André Schürrle beendet seine Karriere. Mit 29 Jahren. Im Interview spricht er über die schwere Zeit in Dortmund, den Umgang mit überzogenen Erwartungen und den größten Moment seiner Karriere.
Der BVB verpflichtete Sie ja nicht nur wegen ihrer tadellosen Einstellung.
Wenn es um Tore und Assists geht, konnte ich die Erwartungen in Dortmund nicht erfüllen, das weiß ich selbst. Und ich weiß auch, dass es schlechte Phasen gab. Aber zur Wahrheit gehört auch, dass ich in Dortmund so oft mit Verletzungen zu kämpfen hatte wie noch nie zuvor in meiner Karriere. Trotzdem hatte ich auch gute und schöne Momente beim BVB. Mit den tollen Zuschauern, mit wichtigen Toren wie gegen Madrid, mit intensiven Spielen und mit neuen Freunden, die ich gewonnen habe.
Ist die Leihe nach Fulham eine Flucht?
Ich habe als Nationalspieler doch längst bewiesen, was ich leisten kann, wenn man mir vertraut. Und ich habe in Wolfsburg bewiesen, dass ich mich aus einem Loch herausziehen kann, wenn man mir die nötige Zeit gibt. Zuletzt wurde es aber schwer für mich, gegen negative Stimmungen anzukämpfen. Unter dem Strich war es konsequent, die Möglichkeit für einen Wechsel zu nutzen.
Als es für Sie im Jahr 2009 rasant bergauf ging, haben Sie jeden Artikel über sich gelesen. Wie ist es heute?
Dieses Verhalten kann man sich leider nicht so leicht abgewöhnen. Dementsprechend habe ich auch einiges an negativen Äußerungen mir gegenüber mitbekommen. Man lernt damit umzugehen und versucht, bestimmte Kommentare – gerade in den sozialen Netzwerken – nicht persönlich zu nehmen.
Dort wurden Sie als „Witzfigur“ oder „Vollgurke“ bezeichnet. Unter einem Werbefoto, auf dem Sie mit neuen Fußballschuhen posieren, verglich Sie ein Nutzer mit einem Veganer, der für Gehacktes wirbt.
Solche Sprüche sind nicht schön und haben auch dazu geführt, dass ich mich in den sozialen Medien zurückgenommen habe. Andererseits muss man verstehen, dass solche Leute sich auf Kosten anderer anonym lustig machen wollen und sich dabei scheinbar gut fühlen. Umso wichtiger sind mir die Fans, die mich unterstützen, die mich aber auch sachlich kritisieren können.
Fühlten Sie sich respektlos behandelt?
Respektlos ist ein großes Wort. Aber wenn es schlecht läuft oder einer dich auf dem Kieker hat, gehen Kommentare und Zitate durchaus ins Respektlose. In den sozialen Medien und im Schutz der Anonymität ist der Anteil natürlich ungleich höher. Aber es gehört auch zur Entwicklung, Dinge auszublenden. Man weiß, dass es immer nur bestimmte Gruppen sind, die dich treffen wollen. Gruppen, die nicht wichtig sind.
In Fulham fliegen Ihnen die Herzen dagegen förmlich zu. Und das, obwohl Sie früher für den Rivalen Chelsea gespielt haben, dessen Stadion nur fünf Minuten entfernt liegt.
Als ich im Sommer gemeinsam mit meiner Verlobten in Fulham Häuser angeschaut habe, lernte ich viele Fans kennen. Menschen, die ihre Saisontickets und ihre Liebe zum Klub seit Generationen weitervererben. Die haben mir gedankt, dass ich für ihren Verein spiele. Das war für mich sehr wichtig und ein besonderes Gefühl. Egal, ob vor oder nach einem Spiel – sie geben dir das Gefühl: Ich bin ihr Spieler, ich gehöre dazu. Sie danken einem für den Einsatz und wünschen dir viel Erfolg für das nächste Spiel.
Craven Cottage ist eines der ältesten Stadien im Profifußball, die Holztribüne wurde 1905 gebaut, die Umkleidekabinen sind in einer alten Jagdhütte untergebracht. Bei Chelsea und Dortmund war mehr Lametta.
Als ich das erste Mal nach Fulham kam, spielte ich noch für Chelsea. Wir kamen am Craven Cottage an und ich dachte nur: „Leck’ mich am Arsch.“
Warum?
Für den Mannschaftsbus gab es auf dem kleinen Gelände keinen Parkplatz, also mussten wir draußen auf der Straße halten. Und in der winzigen Gästekabine konnten wir Spieler nicht mal richtig sitzen, dauernd stießen wir mit den Knien aneinander. Die Massagebänke wurden in der Dusche aufgebaut, weil es sonst zu eng geworden wäre. Damals war Frühling, draußen wurde es endlich etwas wärmer, und trotzdem war es in der Kabine bitterkalt. Da wusste ich: Das wird kein angenehmes Spiel.