Heute wird Eike Immel 60 Jahre alt. Wir sprachen einst mit ihm über die Tiefen und Höhen seiner Karriere, über Reue und die Kunst, aufzustehen. Und über seine Entscheidung, kurz vor der WM 1990 zurückzutreten.
Welches war der schönste Moment Ihrer Karriere?
Den schönsten Moment gibt es nicht. Zu den schönsten gehören das erste Bundesligaspiel, das erste Länderspiel, da wurde ich in Eindhoven gegen Holland eingewechselt und habe kein Gegentor kassiert. Dann natürlich der Gewinn der deutschen Meisterschaft mit dem VfB, der extrem überraschend für uns kam. Dazu noch hunderttausend andere schöne Momente, die man im Fußball eben so hat. Unter dem Strich ist es einfach eine wunderschöne Zeit. Wissen Sie, da geht ein Traum in Erfüllung. Man frönt als Kind diesem Hobby und rechnet niemals damit, dass man mal Geld damit verdienen kann. Auf einmal ist man Fußballprofi. Wie gut die Zeit war merkt erst dann so richtig, wenn es fast schon wieder vorbei ist. Natürlich gibt es auch Höhen und Tiefen, aber letztlich kann man nur dankbar sein, dass man diese Zeit hatte.
Wo Sie gerade Tiefen sagen: Was fällt Ihnen zu Rolf Fringer ein?
Ja… (muss plötzlich lachen) Das ist ja ‚ne ganz böse Frage.
Rolf Fringer zog Ihnen zu Beginn der Saison 1995/96 völlig überraschend den damals noch unbekannten Marc Ziegler vor.
Ich sage es mal so: Egal, ob ich jetzt zehn oder zwanzig Jahre Stammtorhüter in der Bundesliga bin, wenn ich sehe, dass jemand kommt, den man nicht aufhalten kann, vielleicht wie damals Olli Kahn in Karlsruhe oder René Adler in Leverkusen, dann beuge ich mich dem und frage, wie ich mich noch einbringen kann. Ich weiß nicht, was Fringer damals geritten hat, mich in Frage zu stellen. Nichts gegen Marc Ziegler, der ja in Dortmund gezeigt hat, dass er ein guter Torhüter ist. Aber damals war er einfach noch nicht soweit.
Wie hat Fringer Ihnen die Entscheidung begründet?
Er hat mich damals zu sich zitiert und mir gesagt: »Du spielst hier nie wieder. Es sei denn, alles läuft schief und wir brauchen noch mal einen erfahrenen Mann.« Nach dieser Aussage blieb mir nichts anderes übrig, als den Verein zu wechseln. Wir müssen das jetzt auch gar nicht so breit treten. Rolf Fringer möchte ich nicht weiter kommentieren, es hat sich ja dann auch schnell erledigt, und ich weiß gar nicht, wo er heute überhaupt ist.
War das der bitterste Moment Ihrer Karriere?
Ich denke schon. Ich habe für meine Vereine immer 110 Prozent gegeben. Ich war immer dann besonders präsent, wenn es im Verein schlecht lief und keiner Lust hatte, Rede und Antwort zu stehen oder Sponsorentermine wahrzunehmen. Das bedeutet nicht, dass man deswegen spielen muss, aber das bedeutet, dass mit einem vernünftig umgegangen wird.
Die Entscheidung gegen Sie stellte sich bald als falsch heraus.
Auch für Marcs Karriere wäre es vielleicht besser gewesen, denn für ihn war es natürlich eine unheimlich schwere Situation. Er musste auf Anhieb jemanden ersetzen, der die Jahre vorher auch nicht so ganz schlecht gewesen ist. Man hätte ihn behutsam aufbauen müssen, aber so hat man ihm dann wenig später Franz Wohlfahrt vor die Nase gesetzt.
Wie kam dann der Kontakt zu Manchester City zustande?
Das war ein Glücksfall. Ich kam aus dem Gespräch mit Rolf Fringer und hatte mich kaum wieder gesammelt, als ich einen Anruf bekam und gefragt wurde, ob ich nicht Lust hätte, in England zu spielen. Für mich war die Sache nach zwei Minuten klar, nur der Verein hat sich dann noch ein bisschen quer gestellt. Da bin ich Gerhard Meyer-Vorfelder im Übrigen sehr, sehr dankbar, weil er in dieser Situation der einzige war, der ein bisschen Menschlichkeit hat walten lassen. Er hat gesagt: „Der Junge hat große Verdienste um den Verein, dem legen wir keine Steine in den Weg.“ So konnte ich noch mal nach England gehen und mir damit einen Traum erfüllen.
Wie war es denn auf der Insel?
Sensationell. Das war eine der schönsten Erfahrungen überhaupt. Vielleicht bin ich da nicht ganz gerecht, denn wenn man 20 Jahre Bundesliga spielt und dann nur knapp zwei Jahre in England, neigt man möglicherweise dazu, die Sache ein bisschen zu positiv zu sehen. Aber die Traditionen, die sensationellen Stadien – schon als kleines Kind hatte ich Bücher darüber gelesen.
Sportlich lief es nicht ganz so gut.
Wir hatten leider keine Mannschaft, die richtig mithalten konnte. Manchester City befand sich damals in einer finanziell schwierigen Situation, so dass im Lauf der Saison wichtige Leistungsträger verkauft werden musste. Letztlich hat uns dann ein einziges Tor zum Klassenerhalt gefehlt. Das war schon bitter.
Wer war für Sie der beste Torhüter aller Zeiten?
Peter Schmeichel ist zumindest der beste Torhüter, den ich in meinem Leben gesehen habe. Es ist unvorstellbar, was der Mann in der Premier League gehalten hat. Er hatte eine Präsenz, eine Körperbeherrschung, eine physische Ausstrahlung – unglaublich! Auf der Linie war er fast unbezwingbar. Lustig ist: Vor einem Spiel gegen Dänemark sagt der Franz Beckenbauer: »Der Schwachpunkt der Dänen ist ja ihr Torhüter.« Peter Schmeichel, Fliegenfänger und so. Ich denke nur: »Mensch Franz, das kann ja wohl nicht wahr sein.« Und im Länderspiel flutscht dem Schmeichel der erste Ball, der aufs Tor kommt, durch die Beine.