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Seite 2: „Die Gesellschaft entwickelt sich zurück“

Der Wolfs­burger Josip Bre­kalo sagte in einem Inter­view: Das spe­zi­elle Symbol für die Ein­stel­lung anderer Leute möchte ich nicht tragen“. Wie haben Sie auf diese Aus­sage auf­ge­nommen?

Das war eine blöde Reak­tion. Die Regen­bo­gen­fahne ist kein Zei­chen für Homo­se­xua­lität, son­dern unter­stützt und zele­briert die Viel­falt von Lebens­formen. Es ist schade, dass sich Herr Bre­kalo so negativ gegen dieses Symbol für Akzep­tanz geäu­ßert hat, aber es ist nur eine ein­zelne Hal­tung. Viele Spieler wie Koen Cas­teels oder Joshua Gui­la­vogui unter­stützen meine Initia­tive auch in den Medien und haben keine Sekunde lang in Frage gestellt, ob wir diese Aktion wei­ter­führen sollen. Da habe ich viel Rück­halt vom Verein und den rest­li­chen Spieler gespürt.

Hatten Sie die Mög­lich­keit, mit Josip Bre­kalo zu spre­chen?

Nein, hatte ich nicht, aber es wäre bestimmt inter­es­sant, mit ihm dar­über zu spre­chen. Ich glaube, es ist wichtig, sich unter­ein­ander aus­zu­tau­schen. Viele Men­schen haben eine abwer­tende Grund­hal­tung gegen­über Homo­se­xua­lität, weil sie grund­sätz­lich nie damit in Berüh­rung kommen. Kom­mu­ni­ka­tion würde da auf jeden Fall helfen. Trotzdem muss ich ehr­lich zugeben, dass ich momentan keine große Lust darauf habe, mit ihm dar­über zu reden.

Wünschten Sie sich manchmal ein grö­ßeres Zei­chen im Män­ner­fuß­ball? 

Jeder – nicht nur als Fuß­ball­profi son­dern auch als Mensch – muss für sich selbst ent­scheiden, ob und wie er sich für Tole­ranz und Gleich­be­rech­ti­gung ein­setzt. Und es ist klar, dass jeder Fuß­ball­profi mit großer Reich­weite und Strahl­kraft auch eine gewisse Ver­ant­wor­tung hat. Ob man seine eigene Sexua­lität mit der Öffent­lich­keit teilt ist eine kom­plett pri­vate Ange­le­gen­heit, die jeder mit sich selbst aus­ma­chen muss. Dazu sollte sich nie­mand gedrängt fühlen. Aber ich würde mich sehr dar­über freuen, wenn zumin­dest mehr Männer ihre Reich­weite nutzen würden, um sich gegen Homo­phobie aus­zu­spre­chen. Der Effekt wäre da natür­lich viel größer, als bei mir.

Glauben Sie, es wird irgend­wann eine Zeit geben, in der es selbst im Fuß­ball kom­plett egal ist, was für eine Sexua­lität die Spieler haben?

Das wäre natür­lich traum­haft. Momentan hat man aber eher das Gefühl, dass sich unsere Gesell­schaft in Themen wie Tole­ranz und Welt­of­fen­heit wieder zurück­ent­wi­ckelt. Anders lässt sich der Zuspruch für den aktu­ellen ame­ri­ka­ni­schen Prä­si­denten nicht erklären. Das ist eine beun­ru­hi­gende Ent­wick­lung, die sich selbst hier in Europa beob­achten lässt.

Das gilt nicht nur für Homo­phobie und Frem­den­feind­lich­keit. Auch Sexismus scheint wieder salon­fähig zu sein.

Das stimmt. Jeder muss ein­fach kurz nach­denken, bevor man etwas sagt oder tut. Viele ver­let­zende und sexis­ti­sche Situa­tionen könnten so ver­mieden werden. Ein biss­chen Sen­si­bi­lität würde uns allen gut tun.

Diese Sen­si­bi­lität hätte auch DJ Solveig bei seiner Ballon‑d’Or-Moderation ver­tragen können. Als Ada Heger­berg zur besten Fuß­bal­lerin der Welt gekürt wurde, fragte er sie ob sie twerken könne.

Ada hat sehr gut reagiert. Sie hat ein­fach Nein“ gesagt und sich gar nicht erst auf so etwas ein­ge­lassen. Ich glaube, dem Mode­rator war der Sexismus in seiner Frage nicht bewusst. Aber genau das ist der Punkt: Er hat sie unter­be­wusst auf ihr Geschlecht redu­ziert und damit einen groß­ar­tigen Moment über­schattet. Da alle Medien natür­lich über diese Situa­tion berichtet haben, geriet letzt­end­lich ihr großer sport­li­cher Erfolg in den Hin­ter­grund. Sie hatte ein groß­ar­tiges Jahr und hat ver­dient den Ballon d’Or gewonnen. Nach einer fan­tas­ti­schen Rede dar­über, dass Mäd­chen auf der ganzen Welt den Mut dazu haben sollten Fuß­ball zu spielen, wird ihr diese Twerking“-Frage gestellt. Das ist schade.

Sie gehören auch zu den größten Fuß­bal­le­rinnen Ihrer Gene­ra­tion. Und trotzdem reden wir nicht über Fuß­ball. Stört Sie das?

Ich rede so viel über Fuß­ball in meinem Leben, da freut es mich, auch mal über andere Themen zu spre­chen. Gerade wenn es ein Thema ist, was mir so am Herzen liegt. Ich wünschte mir natür­lich, wir wären als Gesell­schaft schon einen Schritt weiter und müssten gar nicht erst über Tole­ranz und Gleich­be­rech­ti­gung reden, aber das ist leider noch nicht der Fall. Und so lange rede ich gerne dar­über.