U‑Nationalmannschaft, Spiele vor 50.000 Fans, schlechte Berater, geplatzte Transfers: Tony Mamodaly hat den gesamten Wahnsinn des Fußballs erlebt. Heute wird er 30 Jahre alt. Wir haben mit ihm über die Träume seiner Jugend gesprochen.
Wie geht man mit dieser Erkenntnis um?
Es war hart. Ich habe lange in Dresden um meine Chance gekämpft, vielleicht auch zu lange. Aber ich sah jeden Tag dieses geile Stadion und die unglaublichen Fans. Dynamo ist ein geiler Verein. Allerdings nur, wenn es gut läuft. Wenn nicht, dann wird es schwierig. Ich denke die Fankultur ist einzigartig. Leider gibt es in der Szene aber auch einige wenige Schwachmaten.
Wie meinen Sie das?
Als dunkelhäutiger Spieler ist es dort nicht immer ganz einfach. Am Tag meiner Unterschrift hatte ich knapp 40 Nachrichten von Dynamo-Fans bei Facebook. Sie hießen mich willkommen und schrieben, dass ich mir keine Sorgen wegen meiner Hautfarbe machen müsse, solange ich meine Leistung bringe. Das war eine krasse Ansage. Auch in der Stadt merkte ich, dass ich anders angeguckt werde. Anderen dunkelhäutigen Dynamo-Spielern erging es ähnlich. Ein Kollege wurde nach dem Training von Fans abgepasst. Sie schossen mit einer Schreckschusspistole in die Luft, um ihn einzuschüchtern. Das ist wirklich schade, da solche Aktionen die komplette Fankultur in ein falsches Licht rücken.
Warum sind Sie überhaupt so lange geblieben?
Weil ich es schaffen wollte. Der Gedanke, vor dem schwarz-gelben Block auf dem Platz zu stehen, hat wohl meinen Blick für die Realität vernebelt. Ich dachte immer ich wäre nah dran. Aber die Zeit hat mich mental kaputt gemacht. Am Ende konnte ich mir die Spiele nicht mal mehr im Stadion ansehen. Ich habe es einfach nicht ausgehalten. Ich kam sogar an einen Punkt, an dem ich nicht mehr Bundesliga gucken konnte, weil es mir zu sehr weh hat. Und plötzlich war ich vertragslos.
Und dann?
Und dann passierte gar nichts. Ich habe für den Fußball quasi nicht mehr existiert. Keine Angebote, keine Probetrainings, nichts. Meine letzte Option war das VDV-Proficamp für vertragslose Spieler. Anfangs fühlte es sich an, als wäre ich am Ende angelangt. Aber das Camp war das beste, was mir passieren konnte. Wir trainierten unter Christian Wück und Markus Anfang zweimal täglich auf hohem Niveau, mit namhaften, bundesligaerfahrenen Spielern. Niko Frommer, Moses Sichone, Thomas Kläsener, Christian Demirtas, Sven Neuhaus. Eine Supertruppe. Und ich merkte im Training und den Testspielen, dass ich absolut mithalten konnte. So kam auch das Selbstvertrauen wieder zurück.
Und kamen auch Angebote?
Der 1.FC Nürnberg kam auf mich zu, wo Michael Wiesinger die U23 trainierte. Eine junge, gute Truppe, die ganz nah an den Profis war. Er lud mich zum Probetraining ein, in der letzten Woche vor Saisonbeginn. Alles lief super, aber Sie ahnen es…
Der Transfer platze?
Wiesinger, den ich sehr schätze, bekam von der sportlichen Leitung einen Riegel vorgeschoben. Wir telefonierten bis zum Winter regelmäßig. Er sagte: „Versuch, mental auf der Höhe zu bleiben. Im Wintertransferfenster kriegen wir das hin.“ Doch dann platzte der Wechsel wieder am letzten Tag der Transferperiode. Von allen gescheiterten Transfers tut mir dieser am meisten weh, weil ich fit und mental wieder gut drauf war. Ich war zu hundert Prozent überzeugt, dass es noch klappt. Tat es aber nicht.
Warum nicht?
Der Wechsel zog sich über das komplette Transferfenster, weil erst ein anderer Spieler gehen musste, damit für mich Platz war. Am letzten Tag der Transferperiode rief mich mein Berater morgens an: „Tony, alles ist geregelt. Behalt dein Handy im Blick, ich werde dich im Laufe des Tages anrufen, dann fahren wir nach Nürnberg.“ Ich starrte den ganzen Tag wie ein Irrer auf mein Handy, aber es kam nichts. Irgendwann war 18 Uhr – und ich war raus. Am nächsten Morgen kam eine SMS meines Beraters: „Hey Tony, sorry, hat nicht mehr hingehauen. Ich musste zu einem anderen Transfer.“
Autsch.
Ich bin noch am selben Tag zu meinen Eltern nach Hause gefahren. Ich sagte zu ihnen: „Ich schaffe das nicht mehr. Ich kann das nicht mehr aushalten.“ Die Tage und Wochen danach lebte ich am Rande der Depression. Ich wusste nicht mehr, warum ich morgens aufstehen sollte. Ich wusste nicht, was ich mit meinem Leben anfangen sollte. Fußball ist immer alles für mich gewesen, und plötzlich war der Traum geplatzt. Wobei „Traum“ eigentlich zu viel gesagt ist. Es war ja quasi jahrelang Alltag für mich, dass ich kurz vor der Erfüllung des Traums stehe. Ich hatte jeden Tag Training, die Profis in Sichtweite, und wusste, dass ich das Potential habe. Aber wenn du nie die Chance bekommst, wenn du aus welchen Gründen auch immer, nie richtig wahrgenommen wirst, dann muss ja irgendetwas verkehrt sein. Ich war sehr selbstkritisch, bis zu dem Punkt, an dem mich das innerlich kaputt gemacht hat. Ich war im Loch.