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Seite 3: „Erst als kurz vor seinem Tod schaffte er das nicht mehr“

Selbst im Pro­fi­be­reich waren Sie anfangs mit Ihrem Umfeld nicht zufrieden. Als Sie beim FC Emmen in der zweiten hol­län­di­schen Liga spielten, beschwerten Sie sich in der Presse über das Mit­tag­essen: Es gebe immer nur Fri­ka­dellen, Kro­ketten und Chi­cken Nug­gets.
Ich hatte es zuerst intern ange­spro­chen, doch das wurde nicht ernst genommen, es änderte sich nichts. Aber klar, heute würde ich es anders regeln. Ich habe erkannt und akzep­tiert, dass meine Art zu leben nicht für alle funk­tio­niert, dass die Men­schen unter­schied­lich sind und ich meine Mit­spieler machen lassen muss, wie sie es für richtig halten. Ich kann nur mein eigenes Han­deln kon­trol­lieren. Was aller­dings nicht heißt, dass ich mich nicht auch heute noch tie­risch auf­regen kann. Ein ein­fa­cher Fehl­pass, ein lascher Zwei­kampf – und es knallt. (Lacht.)

Erst vor ein paar Monaten wurden Sie von Oliver Glasner beim Trai­ning vor­zeitig unter die Dusche geschickt. Es ging um eine Ent­schei­dung beim Fuß­ball­tennis.
Ich bin eben immer bei hun­dert Pro­zent, das ist bei mir nicht nur ein Spruch. Wenn ich das Gefühl habe, unge­recht behan­delt zu werden, selbst wenn es nur eine unglück­liche Schieds­rich­ter­ent­schei­dung beim Fuß­ball­tennis ist, dann kann ich meine Klappe nicht halten.

Das brockt Ihnen auch außer­halb vom Trai­ning immer wieder Ärger ein. Neu­lich gerieten Sie öffent­lich mit Max Kruse anein­ander.
Das ist so nicht richtig. Ich habe nach dem Spiel gegen Union ledig­lich ein Inter­view gegeben, ein harm­loses, wie ich finde, der Rest kam von der anderen Seite.

Ich habe nach dem Spiel gegen Union ein harm­loses Inter­view gegeben, der Rest kam von der anderen Seite“

Weghorst

Sie sagten, dass Union nur Zwei­kämpfe gewollt“ habe und dass Sie selbst lieber schönen Fuß­ball“ spielen würden. Max Kruse sagte dar­aufhin: Wenn man selber nicht wirk­lich als Fili­gran­tech­niker daher­kommt, sollte man sich viel­leicht auch nicht über die Spiel­weise von uns so äußern.“ Macht Sie so ein Spruch sauer?
Nein, das juckt mich über­haupt nicht. Ich habe mich danach nur gewun­dert, weil ich nicht ver­standen habe, warum er so reagiert. Ich habe extra bei unserer Pres­se­ab­tei­lung nach­ge­fragt, ob ich etwas Schlimmes oder Ver­werf­li­ches gesagt habe. Aber ich finde bis heute: Das habe ich nicht. Unterm Strich ist das sein Pro­blem.

Anders als Max Kruse, anders als fast alle Ihre Kol­legen haben Sie sich nur langsam und Stück für Stück nach oben gekämpft, von der vierten Liga in Hol­land in die zweite, dann in die Ere­di­visie, dann in die Bun­des­liga. Wel­cher Schritt war der größte?
Defi­nitiv der Schritt aus dem Ama­teur­be­reich zu den Profis. Ich hatte eine Halb­serie in der vierten Liga hinter mir, da lud Peter Bosz mich zum Pro­be­trai­ning bei Hera­cles Almelo ein. Ich trai­nierte also mit und dachte nur: Wow: Was ist das denn?“ Das Tempo, die Physis, die Technik, in allen Berei­chen war der qua­li­ta­tive Unter­schied gigan­tisch. Bosz sagte damals auch, dass es noch nicht rei­chen würde. Aller­dings sah er auch schon damals mein Poten­tial. Ein paar Jahre später hat es über Umwege dann ja auch noch geklappt mit der Ere­di­visie und Almelo.

Weghorst 210201 11 Freunde VFL Wolfsburg Wout Weghorst 0096 Bearbeitet WEB
Jonas Holt­haus

Wie groß war der Schritt von Hol­land nach Deutsch­land?
Nicht ansatz­weise so groß. Was aber daran liegt, dass ich meine Schritte später ganz bewusst gemacht und auch vor­be­reitet habe. Als sich mein Wechsel von Alk­maar zu Wolfs­burg abzeich­nete, habe ich mit meinen Berater Simon Cziommer gespro­chen, der früher auch Bun­des­liga gespielt hat und die Liga kennt. Wir haben über­legt, was mir für das Niveau in Deutsch­land noch fehlt. Dann habe ich wochen­lang inten­sive Läufe trai­niert und in Extra­schichten nach dem Trai­ning an meiner Kon­di­tion gear­beitet. Als ich in Wolfs­burg ankam, war ich topfit. Dadurch fiel mir alles leichter.

Über die Jahre haben Sie sich nicht nur fuß­bal­le­risch ver­bes­sert, auch ihr Image hat sich grund­le­gend geän­dert. Zu Beginn Ihrer Kar­riere galten Sie als vom Ehr­geiz zer­fressen, als Stö­ren­fried. Dann …
… dann kam die Geschichte mit dem Alters­heim. Darauf spielen Sie doch an, oder? Das machen alle Jour­na­listen. Ich weiß bis heute nicht, wie die Geschichte in die Öffent­lich­keit gesi­ckert ist, aber irgend­wann fragte mich ein Mode­rator in einer Live-Show danach. Seitdem muss ich sie immer wieder erzählen.

Es geht schnell, ver­spro­chen: Als Sie noch in Hol­land spielten, küm­merten Sie sich um einen alten, ein­samen Mann in einem Senio­ren­heim. Den Sie vorher nicht kannten. Und der nicht wusste, dass Sie Fuß­baller sind.
Genau das war ja das Tolle. Selbst wenn er es gewusst hätte, es wäre ihm kom­plett egal gewesen. Wir haben nie über Fuß­ball gespro­chen, nur über andere Dinge. All­ge­mein war er ein beson­derer Kerl. Er zog sich immer sehr fein an, seine äußere Erschei­nung war ihm total wichtig. Er trug stets Kra­watte und Hemd. Erst als es ihm schlechter ging, kurz vor seinem Tod, schaffte er das nicht mehr.

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