U‑Nationalmannschaft, Spiele vor 50.000 Fans, schlechte Berater, geplatzte Transfers: Tony Mamodaly hat den gesamten Wahnsinn des Fußballs erlebt. Heute wird er 30 Jahre alt. Wir haben mit ihm über die Träume seiner Jugend gesprochen.
Das Interview erschien erstmals 2017. Mittlerweile ist Tony Mamodaly Head of International Operations bei der TSG Hoffenheim. Und ja: Den Job gibt es wirklich.
Tony Mamodaly, eigentlich sollten Sie jetzt Fußballprofi sein. Was ist passiert?
(Lacht) Naja, rückblickend hätte ich gute Chancen gehabt. Mit 16 holte mich Ralf Rangnick in die U17 der TSG Hoffenheim, wo ich in der Junioren-Bundesliga als Zehner zu den Leistungsträgern gehörte. Erst später habe ich erfahren, dass zwei Einladungen zum DFB vom Verein geblockt worden sind.
Warum das?
Ich spielte parallel Handball bei den Rhein-Neckar-Löwen und wurde auch dort für die Nationalmannschaft nominiert. Die Verantwortlichen der TSG nahmen mir übel, dass ich mich zunächst nicht komplett für den Fußball entscheiden wollte. Das merkte ich auch in der nächsten Saison, als ich plötzlich außen vor war, obwohl mir die Verantwortlichen vorher zugesichert hatten, ich sei Leistungsträger mit Aussicht auf den Bundesliga-Perspektivkader.
Sie gingen zum KSC. Klingt immer noch nach möglicher Profikarriere.
Ich spielte eine durchwachsene Saison, mit Simon Zoller hatte ich einen Konkurrenten, an dem ich nicht vorbeikam. Nach anfänglichen Schwierigkeiten spielte ich dann aber regelmäßiger. Weswegen ich zum Ende der Saison auch die Möglichkeit auf ein Probetraining beim FC Dundee bekam.
Aus der U19 eines deutschen Zweitligisten nach Schottland? Klingt nicht unbedingt nach einem logischen Wechsel.
Von meinen Mannschaftskollegen wurden acht Spieler übernommen, unter anderem Lukas Rupp und Matthias Zimmermann. Es war also klar, dass ich beim KSC keine Perspektive hatte. Dundee war vielleicht nicht der logischste Schritt, aber ich war von der Atmosphäre in Schottland begeistert. Trainer war Craig Levein, der spätere schottische Nationaltrainer. Er war sehr zufrieden und wollte mich haben. Als ich wieder in Deutschland war, wartete ich fünf, sechs Wochen auf den Deal. Kurz vor Ende der Transferfrist erfuhr ich von der Vereinswebsite, dass der Club Danny Cadamarteri, einen ehemaligen englischen U21-Nationalspieler, verpflichtet hatte. Ich vermute, dass er von Anfang an die Ideallösung war. Das hatte man mir allerdings nie kommuniziert.
Wo ging es für Sie weiter?
Mein Teamkollege aus der TSG-Jugend, Jonas Strifler, vermittelte mich zu Dynamo Dresden, wo ich mich über die U23 für die Profis anbieten sollte. Ich freute mich riesig darauf, aber was ich meinen zwei Jahren dort erlebte, war eine reine Katastrophe.
Inwiefern?
Nach nur vier Wochen kam ein neuer Trainer, der nichts mit mir anfangen konnte. Ich spielte ausschließlich in der U23, und das Verhältnis zum Trainerteam war desaströs. Parallel bestritt ich meine ersten Länderspiele für mein Vaterland Madagaskar. Erst in der U23, dann in der A‑Nationalmannschaft. Ich flog zum COSAFA-Cup, spielte vor 50000 Leuten, schoss drei Tore in vier Spielen, tauschte das Trikot mit Nigerias John Obi Mikel und und und. Für mich als jungen Spieler war das natürlich großartig. Aber als ich wieder nach Dresden kam, machte sich das Trainerteam darüber lustig. „Das nennst du Nationalmannschaft? Da könnte ich mit meinen 50 Jahren auch noch spielen.“
Klingt nach Mobbing. Wie sind Sie damit umgegangen?
Das war schon unter der Gürtellinie. Nach einem Jahr wollte ich weg, aber es kamen keine Angebote. Es war eine paradoxe Situation. Auf der einen Seite schnupperte ich ständig am Durchbruch, auf der anderen spielte ich bei einem Drittligisten keine Rolle. Als junger Spieler fängst du natürlich an zu grübeln und deine Fähigkeiten in Frage zu stellen. Nach dem Fiasko mit Dundee hatte ich mich von meinem Berater getrennt hatte. Meinen Vertrag in Dresden hatte ich selbst ausgehandelt, weshalb ich relativ wenig verdiente und im Hotel wohnte. Als ich zur neuen Saison ins Hotel kam, hatte der Verein das Zimmer gekündigt, ohne mir Bescheid zu sagen. Meine persönlichen Sachen standen in der Abstellkammer.
Wie ging es weiter?
Ich suchte mir eine Wohnung und versuchte noch bis zur Winterpause, mich durchzubeißen. Aber es machte keinen Sinn mehr. Durch die Nationalmannschaft war der FC Lorient auf mich aufmerksam geworden, wo ich Stürmer Nummer vier werden sollte, unter anderem hinter Kevin Gameiro. Das Probetraining lief super. Inzwischen hatte ich einen neuen Berater, der mir zusicherte, dass der Wechsel steht. Aber dann platzte der Transfer des damaligen Stürmers Nummer Vier von Lorient – und am 31.1. schloss das Transferfenster. Parallel verletzte ich mich an der Patellasehne, die Saison in Dresden trudelte aus. Und mir wurde bewusst, dass ich für den Fußball-Markt mittlerweile völlig uninteressant war.