Früher gab es sie noch: die Typen. Raubeine, die schon mit Schaum vorm Mund auf den Fußballplatz stürmten und nur darauf warteten, ihrem Gegenspieler eins überzubraten; natürlich wenn der Schiedsrichter nicht hinsah. Damals nannte man es „taktisch clever“, wenn nach fünf Minuten der gegnerische Spielmacher per gestrecktem Bein ins Krankenhaus getreten wurde.
Diese Schurken waren Helden und wurden selbst dann verehrt, als sie lange nach Spielschluss in der örtlichen Disko wahlweise Ehebrüche, Nasenbeinbrüche oder Hausfriedensbrüche begingen. Ausflüchte wie „mentale Blockade“ oder „Burn Out Syndrom“ existierten im Wortschatz dieser Spieler nicht. Sie wollten, dass sie die Öffentlichkeit so wahrnahm, wie sie waren: Impulsive Typen. Sie waren ehrlich; auf und neben dem Platz.
Ach, früher! An die Schurken erinnert man sich gerne. In England an Eric Cantona, den begnadeten französischen Kung-Fu Meister von Manchester United, der allen mal zeigen wollte, was passiert, wenn man ihn öffentlich beleidigt: Vollspann in die Fresse. Oder die walisische „Axt“ Vinnie Jones; seines Zeichens Anführer der „crazy gang“ des FC Wimbledon und immer noch Rekordhalter in der Premier League in Sachen Rote Karten (13 Stück) und schnellster Gelber Karte (drei Sekunden). Sowohl für Jones als auch für Cantona reichte es später sogar für eine recht ansehnliche Schauspielerkarriere. Attention! Bad Boys Wanted.
Doch ein „enfant terrible“ ist je nach Ursprungsland immer von unterschiedlichster Ausprägung. Auf der Insel unterteilt man in zwei Kategorien. Da hätten wir zunächst die Schluckspechte, wie George Best, Toni Adams oder Paul Gascoigne. „Gazza“ kommt jedoch momentan eher rotgebrannt wie ein englischer Pauschaltourist daher und weniger wie ein abgefuckter Ex-Profi. Gute Besserung.
In Gerrards Faust gelaufen
Daneben haben wir die Schlägerkolonne; die junge Garde um die Sportskameraden Wayne Rooney und Steven Gerrard. Letzterer war angeblich nur am Tresen gestanden, und plötzlich lief jemand ganz aus Versehen in die Faust des Mittelfeldmotors vom FC Liverpool. Kann ja passieren. Hätte sich auch wegducken können, der Typ.
Brasilianer sind da anders. Die verdienten Weltmeister Pele, Romario oder Ronaldo haben statt Prügelattacken Fortpflanzung ganz oben auf ihrer Agenda stehen. Denn wie viele Kinder Pele gezeugt hat, weiß der vermutlich selbst nicht, und Romario hat so viele, dass er mit den Unterhaltszahlungen zuletzt in Rückstand geraten war und eine Nacht hinter Schloss und Riegel verbringen musste. Als Dritten im Bunde hätten wir unser aller Ronaldo. Das Ex-Pummelchen erkannte offenbar nicht, das die Prostituierte, die er sich gerade kennen gelernt, unten herum mehr zu bieten hatte als ihre weiblichen Berufskolleginnen. Uiuiui! Dünnes Eis!
Auf dieses Glatteis will sich die aufstrebende brasilianische Ballkünstlerzunft gar nicht erst begeben. Diese Feierlaunigen wollen es krachen lassen. Kinder stören da nur. Ob Rafinha, Carlos Alberto, Adriano, Robinho oder Ronaldhino; die Partytruppe, die auch vor großen Turnieren und entscheidenden Spielen nicht zurück schreckt, ließe sich beliebig um weitere namhafte „Selecao“ Mitglieder ergänzen.
Deren Schlägertruppe geht jedoch ihrer eigenen Wege. Das „Tier“ Edmundo und der kleine Pittbull Carlos Eduardo, der sich nicht einmal vor kroatischen Nahkämpfern (Olic!) fürchtet, lassen die Traditionalisten um Eric Cantona in puncto „High Kicks“ und „Upper Cuts“ beinahe vergessen.
Italien indes war schon immer das Land der großen Gesten. Natürlich auch im Fußball. Einiges, was sich die Raubeine hier erlauben, liegt aber jenseits des guten Geschmacks. Das muss an dieser Stelle in aller Deutlichkeit gesagt werden. Oder was hatte der gestreckte Arm von Paolo Di Canio weit über seinem Haaransatz zu suchen? Pfui Teufel! Dieser Stürmer von (sic!) S.S. Lazio sollte sich eher ein Beispiel an seinem Berufskollegen Antonio Cassano nehmen. Der 26-Jährige interessiert sich nämlich nicht die Bohne für Politik und hatte nach eigener Aussage schon Sex mit über 700 Frauen. Dazu legt er nach Abpfiff im Stadion gerne einen kompletten Striptease hin. Von dieser Libido können sich sogar die alten Brasilianer noch eine Scheibe abschneiden.
In Deutschland herrschen wiederum ganz andere Sitten. Denn Sex und Schlägereien steht für den Bundesliga-Bürgerschreck nicht an erster Stelle. Was hier wirklich zählt, ist „aufm Platz“. Und dort sind es die verbalen Scharmützel, die Aufsehen erregen.
Trinkmann und Osram
Unvergessen bleibt Uli Borowkas psychologische Kriegsführung beim Bundesligadebüt von Olaf Thon. „Ich brech’ dir gleich beide Beine“, soll der damalige Gladbacher „Eisenfuß“ dem kleinen Schalker prophezeit haben. Wolfram „Wudi“ Wuttke adressierte die Verbalattacken dagegen lieber an seine Trainer. Von ihm hat Jupp Heynckes auch den Spitznamen „Osram“ abbekommen. Armer Jupp, „Osram“ verfolgt ihn bis heute.
Es gibt aber auch deutsche Kicker, die eher durch zügelloses Verhalten im Alkoholrausch auffielen. Ansgar Brinkmann (Spitzname: „Trinkmann“) kennt wohl sämtliche Diskotheken von Bielefeld bis Ahlen und Mario Basler ging schon in seiner Essener Zeit gerne auf Zechtour.
Alle aufgezählten Exzentriker verblassen allerdings, wenn man die unangepassten Verhaltensweisen von Diego Armando Maradona begutachtet. Allein die Liste seiner Vergehen könnte die Jahresstaffel einer Skandal-Talk-Show füllen. Deshalb an dieser Stelle nur ein kleiner Abriss: Luftgewehr Attacke auf Journalisten, Dopingvergehen bei der WM, massenhaftes Übergewicht, jahrelange Kokainexzesse, Mafiakontakte, Entziehungskuren auf Kuba, Nationaltrainerjob in Argentinien und so weiter.
Maradona ist nicht nur bei fußballerischen Höhepunkten unerreicht; der kleine Junge aus Villa Fiorito bleibt in allen Belangen der Größte: Auch als „enfant terrible“ der Fußballgeschichte. Bravo Diego!