André Schürrle beendet seine Karriere. Mit 29 Jahren. Im Interview spricht er über die schwere Zeit in Dortmund, den Umgang mit überzogenen Erwartungen und den größten Moment seiner Karriere.
Liegt Ihnen der fehlende Komfort? In dem Spiel erzielten Sie gleich drei Tore.
Die Chelsea-Fans sangen minutenlang meinen Song: „André Schürrle, düpdüpdüdüp, André Schürrle düpdüpdüdüp!“ Als ich im August mein erstes Spiel für Fulham im Craven Cottage machte, übernahmen die Fans den Song sofort. Schon nach den ersten gelungenen Aktionen, einem Dribbling, einem Abschluss, einer vorbereiteten Chance sangen sie das Lied. Ein phantastischer Start.
Für Sie läuft es in der Premier League gut, in der Hinrunde erzielten Sie schon fünf Tore. Doch ihr Team steckt im Abstiegskampf. Müssen Sie sich mit schlechtem Gewissen freuen?
Nein. Weil ich spüre, dass unsere Leistung trotz der bisher mauen Resultate wertgeschätzt wird. Ich spiele befreiter, habe meine Aktionen, meine Schüsse, meine Tore. Das erkennen die Leute an – und daraus ziehe ich eine Form von innerer Sicherheit.
Thomas Brdaric hat mal gesagt, er würde lieber 4:4 spielen und dabei vier Tore schießen, als ohne ein eigenes Tor 1:0 zu gewinnen. Danach galt er als schwer vermittelbarer Egoist. Aber, Hand aufs Herz: Denkt nicht klammheimlich jeder Stürmer so?
Schwierige Frage. Was ich sagen kann: Ein eigenes Tor macht eine Niederlage erträglicher. Das wird auch kein Fußballer verneinen, wenn er ganz ehrlich ist. Wir sind Mannschaftssportler und am Ende bringen dir gute individuelle Leistungen nichts, wenn du als Team auf die Mütze bekommst. Aber wenn du 1:2 verlierst und dabei das Tor gemacht hast, liegst du abends vielleicht nicht ganz so lange wach. Spiele, die wir ohne Tor von mir gewinnen, sind mir dennoch lieber als Niederlagen oder Unentschieden mit eigenem Tor.
Bevor Sie zum VfL Wolfsburg gewechselt sind, haben Sie sich auf einem Blatt mögliche Aufstellungen notiert und Ihre eigene Rolle darin jeweils akribisch genau geplant. Lief das vor dem Wechsel nach Fulham ähnlich?
Nein, überhaupt nicht. Ich habe mir zwar den Kader und Sequenzen aus der vergangenen Saison angeschaut. Aber nur, weil ich die zweite englische Liga nicht verfolgt hatte und dementsprechend ahnungslos war. Doch ins Detail bin ich ganz bewusst nicht gegangen. Es kommt sowieso immer anders, als man es sich auf dem Papier ausmalt. Das erste Jahr in Wolfsburg war zum Beispiel extrem schwierig für mich und von den Sachen, die ich mir notiert hatte, ist genau gar nichts eingetroffen. Bei dem Wechsel nach Fulham wollte ich deshalb auf mein Gefühl hören, nicht nur auf den Kopf.
Weil Sie mit Kopfentscheidungen in der Vergangenheit danebengegriffen hatten?
Es gab zumindest Entscheidungen, bei denen vermeintlich logische Überlegungen eine größere Rolle spielten als das Bauchgefühl. Zum Beispiel der Wechsel nach Dortmund. Ich hatte zwar auch große Lust auf den Klub, auf das Stadion und die Atmosphäre. Trotzdem fiel mir die Entscheidung schwer, weil ich in Wolfsburg gerade erst in Form gekommen war. In der Rückrunde hatte ich neun Tore erzielt, ich fühlte mich endlich richtig angekommen. Und ich bin mir sicher: Das wäre in der nächsten Saison so weitergegangen. Doch dann kam der Anruf von Thomas Tuchel.