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Herr Kom­pany, wir haben Ihnen etwas mit­ge­bracht: Das PANINI-Album von der WM 1986, bei der Bel­gien Vierter wurde.

(betrachtet die Seite mit der bel­gi­schen Mann­schaft, schmun­zelt) Ja, diese Männer sind mir natür­lich wohl­be­kannt! Hier: Eric Gerets – der sagt Euch Deut­schen ja auch etwas, ebenso wie Jean-Marie Pfaff. Und hier: René Van­derey­cken – er ist heute mein Trainer in der Natio­nal­mann­schaft. Viele Spieler aus diesem Team haben auch heute noch eine Funk­tion im bel­gi­schen oder inter­na­tio­nalen Fuß­ball.



War einer von ihnen Ihr Idol?


Ich hatte vor allem Vor­bilder außer­halb Bel­giens. Als Kind habe ich mir oft Video­tapes von Pelé und auch von Muhammed Ali ange­sehen und ihre Bewe­gungen stu­diert. Als ich schon etwas älter war, hat mich Marcel Desailly beein­flusst, der Abwehr­chef der fran­zö­si­schen Welt­meis­ter­mann­schaft von 1998. Wenn Sie mich nach meinen Lieb­lings­spie­lern aus der 86er-Mann­schaft fragen – hier: Enzo Scifo! Seine Ele­ganz hat mir sehr impo­niert. Und ich habe Georges Grun bewun­dert, weil ich wie er Defen­siv­spieler geworden bin.

Der vierte Platz bei der WM 1986 war der größte Erfolg in der bel­gi­schen Fuß­ball­ge­schichte. Was gilt er heute noch?

Oh, eine ganze Menge! Gerade weil so viele Spieler von 1986 im Fuß­ball geblieben sind, sind ihre Ver­dienste ständig prä­sent. Und wir werden an ihrer Spit­zen­leis­tung gemessen – beson­ders dann, wenn es nicht so gut läuft.

Wie kommt es, dass Bel­gien seit den 90er Jahren den Anschluss an die Welt­klasse ver­loren hat?

Das betrifft ja nicht nur die Natio­nal­mann­schaft, son­dern vor allem die Ver­eine. Früher war der RSC Ander­lecht ein euro­päi­scher Spit­zen­klub. Dort waren in den 70ern, 80ern und frühen 90ern Spieler unter Ver­trag, die gut und gern für Real Madrid hätten spielen können. Doch dann kam das Bosman-Urteil…

… mit dem der Euro­päi­sche Gerichtshof 1995 ent­schied, dass Spieler nach dem Ende ihres Ver­trages ablö­se­frei sind.


Richtig. Und das hat dazu geführt, dass die Ver­eine ihre guten Spieler nicht mehr gewinn­brin­gend ver­kaufen konnten. Andere Nationen wie Frank­reich und Hol­land, die in den 80er Jahren schlechter waren als Bel­gien, haben diese Ent­wick­lung recht früh erkannt und die finan­zi­ellen Ein­schrän­kungen durch eine gute Jugend­ar­beit kom­pen­siert und sind in ihren Natio­nal­mann­schaften sogar stärker geworden. Bel­gien hat statt­dessen auf Profis aus dem Aus­land gesetzt und dem eigenen Nach­wuchs so die Ent­wick­lungs­mög­lich­keiten geraubt. Hier haben wir leider zu lange geschlafen und sind inter­na­tional in Rück­stand geraten.

Marc Bosman ist selbst auch Bel­gier. Tritt er in Ihrem Hei­mat­land noch in Erschei­nung?

Nein. Als Fuß­baller war er ja ohnehin nie so pro­mi­nent. Er hat diesen Pro­zess ange­strengt, und darauf geht auch seine Bekannt­heit zurück. Wir Spieler müssen ihm dankbar sein. Dass die bel­gi­schen Ver­eine und die Natio­nal­mann­schaft unter­ge­gangen sind ist ihre eigene Schuld. Als sie schon lange auf dem abstei­genden Ast waren, haben sie immer noch geglaubt, sie seien stark.

Sie haben es ange­deutet: Durch das Urteil von 1995 fielen auch die Aus­län­der­be­schrän­kungen im euro­päi­schen Fuß­ball, und es kam zu einer starken Spie­ler­fluk­tua­tion in den Kadern. Hat die Iden­ti­fi­ka­tion der bel­gi­schen Fans mit Ihren Ver­einen dar­unter gelitten?

Natür­lich kann man immer noch über echte Brüs­seler“ oder echte Ham­burger“ dis­ku­tieren. Aber die Zeiten haben sich unwie­der­bring­lich geän­dert. Des­halb muss man auch den Begriff Iden­ti­fi­ka­tion“ neu defi­nieren: Wenn ein Spieler alles für seinen Verein gibt, dann iden­ti­fi­ziert er sich doch! Dann hat er es auch ver­dient, dass die Fans sich mit ihm iden­ti­fi­zieren – unab­hängig von seiner Her­kunft. Alle müssen das Gefühl haben: Wir sind ein Verein und tragen diese gemein­same Farbe.“

Aus Bel­gien hört man immer wieder Schre­ckens­ge­schichten von kri­mi­nellen Spie­ler­ver­mitt­lern, die junge afri­ka­ni­sche Spieler dorthin lockten, um sie dann sich selbst zu über­lassen.

Stimmt, aber das pas­siert auch in anderen Län­dern wie etwa in Frank­reich. Natür­lich berei­chern sich diese Geschäf­te­ma­cher, und ich möchte das auch nicht legi­ti­mieren. Aber es ist paradox: Auch wenn er wie eine Ware behan­delt wird – ein afri­ka­ni­scher Spieler wird nie unzu­frieden sein, wenn er dem Elend ent­kommen ist und es bis nach Europa geschafft hat.

Müssen Sie selbst manchmal inne­halten und sich das Glück ver­ge­gen­wär­tigen, das Sie hatten?

Nein, das ist nicht nötig. Ich bin mir ständig im Klaren dar­über, wie viel Glück ich hatte, dass ich nun mit dem Fuß­ball mein Geld ver­dienen kann und dort raus gekommen bin, wo ich auf­ge­wachsen bin (ein Wohn­silo im Brüs­seler Stadt­teil Ukkel, Anm d. Red.). Ich bin mit sechs zum RSC Ander­lecht gegangen und habe dort mit 17 mein Profi-Debüt gegeben. Einen sol­chen Durch­marsch von der Jugend- bis in die Her­ren­mann­schaft hatte es dort – auch weil nach dem Bosman-Urteil die fal­schen Ent­schei­dungen getroffen worden waren – zehn Jahre lang nicht gegeben.

Standen Sie selbst als kleiner Junge in der Kurve des Con­stant-Vanden-Stock-Sta­dions in Ander­lecht?

Natür­lich! Ich habe sogar einmal die Cham­pions-League-Fahne auf den Platz getragen. Ich war immer mit­ten­drin (lacht)!

Wann war Ihnen klar, dass Sie selbst einmal auf dem grünen Rasen stehen würden?

Eigent­lich erst an dem Tag, als ich zum ersten Mal mit den Profis trai­nieren durfte. Wenn man klein ist, dann hat man noch das Gefühl: Oooh, das ist alles unheim­lich schwer! Das schaffe ich nie!“

Sie haben es geschafft – und dafür auf vieles ver­zichtet.

In Deutsch­land können die Talente sich relativ in Ruhe ent­wi­ckeln, weil es Bal­lack oder Klose gibt, die die Auf­merk­sam­keit auf sich ziehen. Aber in Bel­gien gibt es solche Spieler nicht. Des­halb wurde ich über Nacht zum Star ernannt. Es war ein rie­siger Hype. Ich wurde überall erkannt, konnte mich nicht mehr locker bewegen. Ich habe zwar nicht den Ver­stand ver­loren, aber vieles ver­passt, was das Leben eines jungen Erwach­senen eigent­lich aus­ma­chen sollte.

Der Druck, als Retter des bel­gi­schen Fuß­balls zu gelten, muss enorm gewesen sein.

Ich weiß um die Hoff­nung der Leute und muss einen Weg finden, damit umzu­gehen. Aber ich ver­spüre keinen Druck. Dabei helfen mir auch meine Freunde, die ich seit meiner frü­hesten Kind­heit kenne. Die Art, wie wir mit­ein­ander umgehen, wird immer gleich bleiben – egal ob ich den bel­gi­schen Fuß­ball nun rette oder nicht (lacht)!

War Ihr Wechsel nach Ham­burg auch ein Ver­such, sich dem Rummel um Ihre Person zu ent­ziehen?

Zunächst einmal wollte ich mich natür­lich sport­lich wei­ter­ent­wi­ckeln. Aber durch meine lang­wie­rige Achil­les­seh­nen­ver­let­zung habe ich tat­säch­lich eine ganze Zeit recht anonym leben können. Und das hat mir nach all dem Hype ganz gut gefallen.

Hatten Sie nie Heimweh nach Bel­gien?

Ich habe meine Familie ver­misst, das schon. Aber in Ham­burg kann man sehr gut leben, auch wenn man gerade nicht Fuß­ball spielen kann. Die Stadt ist schön, die Leute im Verein gehen respekt­voll mit­ein­ander um. Mein Ziel, end­lich zurück­zu­kommen, war so groß und schön, dass ich gar nicht daran gedacht habe, mich in Brüssel zu ver­krie­chen.

In der langen Ver­let­zungs­zeit reisten Sie der Mann­schaft zu den Aus­wärts­spielen mit dem Privat-PKW hin­terher. Haben Sie so auch Deutsch­land kennen gelernt?

Sagen wir so: Ich habe die Bun­des­liga kennen gelernt. Ich habe alle Sta­dien gesehen. Das hat den Vor­teil, dass ich die Atmo­sphäre schon kenne, auch wenn ich in dieser Saison zum ersten Mal dort auf­laufe.

Nun haben Sie end­lich einmal kon­ti­nu­ier­lich gespielt, und schon werden Sie auf­grund Ihrer tech­ni­schen Fähig­keiten und Ele­ganz mit Zine­dine Zidane oder Franz Becken­bauer ver­gli­chen.

(ent­setzt)
Waaaas!? Bitte nie wieder solche Ver­gleiche! Ich habe so viele Respekt vor diesen Spie­lern, dass ich über­haupt nicht mit Ihnen ver­gli­chen werden möchte. Ich mag schönen Fuß­ball, aber das habe ich immer in mir gehabt und möchte mich damit nicht an den Großen messen.

Den­noch tragen Sie beim HSV die tra­di­ti­ons­be­la­dene Nummer 10. Sind Sie ein ver­kappter Spiel­ma­cher?

Ich habe gute offen­sive Impulse. Des­wegen ist es nicht dumm, wenn man mich im Mit­tel­feld spielen lässt. Aber auch im Mit­tel­feld wird man immer wieder sehen, dass ich mich defensiv ori­en­tiere und die Zwei­kämpfe suche. Jeder Trainer wird anders dar­über denken, wo ich am besten auf­ge­hoben bin.

Zidane hat regel­mäßig ein Kara­te­trai­ning absol­viert, um seine Kör­per­be­herr­schung zu ver­bes­sern. Tun Sie etwas Ähn­li­ches?

Ja, aber nicht weil Zidane das macht (lacht)! Bis ich 13 war, habe ich par­allel zum Fuß­ball Leicht­ath­letik betrieben, vor allem Sprint und Weit­sprung. Und ich boxe ab und zu.

Apropos Boxen: Was war das här­teste Duell, das Sie sich jemals gelie­fert haben?

Ich habe gegen Thierry Henry und Adriano gespielt, tolle Fuß­baller! Aber die konnte ich über weite Stre­cken kon­trol­lieren. Das här­teste Duell hatte ich mit John Hartson in einem Cham­pions-League-Spiel gegen Celtic Glasgow. Ich war gerade 17 Jahre alt. Nach nur 20 Minuten wurde unser Kapitän, der mit mir in der Innen­ver­tei­di­gung spielte, vom Platz gestellt. Da wir unbe­dingt gewinnen mussten, wech­selte unser Trainer keinen Ver­tei­diger ein und sagte statt­dessen zu mir: Vince, das musst Du jetzt allein richten! Wir bleiben offensiv!“

Sie allein gegen alle.

Ja, gegen Henrik Larsson und diesen Hartson. Man muss wissen: Er war ein Koloss. Er hat bestimmt 110 Kilo gewogen, sein Ell­bogen war so massiv wie mein Ober­körper, und er hat ihn als Waffe benutzt (lacht)! Ich hatte damals zehn Kilo weniger drauf und konnte machen, was ich wollte, schubsen, schieben – egal! Ich hatte keine Chance. Hartson war kein guter Fuß­baller, aber kör­per­lich unglaub­lich stark und ver­let­zend. Diese Begeg­nung war der erste Schock meiner jungen Kar­riere. Bis heute ist mir unbe­greif­lich, warum wir dieses Spiel trotzdem 1:0 gewannen.

Kennen Sie denn jetzt, vier Jahre später, alle Tricks, um auf inter­na­tio­nalem Niveau bestehen zu können?

Nein, man lernt nie aus. Zwar habe ich jetzt das Gefühl, dass ich erfahren bin. Aber in sechs Jahren werde ich wissen, wie uner­fahren ich tat­säch­lich gewesen bin.

In sechs Jahren werden wir schon auf die WM 2010 zurück­bli­cken. Welche Rolle wird Bel­gien bei diesem Tur­nier gespielt haben?

Aus den Feh­lern der Ver­gan­gen­heit haben wir gelernt. Wir haben eine gute Mann­schaft mit vielen Talenten, welt­weit sind wir eines der jüngsten Teams über­haupt. Ich bin mir sicher, dass wir in zwei­ein­halb Jahren zu einer Mann­schaft zusammen gefunden haben. Aber die Qua­li­fi­ka­ti­ons­spiel fangen schon im Herbst an – das könnte etwas zu früh sein.

Viel­leicht können Ihnen ja Titel mit dem HSV das Warten erleich­tern.


Ich habe hier einen Fünf­jah­res­ver­trag. In dieser Zeit möchte etwas gewinnen. Wenn ich dieses Ziel nicht hätte, wäre ich falsch in diesem Beruf. Letzt­end­lich geht es immer um Titel.