Vor zehn Jahren spielte er zehnte Liga, jetzt ist er in der Form seines Lebens. Wo soll das alles enden, Wout Weghorst? Und wieso müssen Sie immer mit dem Kopf durch die Wand?
Haben Sie schon eine Idee, an was Sie im kommenden Sommer arbeiten werden?
Hm.
Wie wäre es mit Distanzschüssen? Laut Internet haben Sie in ihrer Profikarriere noch nie aus der Distanz getroffen.
Das stimmt nicht!
Nein?
Ist ein kniffliges Thema. (Lacht.) Für Deutschland und die Bundesliga stimmt es auf jeden Fall. Aber ich habe mal eine Statistik gesehen, laut der ich in Holland irgendwann ein Tor aus der Distanz gemacht haben soll. Das Dumme daran ist nur, dass ich keine Ahnung habe, wann das gewesen sein soll. Und ich habe in der Hinsicht ja eigentlich ein ganz gutes Gedächtnis. Aber im Endeffekt ist mir das auch total egal, ganz ehrlich. Ich bin ein Strafraumstürmer, ich gehöre in die Box, da bin ich am gefährlichsten. Da kann ich für meine Tore ackern.
Es heißt, Sie hätten auch als Kind schon extrem viel geackert. Sie selber haben mal gesagt: „Ich war besessen.“
Wenn es angefangen hat zu regnen und alle anderen Kinder schnell nach Hause gerannt sind, dann bin ich draußen geblieben. Selbst bei richtigem Sauwetter. Ich fand es geil, im Regen, alleine mit einem Ball. Mein Vater sagte nur: „Der Junge ist verrückt.“ Aber ich habe einfach schon immer sehr viel und sehr gerne Fußball gespielt. Außerdem gab es als Kind auch ein paar Jahre, in denen es nicht ganz so leicht war für meine Brüder und mich. Meine Eltern trennten sich, ließen sich scheiden, wir mussten irgendwann entscheiden, bei wem wir leben wollten. Wenn ich draußen kicken war, konnte ich all das für ein paar Stunden vergessen, hatte Spaß und musste nicht nachdenken.
Sie sind der zweitjüngste von vier Brüdern. Haben die anderen auch Fußball gespielt?
Ja. Alle drei haben bei uns im Dorf gespielt, mein jüngerer Bruder später auch für die erste Mannschaft. Der konnte ordentlich kicken. Aber keiner von denen wollte Fußballer werden.
Wuchs im niederländischen Borne auf und kämpfte sich über kleinere Vereine erst hoch zum AZ Alkmaar und dann weiter zum VfL Wolfsburg. In 92 Bundesligaspielen kommt er auf genau 50 Treffer. Eine Quote, die auch Vereine in England hellhörig macht. Schon im Sommer sei es recht konkret gewesen mit Tottenham, sagt Weghorst.
Sondern?
Einer wollte Pilot werden, mittlerweile fliegt er durch die Welt. Einer wollte Unternehmer werden, mittlerweile arbeitet er für die Firma unserer Familie. Und der dritte wollte Architekt werden und arbeitet mittlerweile ebenfalls im Familienunternehmen. Alle drei machen das, was sie sich als Kind in den Kopf gesetzt haben. Und genau so lief es bei mir mit dem Fußball. Das Spiel hat mir schon immer Spaß gemacht – aber es war für mich auch schon immer mehr als nur das.
Wie hat sich das gezeigt?
Wenn wir mit meinem Dorfklub ein Spiel verloren, hatten die anderen Kinder das ein paar Minuten später schon wieder vergessen. Ich dagegen weinte bitterlich. Oder wurde teilweise sogar richtig wütend. Es stimmt schon, ich war besessen.
Wo kommt dieser Ehrgeiz her?
Gefühlt hatte ich den schon immer tief in mir drin, ich wurde damit geboren. Ich habe schon als Kind gedacht: „Ich bin anders als ihr.“ So zu sein, so zu leben, das war nicht immer leicht, speziell als Jugendlicher und junger Erwachsener, als ich noch im Amateurfußball war. Ich habe kein Nachwuchsleistungszentrum besucht, ich wurde nicht in einem großen Verein ausgebildet, als 18-Jähriger spielte ich in der neunten oder zehnten Liga. Trotzdem wollte ich es nach oben schaffen. Und wenn die anderen am Wochenende feiern gingen, dann blieb ich zu Hause und ging früh ins Bett. Ich spielte Kreisliga, lebte aber wie ein Profi.
Wurden Sie dadurch automatisch zum Einzelgänger?
Ob so was automatisch passiert, kann ich nicht sagen. Aber bei mir war das definitiv der Fall. Das Problem damals war vor allem, dass ich nicht nur auf mich und meine Einstellung geschaut habe, sondern auch alle um mich herum verändern wollte, meine Mitspieler, meine Trainer. Ich habe mich immer wieder gefragt: „Wie könnt ihr nur so sein?“
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