Fußball ohne Zuschauer – das ist für Schauspieler und Werder-Fan Matthias Brandt einfach nur traurig. Seine ganz persönliche Absage an die Geisterspiele.
Herr Brandt, einen solchen Stillstand wie in den letzten zwei Monaten hat es in der Geschichte des Sports noch nie gegeben. Wochenlang kein kollektives Erlebnis, keine Glücksgefühle, kein Frust – muss das der Dauerzustand von jemanden sein, der sich überhaupt nicht für Sport interessiert?
Das ist lustigerweise etwas, worüber ich noch nie nachgedacht habe: Wie das für jemanden ist, der sich nicht für Sport interessiert. Nicht weil ich bestreite, dass es das gibt. Sondern weil ich das als Lebensform uninteressant finde (lacht). Aber diejenigen haben es dann ja, was die letzten zwei Monate angeht, gut gehabt – eine Horrorvorstellung ist das ja nur für unsereinen.
Was bedeutet Ihnen der Fußball?
Der Fußball ist ein wichtiger Teil meines Lebens, seit ich acht war. Das heißt, ich bin jetzt seit einem halben Jahrhundert Fußballfan. Er hat in meinem Leben und in meiner Persönlichkeitsentwicklung wirklich eine riesige Rolle gespielt. Sowohl als minderbegabter Spieler, wie auch als Fan, der sich mit seiner Mannschaft verbindet. Ich möchte mir ein Leben ohne Fußball eigentlich nicht vorstellen. Es wäre definitiv weniger schön.
Was heißt das für Sie: sich verbinden?
Das Gefühl, Fan zu sein, Anhänger einer Mannschaft, sonst wo sein zu können auf der Welt und zu wissen, wir spielen jetzt – und sich in diesem Moment in gewisser Weise auch verbunden zu fühlen mit allen möglichen, auch fremden Leuten, denen es genauso geht. Das ist doch etwas sehr Besonderes. Zum Beispiel habe ich neulich im Rahmen dieser ganzen Wiederholungen noch einmal dieses 4:0 von Liverpool gegen Barcelona gesehen.
Das Rückspiel im Champions-League-Halbfinale aus dem vergangenen Jahr, als Liverpool ein 0:3 aus dem Hinspiel drehte.
Genau. Und das war ein Spiel, das die Zuschauer gewonnen haben! Wo diese irre Gruppendynamik entstanden ist, die wir ja alle kennen, denen am Fußball etwas liegt. Ein Stadion, das gemeinsam beschließt: Vier Tore gegen Barcelona? Egal, warum nicht? Ich behaupte jetzt mal, jeder Fußballfan hat schon einmal Ähnliches erlebt. Und bei diesen vier Toren, die sie dann tatsächlich geschossen haben, da ist ja kein Spieler zum Trainer gelaufen, obwohl die den offensichtlich sehr mögen. Nein, die sind in die Kurve gelaufen, weil sie wussten, dass eigentlich die Zuschauer das geschafft hatten. Und dass sie gewissermaßen nur deren Willen in die Tat umgesetzt hatten. Und dieser irre Psychomoment, der macht es eigentlich aus. Jeder echte Fan hat doch das Gefühl, er könne mittels Telepathie das Spielgeschehen beeinflussen. Übrigens auch vor dem Fernseher. Man verbindet sich als Fan vor dem Fernseher ja mit den Fans im Stadion – die sind meine Stellvertreter. Nicht die Spieler.
Dann ist Ihre Verbindung ins Stadion nun also vorerst abgerissen.
Ganz genau. Das einfach zu negieren, ist doch total grotesk. Wenn man das jetzt wegnimmt, dann nimmt man mich, der ich vor dem Fernseher hocke, eben auch weg. Ich habe da keinen Platz mehr.
Wie kalt hat Sie damals die abrupte Unterbrechung erwischt?
Also ohne das jetzt noch weiter sentimental überhöhen zu wollen: Sie merken ja vielleicht, dass der Fußball nichts ist, was irgendwie eine schöne Nebensache für mich wäre, auf die ich problemlos verzichten kann. Für mich waren die letzten zwei Monate wirklich ein Einschnitt, entbehrungsreich. Mein Leben war dadurch ein anderes. Das war ein klassischer kalter Entzug.