Ronald Reng schrieb die Biographie von Robert Enke – und war einer seiner engsten Freunde. Hier erzählt Reng vom Leben mit und ohne den Nationaltorhüter.
Die Bild veröffentlichte in dieser Woche einen Artikel, in dem die letzten Stunden vor dem Tod Enkes minutiös nachgezeichnet wurden. In einem anderen wurde sich der Frage gewidmet, was aus seinen Sargträgern wurde. Wie empfinden Sie diese Art der öffentlichen Aufarbeitung?
Davon höre ich gerade zum ersten Mal, das habe ich nicht mitbekommen. Aber ich wohne auch in Bozen und die einzige deutsche Zeitung, die ich in dem Café lese, in dem ich immer frühstücke, ist die FAZ. Insofern kann ich nicht beurteilen, was genau andere Redaktionen in diesen Tagen veröffentlichen. Ich weiß nur, dass es von Psychiatern und Journalistenverbänden klare Anweisungen gibt, wie man bei der Berichterstattung über Suizid vorgehen sollte. Dass man beispielsweise nicht den genauen Tatort nennen sollte und nicht erklärt, wie genau ein Mensch sich umgebracht hat. Damit man Leute nicht zum Nachahmen verleitet. Im Idealfall sollten diese Richtlinien eingehalten werden.
Sie haben mit Ihrem Buch über Robert Enke Millionen von Menschen erreicht. Haben sich danach andere Profis, die psychische Probleme hatten, bei Ihnen gemeldet?
Profis nicht. Aber manche Trainer haben bei mir nach Rat gefragt. Nach dem Tod von Gary Speed wurde ich außerdem darum gebeten, mit seiner Mutter zu sprechen. Insgesamt bin ich aber nicht zum Kummerkasten der Profisportler geworden. Dafür haben sich normale Leser, die mit psychischen Erkrankungen zu kämpfen hatten, bei mir gemeldet und erzählt, dass ihnen das Buch geholfen hätte. Dass da ein so hoch-talentierter, erfolgreicher und starker Mensch genauso betroffen sein konnte wie sie, hat vielen das Gefühl gegeben: Ich bin ganz normal, es kann jeden treffen, es liegt nicht an mir.
Heute vor zehn Jahren beging ihr Freund Robert Enke Suizid. Wie verbringen Sie diesen Tag?
In den ersten Jahren war es mir und vielen anderen, die Robert nahestanden, sehr wichtig, seinen Todestag gemeinsam zu verbringen. Um über ihn zu reden. Seine Frau Teresa, seine Mutter, sein Berater Jörg Neblung, sein guter Freund Marco Villa. Jetzt, nach zehn Jahren, ist der Drang, unbedingt an diesem einen Tag beieinander zu sein, nicht mehr da. Wir sehen uns ja auch zu anderen Anlässen und reden auch im Alltag miteinander über unsere Erinnerungen. Den zehnten Todestag verbringt also jeder für sich, in eigenen Gedanken an Robert. Die Zeit heilt nicht nur die Wunden, sie normalisiert auch die Trauer über den Verlust. Auch wenn das Wort „normalisiert“ in diesem Zusammenhang kein schönes ist.
Woran machen Sie das außerdem fest?
Ich fahre zum Beispiel nicht mehr jedes Mal zu seinem Grab, wenn ich in Hannover bin. Manchmal reicht es mir auch, mich ins Café Kreipe an der Oper zu setzen, wo Robert selber sehr gerne Zeit verbrachte. Und dort an ihn zu denken.