Heute wäre Georg „Schorsch“ Volkert 75 Jahre alt geworden. Noch im vergangenen Dezember trafen wir die HSV-Legende zum großen Karriereinterview – und erlebten einen, der stets wusste, was er wollte.
Mit welcher Vorgabe sind Sie in die Meistersaison 1967/68 gegangen? War von Anfang an der Titel das Ziel?
Die Bundesliga war viel zu ausgeglichen, als dass man irgendwas Seriöses hätte voraussagen können. Fest steht, dass wir vor der Saison ein Mörder-Trainingslager gemacht haben. Wahnsinnig anstrengend, aber Merkel hat immer nur süffisant gesagt: „Wenn die Saison losgeht, seid ihr topfit.“ Und so war’s, durch unsere Fitness haben wir alle niedergewalzt.
Das war das ganze Geheimnis?
Da kommen mehrere Komponenten zusammen. Wir haben den größten Teil der Saison mit nur dreizehn Spielern bestritten und waren ein verschworener Haufen. Damals gab es kaum Legionäre, die meisten waren mit Herzblut beim Club. Außerdem hatten wir auf der einen oder anderen Position vielleicht auch die pfiffigeren Typen.
Einmal haben Sie den FC Bayern 7:3 aus dem Stadion geschossen, nach einer 6:0‑Führung.
Für die Fans war das das absolute Highlight. Wir haben die auseinandergenommen mit ihrer tollen Mannschaft, mit Beckenbauer, Müller und Maier.
Bis heute rätseln die Leute darüber, wie diese Club-Elf direkt nach dem Titel absteigen konnte.
Zum einen wurde unser Torjäger Franz Brungs verkauft, zum anderen haben wir die Situation unterschätzt. In Zeiten der Zweipunkteregel war man nie weit weg vom Klassenerhalt, und wir hätten noch in unserem letzten Heimspiel gegen Borussia Dortmund alles klarmachen können, haben dann aber durch ein Kullertor von Lothar Emmerich, das unserem Torwart Jürgen Rynio durch die Hosenträger gerutscht ist, verloren. Und so nahmen die Dinge ihren Lauf.
Ein Abstieg, von dem sich der 1. FC Nürnberg letztlich nie mehr erholt hat.
Was dem Club gefehlt hat, war ein Manager, wie ihn die Bayern mit Robert Schwan hatten. Der Nürnberger Führung fehlte es leider an sportlichem Sachverstand. Mit dieser Mannschaft, dem Umfeld und dem Fanpotential hätte man etwas wirklich Großes daraus machen und Nürnberg zu dem Verein in Süddeutschland werden können. Da wären die Bayern nicht rangekommen, nur haben es die halt besser gemacht.
„Wenn ich nicht so spielen darf wie sonst, bin ich nur ein halber Schorsch Volkert“
Welche Rolle hat es gespielt, dass Sie in der Abstiegssaison zunächst gesperrt waren? Natürlich war das ein negativer Faktor, aber ich weiß nicht, ob es die ganz große Rolle gespielt hat. Die Sperre war außerdem völlig daneben.
Sie haben sich nach einem Platzverweis geweigert, das Spielfeld zu verlassen. Fühlten Sie sich ungerecht behandelt?
Der Anlass war nichtig. Ein Freundschaftsspiel im Sommer 1968 in Wien, ein Scharmützel auf dem Spielfeld, und plötzlich sagt der junge Schiedsrichter zu mir: „Sie gehen jetzt vom Platz.“ Ich habe gesagt: „Das bestimme immer noch ich, wann ich gehe.“ Dann ging es hin und her, und Max Merkel hat mit seinem Wiener Schmäh noch versucht, den Schiedsrichter umzustimmen, aber keine Chance. Und wegen so was kriege ich drei Monate Sperre! Immerhin unter Anrechnung der Sommerpause.
Letztlich hat Sie dieser Vorfall die Karriere in der Nationalmannschaft gekostet.
So ist es. Danach fand in Stuttgart ein Länderspiel gegen Brasilien statt. Max Merkel hat den langen Schön informiert (Bundestrainer Helmut Schön, d. Red.), und der hat gesagt, ich soll auf jeden Fall hinkommen. Als der ebenfalls nominierte Luggi Müller und ich eintreffen, hält Schön mir einen kurzen Vortrag, dass sich so was als Nationalspieler nicht gehört, und schickt mich nach Hause. Ich habe gesagt: „Und dafür lassen Sie mich extra mit dem Schlafwagen herfahren?“
Hätten Sie in diesem Moment besser den Mund gehalten?
Im Grunde hat es mit Schön von Anfang an nicht gepasst. Gleich bei meiner ersten Einladung ein paar Monate zuvor hat er gesagt: „Herzlich willkommen, aber hier kannst du nicht so spielen wie beim Club.“ Ich antwortete: „Warum haben Sie mich denn dann geholt, Herr Schön? Wenn ich nicht so spielen darf wie sonst, bin ich nur ein halber Schorsch Volkert.“