Nilla Fischer ist die Kapitänin der Frauenmannschaft des VfL Wolfsburg. Auf ihre Initiative hin spielen alle Kapitäne des Vereins mit einer regenbogenfarbenen Kapitänsbinde. Wie es dazu kam, erklärt sie im Interview.
Der Wolfsburger Josip Brekalo sagte in einem Interview: „Das spezielle Symbol für die Einstellung anderer Leute möchte ich nicht tragen“. Wie haben Sie auf diese Aussage aufgenommen?
Das war eine blöde Reaktion. Die Regenbogenfahne ist kein Zeichen für Homosexualität, sondern unterstützt und zelebriert die Vielfalt von Lebensformen. Es ist schade, dass sich Herr Brekalo so negativ gegen dieses Symbol für Akzeptanz geäußert hat, aber es ist nur eine einzelne Haltung. Viele Spieler wie Koen Casteels oder Joshua Guilavogui unterstützen meine Initiative auch in den Medien und haben keine Sekunde lang in Frage gestellt, ob wir diese Aktion weiterführen sollen. Da habe ich viel Rückhalt vom Verein und den restlichen Spieler gespürt.
Hatten Sie die Möglichkeit, mit Josip Brekalo zu sprechen?
Nein, hatte ich nicht, aber es wäre bestimmt interessant, mit ihm darüber zu sprechen. Ich glaube, es ist wichtig, sich untereinander auszutauschen. Viele Menschen haben eine abwertende Grundhaltung gegenüber Homosexualität, weil sie grundsätzlich nie damit in Berührung kommen. Kommunikation würde da auf jeden Fall helfen. Trotzdem muss ich ehrlich zugeben, dass ich momentan keine große Lust darauf habe, mit ihm darüber zu reden.
Wünschten Sie sich manchmal ein größeres Zeichen im Männerfußball?
Jeder – nicht nur als Fußballprofi sondern auch als Mensch – muss für sich selbst entscheiden, ob und wie er sich für Toleranz und Gleichberechtigung einsetzt. Und es ist klar, dass jeder Fußballprofi mit großer Reichweite und Strahlkraft auch eine gewisse Verantwortung hat. Ob man seine eigene Sexualität mit der Öffentlichkeit teilt ist eine komplett private Angelegenheit, die jeder mit sich selbst ausmachen muss. Dazu sollte sich niemand gedrängt fühlen. Aber ich würde mich sehr darüber freuen, wenn zumindest mehr Männer ihre Reichweite nutzen würden, um sich gegen Homophobie auszusprechen. Der Effekt wäre da natürlich viel größer, als bei mir.
Glauben Sie, es wird irgendwann eine Zeit geben, in der es selbst im Fußball komplett egal ist, was für eine Sexualität die Spieler haben?
Das wäre natürlich traumhaft. Momentan hat man aber eher das Gefühl, dass sich unsere Gesellschaft in Themen wie Toleranz und Weltoffenheit wieder zurückentwickelt. Anders lässt sich der Zuspruch für den aktuellen amerikanischen Präsidenten nicht erklären. Das ist eine beunruhigende Entwicklung, die sich selbst hier in Europa beobachten lässt.
Das gilt nicht nur für Homophobie und Fremdenfeindlichkeit. Auch Sexismus scheint wieder salonfähig zu sein.
Das stimmt. Jeder muss einfach kurz nachdenken, bevor man etwas sagt oder tut. Viele verletzende und sexistische Situationen könnten so vermieden werden. Ein bisschen Sensibilität würde uns allen gut tun.
Diese Sensibilität hätte auch DJ Solveig bei seiner Ballon‑d’Or-Moderation vertragen können. Als Ada Hegerberg zur besten Fußballerin der Welt gekürt wurde, fragte er sie ob sie twerken könne.
Ada hat sehr gut reagiert. Sie hat einfach „Nein“ gesagt und sich gar nicht erst auf so etwas eingelassen. Ich glaube, dem Moderator war der Sexismus in seiner Frage nicht bewusst. Aber genau das ist der Punkt: Er hat sie unterbewusst auf ihr Geschlecht reduziert und damit einen großartigen Moment überschattet. Da alle Medien natürlich über diese Situation berichtet haben, geriet letztendlich ihr großer sportlicher Erfolg in den Hintergrund. Sie hatte ein großartiges Jahr und hat verdient den Ballon d’Or gewonnen. Nach einer fantastischen Rede darüber, dass Mädchen auf der ganzen Welt den Mut dazu haben sollten Fußball zu spielen, wird ihr diese „Twerking“-Frage gestellt. Das ist schade.
Sie gehören auch zu den größten Fußballerinnen Ihrer Generation. Und trotzdem reden wir nicht über Fußball. Stört Sie das?
Ich rede so viel über Fußball in meinem Leben, da freut es mich, auch mal über andere Themen zu sprechen. Gerade wenn es ein Thema ist, was mir so am Herzen liegt. Ich wünschte mir natürlich, wir wären als Gesellschaft schon einen Schritt weiter und müssten gar nicht erst über Toleranz und Gleichberechtigung reden, aber das ist leider noch nicht der Fall. Und so lange rede ich gerne darüber.