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Dies sind zwei Inter­view-Extrakte aus der Titel­ge­schichte Schrei nach Siegen“ über Joshua Kim­mich (11Freunde 214).

Sie sind mit zwölf Jahren zum VfB gewech­selt. Wie haben Sie diese Zeit in Erin­ne­rung?
Zunächst spielte ich als Gast­spieler bei den Tur­nieren und Spielen. Trai­niert habe ich weiter in meiner Heimat in Bösingen. Im zweiten Jahr bin ich drei Mal in der Woche nach Stutt­gart gefahren, dazu einmal zum Stütz­punkt­trai­ning im Schwarz­wald. Das war brutal: Drei- bis viermal Mit­tags­schule bis 15 – 16 Uhr, dann zum Park and Ride, ab zum Trai­ning, spät abends noch die Haus­auf­gaben machen. Das Pro­gramm war straff. Zum Glück wech­selte ich ein Jahr später ins Internat des VfB, damit erfüllte sich auch ein Traum von mir. Ich hatte früher mal einen Artikel gelesen, dass sie dort einen Kunst­ra­sen­platz auf dem Dach haben und man von dort aus ins Sta­dion schauen kann. Außerdem war Sebas­tian Rudy immer jemand, dessen Weg ich ver­folgte, da er aus einem Nach­barort kam. Doch trotzdem war für mich der Traum vom Profi noch nicht wirk­lich da, auch weil ich im Ver­gleich zu den Älteren kör­per­lich hinten dran war.

Aber Sie waren doch Kapitän Ihrer Mann­schaften.
In den ersten zwei drei Jahren schon, ab der U17 nicht mehr. Ich war auch nicht der alles über­ra­gende Spieler, das war immer der Serge (Gnabry). Die Rolle des Anfüh­rers“ lag mir jedoch, weil ich die nötige Men­ta­lität mit­ge­bracht habe und die anderen mit­ziehen wollte.

Stimmt es, dass Sie dabei auch häu­figer über­zogen? Dass Sie zu hart zu sich und Ihren Mit­spie­lern waren?
Das war sicher bei meinem Hei­mat­verein noch extremer und hat sich beim VfB etwas gelegt, da konnte ich die Energie schon posi­tiver für mich nutzen. Aber ich habe es nicht raus­be­kommen, dass ich bei Nie­der­lagen total fertig war, rum­ge­schrien und auch geheult habe. Da war zu negativ gegen­über mir selbst und meinen Team­kol­legen. Ent­schei­dend war aber das Jahr in der U17: Ich über­sprang einen Jahr­gang und wollte auch da den Ton angeben. Bis ich merkte: Hey, du spielst ja gar nicht mehr! Ich saß unter Thomas Schneider, dem spä­teren Co-Trainer der Natio­nalelf, plötz­lich fünf Spiele auf der Bank. Das hat mich so ange­trieben, dass ich Extra­schichten auf dem Trai­nings­platz und Kraft­raum ein­legte. Ich kämpfte mich zurück in die Mann­schaft, wurde Stamm­spieler und am Ende wurden wir Deut­scher Vize-Meister. In dieser Zeit wurde mir klar: Ich darf den Leuten keine Alibis mehr lie­fern.

Was meinen Sie damit?
Überall bekam ich zu hören: Du bist zu klein, du bist zu schmächtig.“ Aber für meinen Kör­perbau kann ich nicht viel. Was sollte ich machen? Mit 15 richtig den Bizeps auf­pu­shen?! Ich wollte nicht an etwas wie meiner Kör­per­größe schei­tern, für die ich ja nichts konnte. Also sagte ich mir: Du musst alles andere besser machen, andere Bereiche trai­nieren und dort besser als die anderen werden. Dann können all die Trainer und Ver­ant­wort­li­chen das nicht als Aus­rede nutzen, wenn sie mich aus­sor­tieren.

Sie wech­selten später nach Leipzig. Wie ver­lief Ihre erste Zeit dort?
Das war schon schwierig, ohne Frage. Es kam vieles zusammen. Zum einen war ich noch am Scham­bein ver­letzt, zuvor hatte ich mona­te­lang unter Schmerzen trai­niert und gespielt. Diese Ver­let­zung hatte sich ins­ge­samt über drei bis vier Jahre hin­ge­zogen. Selbst das Joggen war schmerz­haft. Dann kommen Gedanke wie, dass ich nie wieder ohne Schmerzen Fuß­ball spielen würde, auf. In Leipzig musste ich mich dann aus­schließ­lich um meine Gesund­heit küm­mern. Mein Motto war immer: Wenn du Pro­bleme hast, musst du mehr machen als alle anderen. Mor­gens bin ich um acht Uhr mit dem Fahrrad zum Trai­nings­ge­lände gefahren, habe in der Gruppe im Wasser trai­niert, dann mit­tags alleine gegessen. Nach­mit­tags bekam ich dann die medi­zi­ni­sche Behand­lung, danach trai­nierte ich wieder indi­vi­duell. Abends um 18 Uhr bin ich dann voll­kommen platt im Hotel ange­kommen. Das ging mona­te­lang so, ohne dass ich nur einmal einen Ball am Fuß hatte.

Was waren die anderen Gründe für Ihre harte Zeit?
Ich hatte noch keinen echten Anschluss und war mehr oder weniger kom­plett auf mich alleine gestellt. Ich war zum ersten Mal in einer fremden Stadt, weit weg von zu Hause, besaß dazu noch keinen Füh­rer­schein. Der dama­lige Ath­le­tik­trainer lieh mir zeit­weise sein Fahrrad, damit ich mobil war, mir Woh­nungen in der Stadt anschauen und zum Trai­ning fahren konnte. In dieser Anfangs­zeit hat mir meine Familie schon stark gefehlt, wir haben aber jeden Tag tele­fo­niert. Heimweh, Ein­sam­keit, die Ver­let­zung – am Anfang kam alles zusammen.

Ich werde mein erstes Trai­ning in Leipzig nie ver­gessen. Vorher hatte ich schon Sprüche zu hören bekommen nach dem Motto Du kommst hier her, kos­test viel Geld und liegst drei Monate nur auf der Mas­sa­ge­bank“. Ich war also ordent­lich moti­viert vor meinem ersten Trai­ning, doch in den ersten 15 Minuten sah ich keinen ein­zigen Ball. Das Spiel lief kom­plett an mir vorbei. Man hatte ja im Vor­feld schon viel über diesen Leip­ziger Stil, dieses Jagen, gehört, aber mit­ten­drin ging ich total unter. Ich dachte mir nur: Wie soll ich das schaffen?“

Wie haben Sie es geschafft?
Im Prinzip war auch diese Ent­täu­schung im Trai­ning ein totaler Segen, weil meine kör­per­liche Schwäche noch mehr her­aus­ge­stellt wurde. Ich habe dar­aufhin mit unserem Ath­le­tik­trainer Tim Lobinger an meiner Bein­kraft, an meinem Ober­körper gear­beitet. Bei der Physis musste ich viel nach­holen, aber fuß­bal­le­risch wusste ich schnell, dass ich es dort packen kann. Nach meinem ersten Spiel haben das auch die anderen Jungs gemerkt.

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