Wenn Borussia Mönchengladbach heute Abend auf Real Madrid trifft, werden unweigerlich Erinnerungen an das UEFA-Cup-Achtelfinale 1985 wach. Hier erinnert sich Christian Hochstätter an furchteinflößende Real-Spieler, eine Niederlage mit langen Nachwehen und ein ganz besonderes Geschenk von Emilio Butragueño.
Dieser Text ist erstmals in 11FREUNDE #222 erschienen, in der Protagonisten von der Kraft des Fußballs erzählen. Das Heft ist hier bei uns im Shop erhältlich.
Manchmal sage ich im Scherz: „Wenn es um dieses Spiel geht, das inzwischen über 34 Jahre zurückliegt, müsste ich mich eigentlich mal behandeln lassen.“ Denn damit ist eine Geschichte verbunden, die mir seither immer mal wieder einfällt, wenn davon die Rede ist, dass Fußballspiele im Kopf entschieden werden. Wir hatten 1985 das Hinspiel im Achtelfinale des UEFA-Cups in Düsseldorf mit 5:1 gegen Real Madrid gewonnen und dabei großartig gespielt. Aber wir waren gewarnt, weil in der Saison zuvor der RSC Anderlecht mit einem 3:0‑Vorsprung ins Bernabeu-Stadion gefahren war, dort mit 1:6 verloren hatte und ausgeschieden war. Zumal das eine extrem gut besetzte Mannschaft von Real Madrid war, in der Hugo Sanchez, Jorge Valdano, José Camacho und Emilio Butragueño mitgespielt haben.
Außerdem gab es noch eine andere Vorgeschichte, denn 1976 hatte schon einmal ein Team von Borussia Mönchengladbach gegen Real Madrid gespielt, sogar im Europapokal der Landesmeister. Damals war es vom holländischen Schiedsrichter Leonardus van der Kroft verpfiffen worden, der zwei astreine Tore aberkannte, einmal wegen einer vermeintlichen Abseitsstellung und einmal wegen eines vermeintlichen Handspiels. Die Fehlentscheidungen waren so krass, dass eigentlich alle davon ausgegangen sind, dass Real den Schiedsrichter bestochen hatte. Also sind wir quasi in historischer Mission nach Madrid gereist, die Mannschaft von damals zu rächen. Das galt besonders für unseren Trainer, denn Jupp Heynckes war damals noch als Spieler dabei gewesen.
Als wir im Bernabeu antraten, passten dort noch fast 100 000 Zuschauer hinein – so ein großes und zugleich enges Stadion gab es bei uns in der Bundesrepublik nicht. Und was wir auch nicht kannten, war, dass unser Mannschaftsbus auf dem Weg ins Stadion mit Tomaten beworfen wurde. Das hat uns schon mal ziemlich eingeschüchtert. Wie beeindruckt wir waren, merkte ich, als ich in der Kabine neben Kurt Pinkall saß. Er war berühmt als „schnellster Postbote Deutschlands“, weil er sogar zu Beginn seiner Profikarriere noch Post ausgetragen hatte; und sein Markenzeichen war, dass er immer ohne Schienbeinschoner gespielt hat. Doch als wir uns umzogen, sah ich plötzlich, wie Kurt sich Schienbeinschoner unter die Stutzen steckte, nachdem wir draußen gewesen waren und uns den Rasen und das Stadion angeschaut hatten. Also habe ich ihn gefragt: „Was ist denn mit dir los, seit wann trägst du denn Schienbeinschoner?“ Er drehte sich zu mir um und sagte: „Du warst doch auch gerade draußen. Ich bin noch zu jung zum Sterben.“ Da habe ich mir gedacht: Oha, was passiert denn hier?
Als der Schiedsrichter gepfiffen hat, um uns auf den Platz zu holen, sind wir aus der Kabine und auf eine Treppe getreten, über die es zum Spielfeld ging. In der Mitte war damals ein Gitter, das es, glaube ich, heute noch gibt. Wir standen auf der rechten Seite davon, aber die Spieler von Real waren noch nicht da.