Fußball ohne Zuschauer – das ist für Schauspieler und Werder-Fan Matthias Brandt einfach nur traurig. Seine ganz persönliche Absage an die Geisterspiele.
Matthias Brandt, die Bundesliga setzt an diesem Wochenende die Saison fort. Wie groß ist Ihre Freude darüber?
Ich werde damit nichts zu tun haben. Ich nehme das nicht zur Kenntnis.
So einfach?
Wenn ich sage, ich will mit dieser Konstruktion, die nur geschaffen wurde, um irgendwie noch die Fernsehknete zu kriegen, nichts zu tun haben, dann heißt das ja nicht, dass es mir nichts ausmacht. Ich leide natürlich darunter, dass ich meine Anteilnahme verweigern muss. Die Frage ist nur: Was macht mir weniger aus? In dem Fall halt, nicht hinzugucken.
Sie meinen es ernst.
Ich meine das ganz ernst: Ich finde diese Geisterspiele vollkommen daneben! Ich weiß, dass mein Verein, der mir mehr am Herzen liegt, als ich es mit Worten ausdrücken kann, das machen muss, weil er sonst pleite geht. Aber das ist es dann auch. Ich warte gewissermaßen drei Straßenecken weiter auf die Jungs, bis sie den Quatsch hinter sich gebracht haben. Ende Juni oder im Juli, vielleicht in zwei Wochen, wer weiß schon, wie lange das überhaupt gutgeht, werde ich dann zur Kenntnis nehmen, was bei der Aktion rausgekommen ist und damit umgehen. Das ist meine Haltung dazu.
Sie gelten als glühender Anhänger von Werder Bremen, die Geisterspiele aber ignorieren Sie. Fußball mit Zuschauern ist für Sie aber schon eher systemrelevant?
Wie Sie sich denken können, ist er für mein System sehr relevant. Aber das ist ja nicht Ihre Frage. Um das zu beantworten, müsste ich mir Kategorien zu eigen machen, die nicht meine sind. Was man aber festhalten kann: In der Frage wirkt ja längst die normative Kraft des Faktischen. Es sind von der Regierung Entscheidungen getroffen worden, die bedeuten, dass das, was meinetwegen Herr Timo Werner tut, jetzt systemrelevant ist. Und das, was ich tue, eben nicht.
„Es fehlt ein gemeinsamer Geist“
Wenn Sie jetzt aussteigen und an der Ecke warten wollen: Was wird Ihre Geschichte für diese Saison sein?
Bis zu dem Zeitpunkt, als unterbrochen wurde, ist das für uns ja schon eine maximal entsetzliche Saison gewesen. Eine Heimsuchung nach der anderen, irgendwann wurde man ganz mürbe.
Die Unterbrechung als Erlösung?
Ich war im ersten Moment ganz froh – natürlich nicht darüber, dass eine Pandemie ausgebrochen ist, es wäre auch ein paar Nummern kleiner gegangen. Aber dass da die Sicherung rausgehauen wurde, war erstmal erleichternd. Die Mannschaft stand ja in der Ecke wie ein Boxer, der einen Schlag nach dem anderen kassiert und die Arme nicht mehr hochbekommt. Der aber eben noch nicht umgefallen ist.
Dem können Sie sich nun abwenden?
Ich habe mir damals noch das Spiel Gladbach gegen Köln (erstes Bundesliga-Geisterspiel kurz vor der Unterbrechung, Anm. d. R.) ein paar Minuten lang angeguckt, aber dann habe ich das nicht mehr ertragen. Ich finde es absurd, Spiele in diesen Riesenstadien ohne Zuschauer veranstalten zu lassen, total irre. Aber es muss halt dort stattfinden, weil man woanders ja keine Kameras in fünfzig Metern Höhe entlangrasen lassen kann. Jedenfalls war das der Moment, wo ich mich als Fan und Zuschauer verabschieden musste.
Was genau ist der Grund dafür?
Ich finde das einfach traurig: Die Vorstellung, dass die da so alleine dem Ball hinterherrennen, nur um einen Fernsehvertrag zu erfüllen. Ich hatte das Gefühl, Mensch, das ist doch nicht der Sinn der Sache. Dann lief auch noch der Embolo nach seinem Tor vor die – Achtung, leere! – Kurve und machte diese Geste von wegen „Ich höre euch nicht“. Sehr, sehr trostlos. Es fehlt ein gemeinsamer Geist…
…bei den Geisterspielen.
Genau. Im Grunde ist schon deshalb der Begriff blöd. Ich weiß gar nicht, wer sich das ausgedacht hat. Weil man natürlich auch gerne mal wüsste, was für Geister denn eigentlich gemeint sind. Die Spieler? Oder die fehlenden Zuschauer? In der Mythologie sind die Geister ja die Untoten, die, die immer weiterleben müssen und nicht sterben können oder dürfen. Was ja eher für die Spieler spräche.