vergangenen Sommer verlassen.
Es war ganz klar kommuniziert, dass er gehen kann. Wir hatten alles miteinander besprochen. Dann hat sich sein Transfer zerschlagen – und im Februar kam plötzlich der Moment, in dem ich ihn brauchte. Giulio war sofort da. Was auch daran lag, dass zwischen uns nichts kaputt gegangen, nichts komisch war. Er saß fast ein halbes Jahr auf der Tribüne, aber hat sich immer extrem professionell verhalten. Als Trainer muss ich meine Spieler bewerten, und das kann für einzelne unangenehm sein. Aber Ehrlichkeit und Offenheit machen sich am Ende immer bezahlt.
Wann sagen Sie einem Spieler, dass er es nicht in den 18er-Kader für ein Bundesligaspiel geschafft hat?
Wenn wir an einem Samstag spielen, findet am Freitag das Abschlusstraining statt. Nach der Einheit versammele ich die Jungs auf dem Platz und gebe in der Runde den Kader bekannt.
Sie lesen 18 Namen vor – und wenn der eigene Name nicht fällt, hat man es nicht gepackt?
Ich lese überhaupt nichts vor. Ich habe keinen Zettel, ich schreibe mir nichts auf, ich gehe keine Liste durch. Ich spreche die Spieler direkt an. Hätte ich einen Zettel, würde das ja so aussehen, als hätte ich schon vor dem Abschlusstraining alles vorbereitet gehabt, so als seien alle Entscheidungen im Vorfeld getroffen worden. Das ist meistens nicht so und wäre auch nicht gut für die Motivation der Spieler.
Aber Sie entscheiden doch nicht erst alles spontan beim letzten Training…
Nein, ich habe den Kader natürlich grob im Kopf. Die zwei Torhüter sind meistens eh klar, und von den 16 Feldspielern, die ich nominieren kann, stehen die meisten in der Regel auch schon fest. Aber für die restlichen Kaderplätze kann der frische Eindruck entscheidend sein. Gleichzeitig ist es auch schon vorgekommen, dass ich vor dem Abschlusstraining einen Spieler bei Seite genommen und ihm gesagt habe, dass er nicht dabei ist. Einfach aus dem Grund, dass derjenige es nicht erst in der großen Runde, gleichzeitig mit allen anderen, erfahren sollte. So habe ich die Chance, ihm auch ein paar persönliche Worte mit auf den Weg zu geben und ihm meine Beweggründe zu erklären.
Ihr Sportdirektor Rouwen Schröder sagt, man könne sich mit Ihnen wunderbar streiten.
Das sagen viele. (Lacht.)
Wann hat es das letzte Mal zwischen Ihnen gekracht?
Das kann ich konkret gar nicht sagen. Aber ich finde, kontroverse Diskussionen in den eigenen vier Wänden gehören dazu, und die dürfen auch mal emotionaler werden. Entscheidend ist, dass man sich trotzdem aufeinander verlassen kann. Und dass man nicht komplett ausflippt.