Schreien, schimpfen, jubeln – wenn Klaus Thomforde auf dem Platz stand, brannte die Luft. Aber wie wird man vom Finanzbeamten zum „Tier im Tor“?
Gab es einen Moment, an dem Ihnen das zu viel wurde.
Nein, Autogramme und Fotos waren für mich immer eine Selbstverständlichkeit, auch wenn die Familie dann eben ohne mich ins Woolworth gehen musste. Und die Show der Medien haben wir einfach mitgespielt. Einmal war ich zur Saisonabschlusssendung von „ran“ eingeladen. Die hatten die Idee, eine Band aus Fußballern zusammenzustellen und im Studio Songs spielen zu lassen. Andi Möller an der Gitarre, ich am Keyboard.
Sie können Keyboard spielen?
Absolut nicht. Das war Playback und ich habe einfach in die Tasten gehauen wie ein Verrückter. Nach dem Lied kam Jörg Wontorra ganz erstaunt zu mir an. „Mensch, Klaus, wo hast du das denn gelernt, das ist ja sensationell.“ Ich bin natürlich voll drauf eingestiegen und habe ihm erzählt, dass mein Vater Akkordeon gespielt hat und ich deshalb hätte Klavier lernen müssen. Der nächste Song fing an, und ich legte wieder los. Wonti konnte es gar nicht glauben. Erst als er später selber eine Taste drückte und kein Ton kam, merkte er, dass ich ihn veräppelt hatte.
Sie haben 317 Spiele für St. Pauli bestritten und mehrere Aufstiege sowie Klassenerhaltspartys gefeiert. Welche Party war die beste?
Die Aufstiegsfeier 1995 ist mir noch gut im Gedächtnis. Die Feier ging schon mit dem Platzsturm der Fans los, später waren wir auf der Reeperbahn und feierten mit 40.000 Anhängern. Wir standen auf einer Empore und sahen all diese glücklichen Menschen. Das war unglaublich.
Ist das die Party, bei der auch ein Kleinbus zu Schaden kam?
Nein, das war ein Jahr später. Nachdem wir in Karlsruhe den Klassenerhalt geschafft hatten, flogen wir nach Hause. In Hamburg erwarteten uns schon tausende Fans. Ein paar Jungs aus der Mannschaft hatten dann aus einer Bierlaune heraus die geniale Idee, auf einen Kleinbus zu klettern, der am Flughafen geparkt war. Kurz darauf stand das halbe Team auf dem Bus und hüpfte. Das Ergebnis war ein Totalschaden, den der Verein dann bezahlen musste.
Nach einem Spiel zu Beginn der Saison 1995/96 prägten Sie den legendären Spruch: „Es ist einfach unheimlich geil, Bälle in der Bundesliga zu halten. Da geht mir voll einer ab.“ War das für alle im Team des Underdogs so geil?
Wir hatten das Auftaktspiel gegen 1860 gewonnen, siegten in Freiburg und waren Tabellenzweiter. Die Euphorie war riesig und ich habe es als Geschenk empfunden, wieder in der Bundesliga zu spielen. Das ganze Team hat dieses Jahr sehr genossen.
Sie haben im Laufe der Jahre mit so vielen typischen St. Pauli-Fußballern zusammengespielt. Wer war denn der verrückteste?
Schwierig. Leo Manzi war sicherlich ein Highlight. Der kam aus Brasilien zu uns, wir haben den neuen Pelé erwartet. Bereits im ersten Training war aber klar, dass er fußballerisch alles andere als brasilianisch ist. Ich war sein erster Zimmerkamerad bei uns, er war ein sehr herzlicher Mensch. Und die Fans haben ihn geliebt.
1999 erlitten Sie einen Kreuzbandriss und mussten Ihre Karriere beenden. Vorher quälten Sie sich aber noch über ein Jahr für ein Comeback. Ist es als emotionaler Spieler schwieriger, sich einzugestehen, dass es nicht mehr geht?
Ich wollte spielen, bis ich 40 bin. Als das Kreuzband riss, war ich 36 und natürlich habe ich versucht, so lange wie möglich an meinem Traum festzuhalten. Vielleicht auch länger als andere. Es hat aber nicht sollen sein.
Klaus Thomforde, Bälle halten in der Bundesliga war geil. Aber bei was geht Ihnen jetzt einer ab?
Ich bin mittlerweile Torwarttrainer der U21-Nationalmannschaft, das treibt mich jetzt an. Wir haben die U21-Europameisterschaft vor der Brust, außerdem die Möglichkeit, uns für Olympia zu qualifizieren. Dafür brenne ich.