U‑Nationalmannschaft, Spiele vor 50.000 Fans, schlechte Berater, geplatzte Transfers: Tony Mamodaly hat den gesamten Wahnsinn des Fußballs erlebt. Heute wird er 30 Jahre alt. Wir haben mit ihm über die Träume seiner Jugend gesprochen.
Wie kommt man aus so einem Loch raus?
Christian Demirtas, mit dem ich mich im VDV-Camp sehr gut verstanden hatte, rief mich an. Er hatte vom geplatzten Wechsel gehört und fragte: „Tony, hast du mal drüber nachgedacht, in die USA zu gehen? Da kannst du am College kicken und dir das Studium durchs Fußballspielen finanzieren.“ Ich hatte keine Ahnung vom College-System und war vorher noch nie in Miami gewesen. Aber ich brauchte dringend einen Neustart, also sagte ich zu.
So einfach geht das?
Ein Bekannter von Christian, der als Co-Trainer der Fort Lauderdale Strikers arbeitete, vermittelte mich an die Universität. Aber der Prozess hat ein ganzes Jahr gedauert. Jeder College Athlete muss zwei akademische Tests absolvieren. Dazu deklarierte mich die NCAA, der US-amerikanische College-Verband, ironischerweise zunächst als Profi, weswegen ich erst einmal nicht spielberechtigt war. Ich hielt mich so lange bei in der Heimat fit, schlussendlich hat dann aber ausnahmsweise einmal alles geklappt (lacht).
Wie lief es in den USA?
Die USA war meine Wiedergeburt. Ich studierte Marketing, was meinen Horizont enorm erweiterte. Ich hatte so großen Spaß daran, dass ich als Wissenschaftliche Hilfskraft arbeitete und meinen Bachelor in zweieinhalb Jahren schaffte, mit 1,0. Parallel war ich Kapitän der STU Bobcats, unserer Unimannschaft, und der Coach gab mir volles Vertrauen. Es gibt zwei College-Verbände, die besten Teams aus deren Ligen qualifizieren sich für die Landesmeisterschaft, die dann im Playoff-Modus ausgespielt wird. Dort sind wir leider zweimal in der ersten Runde ausgeschieden. Die Rahmenbedingungen sind aber absolut professionell, das Niveau würde ich zwischen Regional- und Oberliga einschätzen. Die Trainingsmethoden- und Faszilitäten würde ich sogar den unseren in Deutschland um zwei Schritte voraus beschreiben.
Hatten Sie in den USA nochmal die Chance auf die Profikarriere? Stichwort: MLS-Draft.
Bei mir haben irgendwann die Knie gestreikt. Außerdem wurde mir das Studium immer wichtiger. Ganz grundsätzlich kann man aber sagen: Jeder deutsche Spieler, der das US-College-System durchläuft, wird automatisch interessant für den MLS-Draft. Wenn man in Deutschland in einem Nachwuchsleistungszentrum war, ist man einfach besser ausgebildet als andere. Ich selbst musste 2016 meine Karriere wegen der Knie beenden. Das war bitter, aber an dem Punkt hatte mir der Fußball bereits ganz andere Türen geöffnet. Unter anderem hatte ich für meinen Master die Zusage von Harvard und Columbia. Drei Jahre zuvor wollte mich Dynamo Dresden nicht haben und ich kannte diese Unis nur aus dem Fernsehen. Absurd.
Und jetzt sind Sie Fußballrentner?
(Lacht). Nein. Nach dem Start meines MBA Programms an der Columbia University bin ich jetzt wieder in Miami, mache meinen Master und habe eine Agentur gegründet, für junge Spieler, die es in Deutschland nicht packen. Sei es aus Verletzungsgründen, Pech oder schlichtweg der Tatsache, stets zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen zu sein. In der Agentur sind wir zu dritt, ein Partner in Italien, einer in Brasilien. Wir wollen den vielen jungen Spielern, denen es in ihrer Heimat so geht wie mir damals, eine neue Chance in den USA vermitteln.
Mit Erfolg?
Einer unserer Spieler wurde letztes Jahr von den Vancouver Whitecaps gedraftet. Eine andere schaffte es sogar zu den Olympischen Spielen in Rio, allerdings im Footvolley, weil sie wegen einer Kreuzbandverletzung kein Fußball mehr spielen durfte. Uns geht es aber nicht darum, dass unsere Spieler und Spielerinnen unbedingt noch Profis werden. Sondern eher um die Chance, sich mit den sportlichen Fähigkeiten ein hochwertiges Studium zu ermöglichen und ihr Talent zweigleisig zu maximieren. Einer unserer ersten Klienten, ein ehemaliger Jugendspieler des US Palermo, hat gerade sein Studium abgeschlossen und arbeitet jetzt sehr erfolgreich an der Wall Street.
Wie kommen Sie denn an die Spieler? Scouten Sie?
Wir kooperieren mit einigen Nachwuchsleistungszentren in Deutschland, Italien und Frankreich. Momentan arbeiten wir daran, ein System zu entwickeln, dass den Spielern und Spielerinnen, die voraussichtlich durchs Raster fallen, frühzeitig die Möglichkeit bietet in die USA zu gehen – bevor der große Knall kommt. Tatsächlich entstehen aber die meisten Kontakte durch Mundpropaganda. Durch unser Netzwerk erfahren wir von Spielern, die Potential haben, für die es in Deutschland aber aus welchen Gründen auch immer nicht weitergeht. Wichtig ist neben dem fußballerischen Talent aber vor allem, dass es menschlich passt. Das habe ich aus meiner aktiven Zeit gelernt.
Also sind Sie doch im Fußball gelandet. Sind Sie versöhnt mit dem Geschäft?
Absolut. Ich habe im Fußballgeschäft so viel Scheiße gefressen, aber letztendlich hat mir der Fußball eine Tür geöffnet, mit der ich nie gerechnet habe. Und jetzt kann ich anderen dabei helfen, einen ähnlichen Weg zu gehen. Das macht mich auf jeden Fall stolz und glücklich.