Beinahe wäre Jake Barnabas Profi geworden, dann verletzte er sich am Knie und wurde Schlagzeuger der Band The Luka State. Ein Gespräch über den FC Everton, Jürgen Klopp und seltsame Fanartikel.
Jake Barnabas, Sie sind in einer Kleinstadt zwischen Liverpool und Manchester aufgewachsen. Wer hat Sie mehr geprägt: Neville Southall oder die Stone Roses?
Ich mag den Sound aus Manchester, aber bis ich 19 war, gab es für mich fast nur Fußball. Ich bin Fan des FC Everton, wie fast alle in meiner Familie.
Paul Di’Anno von Iron Maiden sagte mal: „Wenn du bei uns in East London nicht Fußball spielen oder Boxen konntest, hast du eine Band gegründet.“ Sie spielen mittlerweile Schlagzeug bei der Rockband The Luka State. Konnten Sie auch kein Fußball spielen?
Doch, ganz gut sogar. Ich habe es bis in das Videospiel „Football Manager“ geschafft.
Wie kam es dazu?
Früher wollte ich Profi werden, ich war in der Akademie von Macclesfield Town, danach wechselte ich zum semiprofessionellen Verein Altrincham FC. Wir haben gegen die Nachwuchsteams von Manchester City oder Burnley gespielt, einige meiner Gegenspieler haben es bis nach ganz oben geschafft. Zum Beispiel Kieran Trippier, der heute bei Atletico Madrid ist.
Inwiefern unterscheidet sich das Publikum beim Fußball von dem bei Konzerten?
Ich gehe gerne zum Amateurfußball, zu Crewe Alexandra etwa oder zu meinem alten Klub Altrincham, der seit dieser Saison in der fünftklassigen National League spielt. Dort ist es manchmal wie bei kleinen Indie-Konzerten. Etwas nerdig und sehr intim. Du weißt, du stehst da mit 400 oder 500 Kennern, und vielleicht siehst du gerade den kommenden Dominic Calvert-Lewin.
Warum haben Sie die Fußballkarriere aufgegeben?
Ich habe mich in einem Spiel am Meniskus verletzt und fiel neun Monate aus. Die Ärzte sagten: „Wenn du weiter Fußball spielst, hast du mit 30 ein künstliches Knie.“ Das wollte ich nicht, also überlegte ich, was ich nun machen könnte. Weil ich ein ganz guter Schlagzeuger bin, fing ich an in Rockbands zu spielen. Also passt der Satz von Di’Anno irgendwie doch: Wenn du nicht Fußball spielen kannst, gründest du eine Band. (Lacht.)
Was haben Sie vom Fußball mit in die Musik genommen?
Erstens den Spielstil. Im Fußball war ich ein Abwehrspieler, auf den man sich verlassen konnte. Mein damaliger Trainer würde vielleicht sagen, dass ich ein harter Arbeiter war. Ähnlich spiele ich auch die Drums: keine Tricks mit den Sticks, sondern eher schnörkellos. Außerdem habe ich den Ehrgeiz vom Fußball. In unserer Stadt gab es damals zwei gute Bands. Eine davon war The Luka State, in der ich unbedingt spielen wollte. Also schrieb ich den Manager an: „Ich muss in eure Band! Ich will euer neuer Drummer werden!“
Die Indierockband The Luka State hat sich 2013 im nordenglischen Winsford, Chesire gegründet. Nach zahlreichen Demos und Singles erschien dieses Jahr ihr Debütalbum „Fall In Fall Out“.
Hatte die Band zu dem Zeitunkt keinen Drummer?
Doch. (Lacht.) Ich weiß, es klingt frech. Aber hey, ich wusste, dass er gut Gitarre spielt und die Band einen Gitarristen suchte. Also schrieb ich noch dazu: „Euer Schlagzeuger kann doch Gitarre spielen, dann übernehme ich die Drums!“ Der Manager hat nie geantwortet. Ein Jahr später sah er mich aber auf einem Festival mit einer anderen Band. Und da gefiel ich ihm. Er fragte, ob ich nicht bei ihnen einsteigen wollte.
Klingt nach einem komplizierten Transfer. Gibt es weitere Ähnlichkeiten zwischen Fußball und Musik?
Vielleicht der Konkurrenzgedanke. Er ist in einer Band nicht so stark ausgeprägt wie beim Fußball, schließlich gibt es für jede Position nur einen Musiker. Aber natürlich möchte jeder, dass seine Ideen beim Songwriting oder beim Texten gehört werden.
Songs von The Luka State liefen schon vor einem Manchester-United-Spiel im Old Trafford. Sie spielten live vor einem England-Länderspiel vor dem Wembley-Stadion. Warum passt Ihre Musik so gut zum Fußball?
Die Songs sind chanty, man kann sie gut mitsingen. Neulich spielte auch der Radio-DJ von „Soccer A.M.“, einer meiner Lieblingsshows, einen Song von uns. Das hat mich sehr gefreut. Das kann nur getoppt werden, wenn es ein Luka-State-Song auf einen FIFA-Soundtrack schafft. Ich habe die früher total gerne gehört. Besonders die 2004er Version fand ich super. Mit Kasabian und Avril Lavigne.
Sprechen wir über Everton.
Gerne. Wir machen uns ganz gut diese Saison, oder?
Zumindest am Anfang. Nach sechs Spieltagen führte Everton die Premier League an.
Vier Siege, zwei Unentschieden. Ich habe jede Woche einen neuen Screenshot der Tabelle gemacht und ihn befreundeten Liverpool-Fans geschickt.
Die letzten drei Jahre müssen für Sie anstrengend gewesen sein.
Irgendwann wurden mir die ganzen Siegesserien und Titel echt zu viel. Ich sehe müde aus, oder? (Lacht.) Aber eines muss ich sagen: Ich mag Jürgen Klopp. Schon bei Dortmund fand ich ihn super. Wie übrigens auch Dortmund. Auf unserer letzten Deutschlandtour habe ich mir sogar eine BVB- Gummiente gekauft.
Wer ist Ihr aktueller Everton-Lieblingsspieler?
Dominic Calvert-Lewin. Okay, er ist eine einfache Wahl. Aber er ist halt wirklich gut. Er kann so gut werden wie Harry Kane, glaube ich. Wir müssen ihn nur halten.
Und Ihr All-Time-Lieblingsspieler?
Leighton Baines, ein super Außenverteidiger, der 13 Jahre für Everton spielte.
Wir dachten, alle Everton-Fans lieben Tony Hibbert?
Klar, Hibbo ist eine Legende. Er kam aus der Jugend und hat nie für einen anderen Verein gespielt. Ein One-Club-Man! Was verrückt ist: Er hat nie in einem Pflichtspiel getroffen. Irgendwann machten die Fans ein Banner, auf dem stand: „When Hibbo scores, we riot.“ 2012 traf er in einem Freundschaftsspiel gegen AEK Athen per Freistoß. Die Fans stürmten den Platz.
Danach gab es T‑Shirts mit dem Aufdruck: „I was there when Hibbo scored“. Waren Sie auch da?
Nein. Seit ich in Bands spiele, gehe ich leider nur noch selten ins Stadion. Am Wochenende sind meistens Konzerte.
Haben Sie nie eine Show wegen eines wichtigen Spiels abgesagt?
Nein. Ich habe mal überlegt, was ich machen würden, wenn ein extrem wichtiges Everton-Spiel an einem Konzertabend stattfinden würde, Everton im Champions-League-Finale oder FA-Cup-Endspiel. Ich glaube, wir würden kleine Fernseher neben die Monitorboxen auf die Bühne stellen.
Wenn Sie eine Zeitmaschine hätten: In welche Zeit würde Sie gerne zurückreisen?
In die Neunziger. Tolle Musik und Filme. Und Everton gewann 1995 den FA-Cup. Der letzte Titel. Seit ich Fan bin, haben wir nie was gewonnen. Das ist doch frustrierend. Nicht einen verdammten TItel. Welchen Verein unterstützten Sie?
HSV.
Oh.
Mmh.
Aber hey, ihr könnt ja Zweitligameister werden, oder?