Manuel Schäffler ist Torjäger und Pop-Art-Maler, nun ist sogar der HSV am Stürmer interessiert. Der 31-Jährige über die Kunst des Toreschießens, die Kunst auf der Leinwand und seine Beinahe-DJ-Karriere.
Manuel Schäffler, was ist für Sie ein schönes Tor?
Zlatan Ibrahimovics Fallrückzieher aus 40 Metern gegen England. Da passte einfach alles, die Länge, die Höhe, der Ball kam genau zum richtigen Zeitpunkt runter. Schon die Idee, den Ball nicht anzunehmen und einen Konter zu spielen, sondern den Ball aus dieser Situation per Fallrückzieher aufs Tor zu schießen, zeugte von so viel Wahnsinn und Selbstbewusstsein. So etwas macht man nicht einfach so. So etwas macht man, wenn man fühlt, dass der Ball tatsächlich reingehen könnte.
Es war aber nur ein Tor in einem Freundschaftsspiel.
Das stimmt, und daher ist es vielleicht anders zu bewerten als ein Tor in der letzten Minute eines wichtigen Pokalspiels. Trotzdem: Zlatan schoss das Tor für seine Nationalmannschaft gegen einen großen Gegner. Das Tor ist vollkommen zu Recht um die Welt gegangen.
Welches Tor von Ihnen war besonders schön?
Mein Treffer vor zwei Wochen gegen den HSV.
Es könnte in der Sportschau sogar das „Tor des Monats“ werden. Haben Sie die Reaktionen des Publikums vermisst?
Sie meinen das Staunen auf den Rängen? Den Was-war-das-denn-Moment? Das wäre noch mal ein größerer emotionaler Effekt gewesen. Aber eigentlich war ich nur glücklich, dass der Ball exakt so flog, wie ich es wollte.
Hätten Sie den Ball ähnlich locker über Hamburgs Torwart gechippt, wenn 40.000 Zuschauer im Stadion gewesen wären?
Ich denke nicht darüber nach, ob Publikum da ist oder nicht, sondern handele sehr intuitiv. Ich habe mal ein Tor gegen Chemnitz in der letzten Minute geschossen, danach wusste ich selber nicht so recht, wie ich den reingemacht habe.
Der ehemalige Bundesligastürmer Thomas Brdaric sagte mal, dass er lieber 4:4 spiele und dabei alle Tore schieße, als 1:0 ohne eigenen Treffer zu gewinnen. Egoistisch oder nachvollziehbar?
Ich verstehe, was er meint, denn als Stürmer willst du einfach Tore schießen. Aber ich bin Teamplayer, ich liebe es, Mitspieler zu haben. Sonst könnte ich ja auch einen Einzelsport wie Tennis ausüben. Ich würde also immer das 1:0 ohne eigenen Treffer einem Unentschieden vorziehen.
In den vergangenen zwei Jahren haben Sie mit Wehen Wiesbaden um den Aufstieg in die Zweite Liga gespielt, dieses Jahr kämpft Ihre Mannschaft gegen den Abstieg. Was ist der Unterschied für einen Stürmer?
Anfangs mussten wir uns als Mannschaft erst mal in der Zweiten Liga akklimatisieren. Ehe wir uns versahen, standen wir ganz unten, von den ersten sieben Spielen haben wir sechs verloren. Als Stürmer hast du da natürlich weniger Chancen, du musst die zwei, drei Gelegenheiten pro Spiel nutzen. In den letzten zwei Spielen gegen den HSV und Dresden hatten wir allerdings Chancen im Überfluss. Deswegen bin ich auch optimistisch, dass wir die Klasse halten.
Ihre Karriere nahm so richtig erst 2017 mit Ihrem Wechsel zu Wehen Wiesbaden auf, für die Sie bislang 79 Tore in 148 Spielen geschossen haben. Aktuell führen Sie mit 18 Toren die Zweitligatorjägerliste an. Sie sind allerdings schon 31 Jahre alt. Haben Sie zu spät Ihre Qualitäten gefunden?
Ich habe in Kiel einen Moment gehabt, da dachte ich: Das kann’s alles nicht sein. Ich war nicht zufrieden mit der bisherigen Karriere. Damals war es besonders blöd, weil ich kaum zum Einsatz kam. Mein Spiel passte nicht zum System unseres Trainers (Karsten Neitzel, d. Red.), und weil ich meine Meinung immer geradeaus sage, sind wir ein paar Mal aneinandergeraten. Aber irgendwann habe ich mich hingesetzt und richtig hart an meiner Physis und Athletik gearbeitet. Ich wollte dem Trainer zeigen, dass er mir jede Aufgabe geben kann, ich werde sie annehmen. Ich habe zwar auch danach nur wenig gespielt, aber ich war super in Form. Und in Wiesbaden hat sich das dann bestätigt.
„Ich habe die Fehler oft bei anderen gesucht, aber nicht bei mir.“
Sie haben in einem Interview mit der FAZ mal gesagt: „Ich war nicht angenehm in jungen Jahren.“ Was meinen Sie damit?
Ich habe die Fehler oft bei anderen gesucht, aber nicht bei mir.
Haben Sie sich bis Ende 20 also selbst im Weg gestanden?
Ich hätte einen Mentor gebraucht, jemanden, der mich etwas führt.
Gab es die bei Ihrem ersten Verein 1860 München nicht?
Bernhard Winkler (Schäfflers Trainer bei der zweiten Mannschaft von 1860, d. Red.) war wichtig. Das war einer, zu dem ich aufgeschaut und von dem ich mir einiges abgeguckt habe. Als ich zur ersten Mannschaft von 1860 stieß, war da auch Gregg Berhalter, der war Mitte 30 und hat versucht, Nachwuchsspieler wie mich zu integrieren. Aber er war auch schnell wieder weg.
Sind Sie eigentlich ein Sechz’ger?
Ich bin Münchener, und eines Tages möchte ich mit meiner Familie auch zurück in die Stadt. Ich bin 1860 unglaublich dankbar, wenn Sie das meinen. Ich schaue immer, was der Verein macht, immerhin bin ich bei Sechzig Profi geworden und habe zehn Jahre dort gespielt. Ich habe sogar Zivildienst in der Jugendabteilung von 1860 absolviert. Meine Hauptaufgabe im Internat war es, Nachwuchsspieler wie Moritz Leitner morgens zu wecken und zur Schule zu schicken.
Wer hat gerne mal verschlafen?
Das kam nicht vor, darauf habe ich sehr geachtet. Ich selbst hatte immer eine gute Disziplin, nur einmal habe ich in meinem Leben verschlafen, und auch nur eine halbe Stunde. Das war nach der Aufstiegsfeier im Mai 2019.
Woher kommt diese Disziplin?
Vielleicht aus meiner eigenen Internatszeit. Damals war mein Tag extrem getaktet: 6 Uhr aufstehen, 7 Uhr zur Schule, 8 bis 13 Uhr Schule, danach war ich in München bei der Familie eines Mitschülers und habe dort meine Hausaufgaben gemacht, um 19 Uhr war Training, und um 23 Uhr war ich zuhause. Es war kaum Zeit für andere Dinge.