Wir bauen unsere Seite für dich um. Klicke hier für mehr Informationen.

Seite 2: „Ich glaube an eine höhere Macht“

Waren Sie von den phy­si­schen Folgen der Che­mo­the­rapie über­rascht?
Ich wusste, was auf mich zukommen würde. Aber als ich dann irgend­wann beim Trep­pen­steigen Pausen ein­legen musste, war das schon ein krasser Moment. So schwach habe ich mich in meinem ganzen Leben noch nicht gefühlt.

Der ehe­ma­lige schwe­di­sche Natio­nal­spieler Klas Ingesson, der 2014 an Krebs starb, hat kurz vor seinem Tod gesagt: Vor dem Krebs habe ich ein ego­is­ti­sches Leben geführt, in dem der Fuß­ball das Wich­tigste war. Jetzt zählt nur noch die Familie, und alles, was ich zuvor als selbst­ver­ständ­lich erach­tete, hat einen viel höheren Stel­len­wert.“ Erkennen Sie sich wieder?
Absolut. Raus­gehen, Freunde treffen, was essen gehen – das sind jetzt Dinge, auf die ich mich viel mehr freue und die ich viel mehr genießen kann. Ein­fach, weil ich Tage hatte, an denen das nicht mög­lich war und ich froh sein konnte, wenn mein Körper über­haupt eine Form von Nah­rung akzep­tierte.

Welche Erfah­rungen haben Sie beim Kon­takt mit anderen Krebs­pa­ti­enten gemacht?
Mit mir auf dem Zimmer lag ein junger Kerl, den hatte es viel übler als mich erwischt. Es war furchtbar, ihn so zu sehen. Gleich­zeitig hat mir seine Situa­tion zusätz­lich Mut gemacht. Ich dachte mir: Wenn einer so krank ist und trotzdem kämpft, dann werde ich erst recht den Krebs besiegen. Richtig schlimm war es auf der Kin­der­krebs­sta­tion. Viele Kids wissen gar nicht, was mit ihnen pas­siert. Als Vater von zwei Kin­dern musste ich die ganze Zeit daran denken, wie es wäre, wenn einer von meinen da liegen würde. Das wäre ver­mut­lich grau­samer, als selbst krank zu sein.

Ihr Arbeit­geber, Union Berlin, hat auf sehr rüh­rende Weise auf Ihre Krank­heit reagiert.
Kurz nach der Dia­gnose kamen Prä­si­dent Dirk Zin­gler und Manager Nico Schäfer zu Besuch und brachten einen neuen Ein-Jahres-Ver­trag mit. Zu den­selben Kon­di­tionen. Das war genau das, was ich brauchte, um mich voll auf meine Gene­sung zu kon­zen­trieren. Und was am 7. Februar in der Alten Förs­terei abging, haben Sie ja sicher­lich gesehen.

In der 7. Minute des Heim­spiels gegen den VfL Bochum wurde das Spiel unter­bro­chen, die Spieler zogen ihre Tri­kots aus und zeigten Leib­chen mit Ihrer Rücken­nummer 7. Sie wussten tat­säch­lich von gar nichts?
Nein, meine Frau und ich waren wirk­lich völlig ahnungslos. Ich dachte mir schon, dass irgendwas geplant sei. Aber nicht das. Das ging richtig unter die Haut.

Sind Sie gläubig?
Vor der Krank­heit nicht so. Jetzt schon.

Woran glauben Sie?
An eine höhere Macht, die mein Leben lenkt. Jeden­falls hoffe ich das – sonst wären all die Stoß­ge­bete umsonst gewesen.

Offenbar nicht, denn seit dem 23. Juli 2015 gelten Sie offi­ziell als geheilt. Welche Erin­ne­rungen haben Sie an diesen Tag?
Ich sollte am Nach­mittag die Ergeb­nisse der letzten Unter­su­chung erfahren, hielt es aber nicht aus und rief schon um 10 Uhr mor­gens im Kran­ken­haus an. Die Stunde der Wahr­heit. Eine Kran­ken­schwester teilte mir mit, dass keine Krebs­zellen gefunden worden seien. Dass ich wieder gesund sei.

Wie haben Sie reagiert?
Ich legte auf und blieb erstmal sitzen. Das musste ich ver­ar­beiten, es dau­erte, bis ich die Nach­richt wirk­lich auf­ge­nommen hatte. Dann habe ich es genossen. Denn die Woche vor dieser abschlie­ßenden Dia­gnose war noch einmal schlimm.

Warum?
Ich hatte Angst davor, den Krebs doch nicht besiegt zu haben. Meine Mutter kam mir in den Sinn. Die hatte bereits dreimal Krebs. Ihr haben die Ärzte auch nach dem ersten Mal gesagt, dass sie wieder gesund sei. Fünf Jahre später kam die Krank­heit zurück.

Macht Ihnen das eben­falls Angst?
Schon. Aber ich bin ein posi­tiver Mensch. Für mich ist die Krank­heit über­standen. Ich muss zwar in regel­mä­ßigen Abständen zur Nach­un­ter­su­chung, aber davon lasse ich mich jetzt nicht fertig machen.

Glauben Sie, dass der Krebs Sie auch als Fuß­baller ver­än­dert hat?
Ver­mut­lich schon. Ich werde wei­terhin um jeden Punkt kämpfen, mich über Siege freuen und über Nie­der­lagen ärgern. Aber all das ist nicht mehr das Wich­tigste im Leben.

Son­dern?
Ver­trauen. In sich selbst und in andere. Und darin, dass es sich für die wirk­lich wich­tigen Dinge zu kämpfen lohnt.